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Gesamtausgabe 2 – 2013

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Die Gesamtausgabe 2- 2013 kann hier in eine pdf-Datei heruntergeladen werden.


Die Beeinflussung von Kaufentscheidungen – Effekte unterbewusster Manipulation der affektiven Einstellungskomponente

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1 Einleitung

Seit der Behauptung James Vicary’s (1957), er habe durch die Einblendung von Bildern, die für das menschliche Auge nicht sichtbar waren, während eines Kinofilms den Verkauf von Popcorn und Cola eindeutig steigern können, ist die unterbewusste Beeinflussung von Konsumenten in der Wissenschaft ein viel diskutiertes und mit teils widersprüchlichen Ergebnissen erforschtes Thema (Mullen & Johnson, 1990). Auch in der Öffentlichkeit wurde das Thema kontrovers diskutiert. Infolgedessen und als erste gesetzliche Reaktion auf die Behauptungen Vicary’s erließ der Bundesstaat New York im Jahre 1958 ein Gesetz zum Verbot von subliminalen Werbebotschaften (Heller, 1995), nicht zuletzt wegen des im Jahre 1957 veröffentlichten Bestseller „The Hidden Persuaders“ von Vance Packard. Auch in zahlreichen europäischen Staaten ist gegenwärtig die Verwendung von Techniken verboten, die dem Rezipienten keine Möglichkeit geben, die übertragenen Informationen bewusst wahrzunehmen (Fahllund & Salmi, 1997). In Deutschland müssen gemäß Artikel 7 Absatz 3 RStV Werbung und Teleshopping „(…) als solche leicht erkennbar und vom redaktionellen Inhalt unterscheidbar sein. In der Werbung und im Teleshopping dürfen keine Techniken der unterschwelligen Beeinflussung eingesetzt werden“ (Fechner & Mayer, 2012, S. 464).

Angesichts aktueller Problematiken für Werbetreibende, wie dem Sättigungsgrad der westlichen Märkte und der damit einhergehenden Werbeflut (Bruhn, 2006), nimmt jedoch die Relevanz des Forschungsfelds der unterbewussten Beeinflussung von Konsumenten aktuell zu. In diesem Beitrag soll aufgrund der beschriebenen juristischen Restriktionen der Fokus auf den erlaubten beiläufigen Reizdarbietungen und weniger auf der untersagten unterbewussten Einflussnahme liegen.

Ein zentrales Ziel von herkömmlicher Werbung ist, über die Eigenschaften von Produkten zu informieren, um so Marktanteile und Umsätze zu erhöhen. In gesättigten Märkten jedoch unterscheiden sich die Produkte einer Vielzahl von Marktteilnehmern häufig lediglich geringfügig hinsichtlich ihrer Qualität und sind prinzipiell austauschbar (Volkmann & Torkaski, 2006). Als Resultat versuchen beinahe alle Marktteilnehmer ihre Werbepräsenz zu erhöhen, um eine hohe kognitive Verfügbarkeit und strategische Differenzierung sicher zu stellen. Allerdings empfinden Konsumenten die auf sie eintreffende Masse an Werbebotschaften als eher unangenehm (Wallbott, 1999) und überaktivierend (Rosenheim & Neumann, 2002), neigen daher oftmals zu Reaktanzverhalten (Bänsch, 2006; Bruhn, 2006) und versuchen die Werbung zu ignorieren, respektive entwickeln Aversionen gegen die beworbenen Produkte (Rumbo, 2002).

Eine Lösung dieses Problems wäre die Menge von Werbebotschaften zu reduzieren, da sich die Aufmerksamkeit der Konsumenten für die geringere Anzahl von Werbebotschaften erhöhen (Stiglitz & Walsh, 2010), die Wahrscheinlichkeit für Reaktanzverhalten somit sinken und Gewinne steigen würden (Langner, 2007). 1971 hatte beispielsweise in den Vereinigten Staaten das gesetzliche Verbot von im Fernsehen ausgestrahlter Zigarettenwerbung eine Gewinnsteigerung der ansässigen Tabakindustrie durch Kosteneinsparung im Marketingbereich zur Folge (Mankiw & Taylor, 2012). Allerdings gelingt die Reduktion von Werbebotschaften ohne gesetzliche Einschränkungen nicht, da in dieser Konstellation das „Gefangenen-Dilemma“ wirkt (Stiglitz & Walsh, 2010): Sobald sich lediglich eine Minderheit der Marktteilnehmer für weniger Werbemaßnahmen entscheidet, besteht die Gefahr, im Vergleich zu weiterhin werbenden Marktteilnehmern an kognitiver Verfügbarkeit und Marktanteilen einzubüßen (Kiefer, 2005).

Um dennoch das Ziel einer strategischen Differenzierung zu erreichen, könnte Werbung, die vom Rezipienten nicht als solche wahrgenommen wird, eingesetzt werden, da die Wahrscheinlichkeit von Reaktanzverhalten durch eine subjektiv geringer erscheinende Werbeflut reduziert würde. Hierdurch wird die zunehmende Bedeutung des Forschungsfelds der unterbewussten Beeinflussung von Konsumenten deutlich, da gemäß der theoretischen Konstrukte der subliminalen oder beiläufigen Darbietung eine Werbung entwickelt werden kann, die dem Rezipienten nicht als eine solche erscheint.

2 Subliminale Wahrnehmung

Werbebotschaften, respektive Stimuli im Allgemeinen, sind per Definition unterschwellig beziehungsweise subliminal, sobald sie bei weniger als der Hälfte der Darbietungen wahrgenommen werden, wie beispielsweise Bilddarstellungen mit einer Dauer von bis zu 30 Millisekunden (Bischofberger, 2012). Diese Begrenzung der Wahrnehmungswahrscheinlichkeit von bis zu 50 Prozent wird als „absolute Schwelle“ beschrieben (Zimbardo & Gerrig, 2008).

Die Wirkung von subliminalen Botschaften wurde unter anderem in dem Experiment von Karremans, Stroebe, und Claus (2006) bewiesen, bei dem durch die subliminale Einblendung des Wortes „Lipton Ice“ während einer Worterkennungsaufgabe die anschließende Wahl zwischen Lipton Ice-Tea und einer Mineralwassermarke bei durstigen Probanden erfolgreich zu Gunsten der Marke Lipton beeinflusst werden konnte.

Auch die Untersuchungen von Aarts und Dijksterhuis (2002), von Bargh und Pietromonaco (1982) sowie von Cooper und Cooper (2002) beweisen den Einfluss von subliminal dargebotenen Stimuli auf Rezipienten. Jedoch gibt es auch eine Vielzahl von Autoren, die an der Wirkung von subliminalen Botschaften zweifeln (Calvin & Dollenmayer, 1959; Champion & Turner, 1959) oder die Ergebnisse bisheriger Studien in Frage stellen (Aronson, Wilson, & Akert, 2008; Mayer, 1993).

Auch wenn die Verwendung subliminaler Botschaften theoretisch einen Ausweg aus dem „Gefangenen-Dilemma“ bietet, ist der Einsatz in der Werbung und in der Öffentlichkeit jedoch aufgrund angeführter gesetzlicher Einschränkungen problematisch. Für eine vergleichbare Einflussnahme auf legale Weise durch überschwellige Reize, die prinzipiell sichtbar sind und dennoch den Konsumenten unterbewusst ansprechen, eignet sich das Konstrukt der beiläufigen Darbietung von Reizen.

3 Beiläufige Wahrnehmung

Grundsätzlich werden nicht alle auf den Rezipienten eintreffenden Reize gleichermaßen verarbeitet, auch wenn die Wahrscheinlichkeit der Wahrnehmung über der „absoluten Schwelle“ liegt. Nach Scheier und Held (2012) werden aus der Gesamtheit von elf Millionen Bits an Informationen, die sekündlich auf den Menschen eintreffen, lediglich 40 Bits selektiert. Der Prozess des Auswählens von relevanten Informationen aus der Gesamtheit der wahrgenommenen Reize kann auch als selektive Informationsaufnahme (Müller & Krummenacher, 2008) oder „inattentional blindness“ (Mack & Rock, 1998) beschrieben werden. Allerdings werden die aussortierten Reize, der „Theorie der späten Selektion“ von Deutsch und Deutsch (1963) zufolge, wenigstens in Teilen verarbeitet und können sich somit auf die Handlung des Rezipienten auswirken (Bargh, Chen, & Burrows, 1996; Dijksterhuis, Bargh, & Miedema, 2000). Hierbei ist von beiläufigen Wahrnehmungsvorgängen zu sprechen (Shapiro & Krishnan, 2001), bei denen, im Gegensatz zur subliminalen Wahrnehmung, der Rezipient den Reiz theoretisch wahrnehmen könnte (Behrens & Neumeier, 2004).

Die Auswirkungen von beiläufig wahrgenommener Werbung wurden beispielsweise von Shapiro, MacInnis, und Heckler (1997) untersucht. Während Probanden mit der Aufgabe beschäftigt waren, einen Text auf einem Computerbildschirm zu lesen und dabei die Maus in bestimmten Mustern zu bewegen, wurden am Rand des Bildschirms Werbeanzeigen präsentiert. In einer anschließenden fiktiven Zusammenstellung eines Warenkorbs wurden daraufhin die beworbenen Produkte öfter ausgewählt.

Auch auf anderen Sinneskanälen, wie beispielsweise auf auditiver Ebene, können Reize außerhalb des Aufmerksamkeitsfokus das Verhalten von Rezipienten beeinflussen, wie North, Hargreaves, und McKendrick (1999) zeigten, in deren Untersuchung die Hintergrundmusik in einem Weinladen die Wahl der Weine beeinflusste. So förderte französische Musik den Verkauf von französischen Weinen, während deutsche Musik den Absatz von deutschen Weinen steigerte.

Weiterführend zeigt sich auch im Bereich des Lernens der Einfluss von beiläufig wahrgenommener Information. Rezipienten sind in der Lage derartige Informationen oder Inhalte zu erlernen, ohne dieses beabsichtigt respektive bemerkt zu haben. Dieser Effekt kann dem inzidentellen Lernen untergeordnet werden (Röhr-Sendlmeier, 2012).

Auch können Studien des Forschungsbereichs der Neuropsychologie die Auswirkungen von beiläufig wahrgenommenen Reizen erfolgreich darstellen. So bildeten die Forscher Dehaene und Changeux (2011) den biologischen Prozess der Informationsverarbeitung von unterbewusst wahrgenommenen Reizen anhand der neuronalen Aktivitäten im Gehirn ab. Dabei wiesen die Verarbeitungsprozesse von bewusst sowie beiläufig wahrgenommenen Reizen in den ersten Schritten der Informationsverarbeitung lediglich geringfügige Unterschiede auf.

Eine unterbewusste Wahrnehmung durch beiläufige Reizdarbietung kann beispielsweise dem Konstrukt der „inattentional blindness“ zufolge ausgelöst werden, da hierbei aufmerksamkeitsinduzierende Stimuli von objektiv sichtbaren Reizen ablenken, sodass diese nicht aktiv wahrgenommen werden (Mack & Rock, 1998). Da emotionale Stimuli psychophysische Reaktionen auslösen und vom Rezipienten lediglich in geringem Maße kontrolliert werden können, sind diese bei der Konstruktion von beiläufig wirkenden Botschaften besonders von Vorteil (Hülshoff, 2006). Werden infolgedessen Emotionen in einer Werbung verwendet, induzieren diese die Aufmerksamkeit des Konsumenten und begünstigen somit die beiläufige Wahrnehmung von zeitgleich präsentierten Reizen (Eckstein, 2004). Diese können die affektive Einstellungskomponente des Rezipienten unter anderem aufgrund der psychologischen Wirkmechanismen des Mere-Exposure-Effekts (Ferraro, Bettman, & Chartrand, 2009; Janiszewski, 1993; Kunst-Wilson & Zajonc, 1980; Zipfel, 2009) sowie der evaluativen Konditionierung (De Houwer, Baeyens, & Eelen, 1994; De Houwer, Hendrickx, & Baeyens, 1997; Hofmann, De Houwer, Perugini, Baeyens, & Crombez, 2010; Krosnick, Betz, Jussim, & Lynn, 1992) unterbewusst beeinflussen und die strategische Differenzierung, gerade in Bezug auf sich ähnelnde Produkte, unterstützen (Biel, 1992). So zeigten MacInnis, Rao und Weiss (2002) beispielsweise, dass lediglich emotional gestaltete Werbung zur Verkaufssteigerung in gesättigten Märkten führt.

4 Mere-Exposure-Effekt

Der Mere-Exposure-Effekt beschreibt die Auswirkungen der wiederholten Darbietung eines Reizes auf die affektive Bewertung des Reizes. Stimuli, die der Rezipient wiederholt wahrnimmt, erscheinen ihm positiver und sympathischer. Je häufiger Rezipienten folglich bestimmte Reize wahrnehmen, desto eher wird diesen gegenüber eine Vorliebe entwickelt (Zajonc, 1968). Diese Erkenntnis geht auf das Experiment von Zajonc (1968) zurück, in dem Versuchspersonen bedeutungslose chinesische Schriftzeichen, die unterschiedlich oft präsentiert wurden, bewerten sollten. Die Bewertung korrelierte dabei positiv mit der Anzahl der Darbietungen. Zurückzuführen ist dieser Effekt auf eine vereinfachte Verarbeitung des Reizes durch seine vorherige Darbietung, die der Rezipient fälschlicherweise auf ansprechende Eigenschaften des Reizes attribuiert (Reber, Winkielman, & Schwarz, 1998).

Auch Reize, die durch sehr kurze Darbietungszeiten nicht sichtbar werden, eignen sich dazu, Mere-Exposure-Effekte auszulösen, wie Kunst-Wilson und Zajonc (1980) in ihrer empirischen Untersuchung bewiesen. Neben unterschwellig dargebotenen Reizen kann die affektive Bewertung eines spezifischen Reizes auch durch eine vorangehende beiläufige Wahrnehmung dieses Stimulus beeinflusst werden. Janiszewski (1993) zeigte beispielsweise, dass beiläufig wahrgenommene Werbeanzeigen in Zeitschriften Auswirkungen auf die Einstellung gegenüber den gezeigten Marken haben können. Während Probanden Konzentrationsaufgaben auf bestimmten Seiten in einer Zeitschrift bearbeiteten, waren spezifische Werbeanzeigen auf der zeitgleich aufgeschlagenen gegenüberliegenden Seite zu sehen. In einer anschließenden Bewertung erschienen den Probanden die zuvor beiläufig dargebotenen Marken positiver.

Die Studie von Ferraro et al. (2009) stellte ferner den Effekt der Verarbeitungserleichterung auf Entscheidungsprozesse dar. Probanden waren dazu angehalten, bei einer Präsentation von Fotografien, auf denen Personen Flaschen einer bestimmten Mineralwassermarke mit sich führten, die Gesichtsausdrücke der Protagonisten zu bewerten. Anschließend hatten die Probanden die Möglichkeit als Gegenleistung für ihre Teilnahme, aus vier Mineralwassermarken eine Marke zu wählen. Die beiläufige Markenwahrnehmung führte zu einer signifikant häufigeren Entscheidung für die zuvor präsentierte Marke. Überdies verstärkte sich die Beeinflussung der Entscheidung, wenn die Darbietung der Marke nicht bemerkt wurde und die Protagonisten sympathischer erschienen.

5 Evaluative Konditionierung

Zusätzlich zur reinen Darbietung eines Reizes beinhaltet die Einflussnahme mittels evaluativer Konditionierung die Färbung des Reizes durch Emotionen, die durch Inhalte wie ansprechende Landschaften oder lachende Kinder ausgelöst werden können.

Da bei Werbebotschaften vermehrt die Veränderung der Bewertung eines Reizes im Vordergrund steht (Görgen, 2005), ist dieser Mechanismus umfassend zu betrachten. Durch die gemeinsame Präsentation eines neutralen Reizes mit einem spezifischen Stimulus, der deutlich positiv oder negativ bewertet wird, passt sich die Bewertung des ursprünglich neutralen Reizes an die des spezifischen Stimulus an (Staats & Staats, 1958).

Die evaluative Konditionierung ist in ihren Grundzügen mit der klassischen Konditionierung zu vergleichen, die auf eines der bekanntesten Experimente in der psychologischen Forschung von Ivan Pawlow (1903) zurückzuführen ist, bei dem nach einer erfolgreichen Konditionierung die bloße Darbietung eines Glockentons genügte, um den Speichelfluss eines Hundes auszulösen.

Den Ursprung der Forschung zur evaluativen Konditionierung hingegen legten Staats und Staats 1958 mit ihrer Studie „Attitudes established by classical conditioning“, in der die Bewertung von neutralen Nationalitätsbezeichnungen durch Konditionierungseffekte verändert werden konnte. Die ausschließliche Präsentation einer Nationalitätsbezeichnung mit positiven emotionalen Begriffen veränderte dabei die Bewertung dieser Nationalität. Wurde beispielsweise „schwedisch“ ausnahmslos mit positiven Wörter präsentiert, passte sich die Bewertung dieser Nationalitätsbezeichnung an die Bewertung der emotionalen Begriffe an.

Zu der Anzahl von Konditionierungsdurchläufen und Darbietungswiederholungen, welche benötigt werden, um nennenswerte Veränderungen der Bewertung zu erreichen, sind in der Literatur teils widersprüchliche Ergebnisse zu finden. In einigen empirischen Untersuchungen reicht beispielsweise eine einmalige Präsentation für eine erfolgreiche Konditionierung aus (Stuart, Shimp, & Engle, 1987), in anderen werden 20 Wiederholungen oder mehr benötigt (Felser, 2007; Ghazizadeh, 1987). Der entscheidende Faktor ist hierbei das „Involvement“ der Rezipienten, also die persönlich wahrgenommene Relevanz der Inhalte (Mayer & Illmann, 2000), während der Konditionierungsvorgänge (Kroeber-Riel, Weinberg, & Gröppel-Klein, 2009).

Anstelle von Wörtern können auch Bilder als Stimulusmaterial für evaluative Konditionierungsvorgänge verwendet werden (Levey & Martin, 1975). In der Untersuchung von Krosnick et al. (1992) konnte des Weiteren eine Beeinflussung der Einstellung durch die Präsentation von emotionalen Bildern erreicht werden, die nicht bewusst wahrgenommen werden konnten. Hierbei beeinflussten die während einer Diapräsentation subliminal dargebotenen positiven Emotionsbilder die Bewertung der auf den Dias präsentierten Personen in positiver Weise.

Ferner konnten Hammerl und Grabitz (1996) evaluative Konditionierungseffekte für haptische Reizdarbietungen außerhalb des Aufmerksamkeitsfokus gemäß der „inattentional blindness“ nachweisen. In ihrer Untersuchung evaluierten Probanden zuvor neutral eingeschätzte Materialien wie Fell, Leder oder Gummi positiver, nachdem diese gemeinsam mit angenehm bewerteten Reizen während des Lösens von Rechenaufgaben dargeboten wurden.

6 Hypothesen

Um Produkte in gesättigten Märkten strategisch zu differenzieren und Käufe anzuregen, untersucht die im Folgenden beschriebene Studie eine Möglichkeit, die affektive Einstellungskomponente auf legale Weise unterbewusst durch beiläufige Stimuli zu beeinflussen. Dabei liegt dieser empirischen Untersuchung die An-nahme zugrunde, dass sich die emotionale Bedeutung beiläufig dargebotener Stimuli durch zeitgleich präsentierte affektive Bilder verändern lässt. Ferner wird angenommen, dass die Bedeutungsveränderung Einfluss auf die Einstellung und dementsprechend auch auf das Verhalten nimmt. Die Veränderung könnte einerseits auf den Mere-Exposure-Effekt zurückgeführt werden (HA), wonach durch die beiläufige Wahrnehmung der Reiz besser verarbeitet wird, oder andererseits auf die evaluative Konditionierung (HB), da die Bewertung dieses Reizes an die Bewertung der Bilder angepasst wird. Fraglich ist derzeit jedoch, ob sich die beiden Effekte in ihrer Wirkung auf eine Bedeutungsveränderung und folgender Veränderung des Verhaltens unterscheiden. In der Literatur finden sich diesbezüglich keine Erkenntnisse, jedoch scheint es, dass der evaluativen Konditionierung ein stärkerer Einfluss zugesprochen werden kann, da Staats und Staats (1958) eine negative Bedeutungsveränderung durch evaluative Konditionierungseffekte nachweisen konnten, obwohl der Mere-Exposure-Effekt bei dem Prozess der evaluativen Konditionierung aufgrund der wiederholten Darbietung bei Konditionierungsdurchgängen stets integriert ist. Sollte der Mere-Exposure-Effekt stärker als die evaluative Konditionierung sein, wäre dieses Ergebnis nicht zu dokumentieren gewesen. Auch zeigt sich bei der evaluativen Konditionierung im Gegensatz zum Mere-Exposure-Effekt bereits nach einer Reizdarbietung eine Veränderung in der Bewertung des präsentierten Reizes (Felser, 2007; Stuart, Shimp, & Engle, 1987). Daher liegt es nahe, dass die Einflussnahme bei einer beiläufigen Darbietung von Stimuli durch evaluative Konditionierungseffekte stärker ist als durch den Mere-Exposure-Effekt (HC). Für die empirische Untersuchung waren folgende Hypothesen zu untersuchen:

Hypothese A: Beiläufig dargebotene Stimuli können aufgrund des Mere-Exposure-Effekts unterbewusst eine Entscheidung beeinflussen.

Hypothese B: Beiläufig dargebotene Stimuli können mit Hilfe evaluativer Konditionierungseffekte unterbewusst eine Entscheidung beeinflussen.

Hypothese C: Die unterbewusste Beeinflussung einer Entscheidung mittels beiläufig dargebotener Stimuli ist durch evaluative Konditionierungseffekte intensiver als durch den Mere-Exposure-Effekt.

7 Methodik

Im Rahmen der empirischen Untersuchungen die dazu dienten, die aufgeführten Hypothesen zu überprüfen, nahmen vornehmlich studentische Probanden (N = 335) freiwillig teil, um die Kontrolle von zufälligen Fehlerquellen durch eine homogene Stichprobe zu erleichtern (Cook & Campbell, 1979). Dabei bildeten drei Vorstudien die Basis für die Erstellung der zentralen Studie, die ihrerseits aus zwei Experimentalgruppen bestand. In beiden Versuchsbedingungen der zentralen Studie, die vordergründig von der Auswahl emotionaler Bilder für Werbespots handelte, wurde den Versuchspersonen ein Zusammenschnitt von Bildern gezeigt, in denen ein spezifischer Reiz am Rande dargeboten war. Die beiläufige Wahrnehmung des Reizes sollte die Einstellung gegenüber dem Reiz verändern und so eine spätere Entscheidung der Probanden beeinflussen. Dabei wird angenommen, dass die Beeinflussung durch die Wirkmechanismen des Mere-Exposure-Effekts sowie der evaluativen Konditionierung erfolgt.

8 Untersuchungsmaterial und Vorstudien

Als Grundlage für die Erstellung der Vorstudie sowie der zentralen Studie diente das International Affective Picture System (IAPS), welches von Lang, Bradley und Cuthbert (2008) an der University of Florida für empirische Untersuchungen zu den Themen Emotionen und Aufmerksamkeit entwickelt wurde. Diese normierte Sammlung von emotionalen Fotografien dient der experimentellen Kontrolle bei der Auswahl von emotionalen Stimuli, erleichtert den Vergleich von Ergebnissen und ermöglicht die Replikation von Studien weltweit. Jedes der in dem IAPS enthaltenen Bilder wurde von einer Normierungsstichprobe bestehend aus Studenten der University of Florida in den Dimensionen Valenz (wie positiv wird es wahrgenommen), Arousal (wie emotionserregend wirkt es) und Dominanz (wie dominierend empfindet der Rezipient das Bild) auf einer Skala von 1 bis 9 bewertet.

In den vorausgegangenen Studien und in der zentralen Studie erfolgte die Auswahl der Bilder primär anhand der Dimension Valenz. Hierfür wurden die 9 neutralsten Bilder (M = 5, SD = 0.01) und die 9 positivsten Bilder mit den höchsten Valenzbewertungen (M = 8.2, SD = 0.06) verwendet.

8.1 Vorstudie 1

Bei der Konstruktion des Zusammenschnitts für die zentrale Studie wurde an der unteren rechten Ecke jedes präsentierten IAPS-Bildes ein spezifischer Reiz in Form eines neutralen Symbols eingefügt. Die Auswahl dieses Symbols erfolgte im Rahmen einer Vorstudie, Studie 1 (n = 85), in der Probanden aus 35 Symbolen neutrale und interpretationsfreie Symbole auswählen sollten. Dabei wurden die Positionierung sowie die Ausrichtung durch Rotation der Symbole variiert. Von den 35 dargebotenen Symbolen konnten fünf unabhängig von ihrer Ausrichtung und Positionierung als signifikant neutral ausgewiesen werden.

8.2 Vorstudie 2

Mittels einer weiteren Vorstudie, Studie 2 (n = 39), sollte untersucht werden, ob grundsätzlich Emotionen an diese neutralen Symbole konditioniert werden können, und somit eine Einstellungsveränderung bezüglich der Symbole durch im Fokus der Aufmerksamkeit stehende Reize erzielt werden kann. Dazu wurde ein in Studie 1 als neutral ausgewiesenes Symbol durchweg mit positiven IAPS Bildern offensichtlich dargeboten. Im Rahmen der Studie 2 wurde außerdem versucht, diese Einstellungsänderung durch aktiv wahrgenommene Stimuli mit Hilfe evaluativer Konditionierung von den Einflüssen des Mere-Exposure-Effekts zu separieren. Hierzu wurde ein weiteres neutrales Symbol permanent mit neutralen Bildern aus dem IAPS sichtbar präsentiert. Um die Effekte der IAPS-Bilder nicht durch Veröffentlichung zu verändern, stellt Abbildung 1 ein vergleichbares Beispiel dar.

Beispielhafte Darstellung zweier Bilder aus der vorangegangenen Studie 2
Beispielhafte Darstellung zweier Bilder aus der vorangegangenen Studie 2

Diese Paarungen aus positiven respektive neutralen Bildern und den neutralen Symbolen aus Studie 1 wurden in randomisierter Reihenfolge in einem kurzen Zusammenschnitt den Versuchspersonen mit der Anweisung präsentiert, sich die Inhalte zwecks einer Untersuchung zur Erinnerungsfähigkeit einzuprägen. In einer anschließenden Bewertung von fünf neutralen Symbolen auf einer neunstufigen Skala wurden die zwei, im Zusammenschnitt gezeigten, Symbole gegenüber den anderen Symbolen signifikant positiver bewertet, wie der t-Test für verbundene Stichproben zeigte (t(38) = 4.05, p < .001; t(38) = 2.98, p = .005). Allerdings unterschieden sich die beiden präsentierten Symbole in ihrer Bewertung nicht signifikant voneinander (t(38) = -0.06, p = .956). Die Trennung des Einflusses des Mere-Exposure-Effekts von dem der evaluativen Konditionierung konnte in der Studie 2 demnach nicht nachgewiesen werden. Es ist davon auszugehen, dass durch die Randomisierung der Bild-Symbol-Paarungen beide Symbole emotional mittels der positiven IAPS-Bilder aufgeladen wurden, da die evaluative Konditionierung sowohl bei nacheinander als auch simultaner Präsentation von Reizen wirkt (Kroeber-Riel, Weinberg, & Gröppel-Klein, 2009). Aus diesem Grund wurde im nächsten Schritt die zentrale Studie in zwei Versuchsbedingungen unterteilt.

8.3 Vorstudie 3

Die Platzierung des Symbols in der zentralen Studie beruht auf den Erkenntnissen einer weiteren Vorstudie, Studie 3 (n = 50), die sich mit der Wirkung von beiläufig wahrgenommen Reizen beschäftigte. Durch die beiläufige Darbietung eines neutralen Symbols, entnommen aus Studie 1, sollte die Bewertung dieses Symbols mittels des Mere-Exposure-Effekts positiv gesteigert werden. Dazu wurden in der Mitte einer Hypnosespirale in kurzen Zeitintervallen abwechselnd nacheinander blaue, schwarze und rote Kreisflächen präsentiert, während am unteren rechten Bildrand das neutrale Symbol mehrfach eingeblendet wurde. Die Probanden waren aufgefordert, die Anzahl der roten Flächen zu zählen. Nach der Abfrage der Einblendungen der roten Flächen sollten die Probanden angeben, welches Symbol sie von vier neutralen Symbolen, entnommen aus der Studie 1, präferieren. Hierbei wurde das beiläufig dargebotene Symbol bevorzugt, χ2 (3, N = 50) = 10, p = .019, gewählt. Zusätzlich gaben die Probanden an, das Symbol während der Präsentation nicht gesehen zu haben. Die Abbildung 2 zeigt einen Ausschnitt dieser Studie. Aufgrund dieser Erkenntnisse zu Positionierung eines beiläufig wahrzunehmenden Reizes wurde für die zentrale empirische Untersuchung die Positionierung des Symbols in der unteren rechten Ecke übernommen, wie in Abbildung 3 zu sehen.

Abbildung 2: Ausschnitt der vorangegangenen Studie 2
Abbildung 2: Ausschnitt der vorangegangenen Studie 2

Abbildung 3: Beispielhafte Darstellung eines Bildes aus dem Zusammenschnitt mit Hinweis auf das Symbol
Abbildung 3: Beispielhafte Darstellung eines Bildes aus dem Zusammenschnitt mit Hinweis auf das Symbol

9 Konzeption der zentralen Studie

Um nun die Auswirkungen von beiläufiger Reizwahrnehmung zu untersuchen und dabei die Wirkmechanismen voneinander separieren zu können, wurde in der zentralen Studie die Gesamtheit der Versuchspersonen in zwei Experimentalgruppen unterteilt. Zur Überprüfung von Hypothese A (Mere-Exposure-Effekt) wurde für die Experimentalgruppe 1 ein Zusammenschnitt mit den 9 neutralsten Bildern erstellt. Für Hypothese B (evaluative Konditionierung) wurde der Experimentalgruppe 2 ein Zusammenschnitt aus den 9 positivsten Bildern vorgeführt. Jedes der gezeigten Bilder war für 1,25 Sekunden zu sehen. Weiterhin gewährleistete die Präsentation der Bilder in Form eines kurzen Films über alle Durchläufe hinweg einheitliche Versuchsbedingungen, und minimierte somit den Einfluss des Versuchsleiters.

Des Weiteren wurde die Transparenz des Symbols in der unteren rechten Ecke auf 20% reduziert um sicherzustellen, dass die aktive Wahrnehmung des Symbols weitestgehend zurückgedrängt ist. Allerdings wurde auch darauf geachtet, dass es bei einer Fokussierung der Aufmerksamkeit des Rezipienten immer noch aktiv wahrgenommen werden konnte, um dem Konstrukt der Beiläufigkeit zu genügen und etwaigen Vorwürfen rechtlich untersagter subliminaler Darbietung entgegenzuwirken.

10 Durchführung der zentralen Studie

Dem Kurzfilm vorgeschaltet wurde den Probanden zunächst ein Überblick über das Thema und die zu bearbeitende Aufgabe gegeben. Das Thema der Coverstory wurde so gewählt, dass kein Rückschluss auf die zugrundeliegende Forschungsfrage möglich war. Die Probanden wurden dahingehend instruiert, das Experiment diene einer Studienarbeit und solle herausarbeiten, welche emotionalen Bilder sich zur Verwendung in der Werbung eignen könnten. Daraus resultierte die zentrale Aufgabe, sich für eines der gezeigten Bilder zu entscheiden und dieses mit drei Attributen zu beschreiben. Durch die Coverstory sollte sichergestellt werden, dass die Aufmerksamkeit der Probanden auf die Bilder gelenkt wurde und das eingefügte Symbol nicht aktiv wahrgenommen werden konnte.

Nach der Präsentation des Zusammenschnitts mittels eines Beamers waren die Probanden angehalten, nacheinander zum Versuchsleiter zu gehen, um ihm das jeweilige Bild und dessen Attribute mitzuteilen. Der Prozess dieser Abfrage wurde bewusst zeitintensiv gestaltet, um die Probanden voneinander zu separieren. Dies hatte den Zweck, die Probanden einzeln an zwei vor dem Ausgang bereitgestellten Behältern, aus denen eine Süßigkeit als Dank für die Mitarbeit entnommen werden konnte, vorbei gehen zu lassen, um Konformitätseffekte und Verzerrungen durch die Anwesenheit anderer bei der Auswahl der „Belohnung“ auszuschließen (Asch, 1956). Dabei war der eine Behälter mit dem Symbol aus dem kurzen Zusammenschnitt versehen, das andere Behältnis war mit einem anderen neutralen Symbol aus der Studie 1 gekennzeichnet. Beide Behälter wurden in ihrer Anordnung variiert und beinhalteten in gleicher Anzahl die identische Belohnung in Form von Schokoriegeln. Die entscheidende Handlung für die empirische Untersuchung war die Wahl des Behälters, aus welchem der Proband seine Belohnung entnimmt, da die Beeinflussung der Entscheidung hieran operationalisiert wurde. Die Handlung in Form der Wahl des Behälters wurde als unmittelbare und sozial unbeeinflusste Folge der Beeinflussung der Einstellung angenommen (Ajzen, 1991).

11 Ergebnisse

An der zentralen Studie nahmen insgesamt N = 161 Probanden teil, die sich auf die Experimentalgruppe 1 (n = 54), die den Zusammenschnitt aus neutralen Bildern zu sehen bekam, und Experimentalgruppe 2 (n = 107), denen die Aneinanderreihung der positiven Bildern präsentiert wurde, verteilten. Von den 161 Probanden entschieden sich 122 für eine Süßigkeit aus einem der beiden Behälter. Da für die Überprüfung der Hypothesen lediglich das Verhalten dieser 122 Probanden herangezogen werden kann, liegt hier eine Ausschöpfungsquote von 75% vor. Für die Auswertung der Ergebnisse wird ein Signifikanzniveau von 5% festgelegt.

Um Hypothese A „Beiläufig dargebotene Stimuli können durch den Mere-Exposure-Effekt unterbewusst eine Entscheidung beeinflussen“ zu überprüfen, wird das Verhältnis zwischen den beiden Behältern nach der Entnahme der Süßigkeit in der Experimentalgruppe 1 (n = 54) untersucht. Dieses Verhältnis wird durch den Chi-Quadrat-Test mit dem erwarteten ausgeglichenen Verhältnis verglichen. Von den 43 Probanden, die eine Süßigkeit mitnahmen, wählten 53% (n = 23) für die Entnahme den Behälter, der mit dem zuvor beiläufig präsentierten Symbol versehen war. Der Unterschied im Verhältnis zwischen den beschriebenen Behältern ist dabei nicht signifikant, χ2 (1, N = 43) = 0.20, p = .647. Aus diesem Grund kann Hypothese A abgelehnt werden.

Bei der Überprüfung von Hypothese B „Beiläufig dargebotene Stimuli können durch evaluative Konditionierungseffekte unterbewusst eine Entscheidung beeinflussen“ wird erneut das Verhältnis der Entnahmen aus den Behältern untersucht. Dieser Analyse liegt die Experimentalgruppe 2 (n = 107) zugrunde. Von den 79 Probanden dieser Gruppe, die eine Süßigkeit mitnahmen, wählten 63% (n = 50) den mit dem Symbol aus dem Zusammenschnitt versehenen Behälter. Diese Veränderung des Verhältnisses ist signifikant, χ2 (1, N = 79) = 5.58, p = .018, und bestätigt demnach Hypothese B.

Hypothese C „Die unterbewusste Beeinflussung einer Entscheidung mittels beiläufig dargebotener Stimuli ist durch evaluative Konditionierungseffekte intensiver als durch den Mere-Exposure-Effekt“ vergleicht das Ergebnis der Experimentalgruppe 1 mit dem Resultat in Experimentalgruppe 2. Hierzu wird mit dem zweiseitigen Chi-Quadrat-Homogenitätstest untersucht, ob die beiden Experimentalgruppen einer Gesamtgruppe zugeordnet werden können. Hypothese C kann in diesem Zusammenhang nicht angenommen werden, da die deskriptiven Unterschiede in dem Verhältnis nach der Süßigkeiten-Entnahme nicht signifikant sind (χ2 (1, N = 122) = 1.11, p = .291).

12 Diskussion

Die beschriebene Studie stellt die Auswirkungen von beiläufig wahrgenommenen Stimuli auf das Verhalten von Konsumenten dar. Die Beeinflussung des Entscheidungsprozesses könnte dabei auf die evaluative Konditionierung und den Mere-Exposure-Effekt zurück geführt werden, da diese die affektive Bedeutung des präsentierten Reizes verändern können. Allerdings konnten Probanden der Experimentalgruppe 1 in ihrer Wahl zwischen den beiden Behältnissen nicht durch die beiläufige Darbietung eines Stimulus während einer Präsentation von neutralen Bildern beeinflusst werden, da eine signifikante Veränderung zu Gunsten des mit dem Symbol aus der Präsentation versehenen Behälters nicht dokumentiert werden konnte. Somit wurde Hypothese A, welche die Beeinflussung auf den Mere-Exposure-Effekt zurückführt, abgewiesen. Dieses Ergebnis geht nicht mit den Erkenntnissen der Studie von Ferraro et al. (2009) einher, in der durch die wiederholte beiläufige Darbietung eines Stimulus eine Entscheidung bezüglich einer Marke beeinflusst werden konnte. Eine Begründung hierfür könnte zum einen in der zeitlichen Distanz zwischen beiläufiger Darbietung des Reizes und der Wahl der Behälter zu finden sein. Während in der Studie von Ferraro et al. die Wahl der Mineralwassermarke unmittelbar nach der Beeinflussung durchgeführt wurde, fand in der vorliegenden Studie die Wahl der Süßigkeit aufgrund des bewusst zeitintensiven Abfrageprozesses, der Konformitätseffekte vermeiden sollte, verzögert statt. Das abweichende Ergebnis könnte ferner durch die divergierende Anzahl der Reizdarbietungen in den beiden Studien erklärt werden, da die Intensität des Mere-Exposure-Effekts von der Anzahl der Darbietung abhängig ist (Zajonc, 1968; Zipfel, 2009).

Das Ausbleiben eines signifikanten Ergebnisses in der von Hypothese A betrachteten Behälterwahl könnte außerdem mit negativen Assoziationen gegenüber dem Experimentalgruppe 1 gezeigten Zusammenschnitts erklärt werden. So schrieben einige Probanden den vermeintlich neutralen IAPS-Bildern negative Bedeutungen wie „Wut“, „Schmerz“ und „Armut“ zu. Durch den Effekt der evaluativen Konditionierung könnten diese Assoziationen die emotionale Einstellung gegenüber dem beiläufig dargeboten Symbol negativ gefärbt und daher die Süßigkeiten-Entnahme beeinflusst haben.

In der Prüfung von Hypothese B konnte die Wirkung von evaluativen Konditionierungseffekten auf beiläufig wahrgenommene Stimuli bestätigt werden. Nachdem Experimentalgruppe 2 die positiv bewerteten emotionalen Bilder gezeigt worden waren, entschieden sich diese Probanden signifikant häufiger für den Behälter, der mit dem zuvor dargebotenen Symbol versehen war. Als Folge der evaluativen Konditionierung ist davon auszugehen, dass die positiven Emotionen, ausgelöst durch die aufmerksamkeitsinduzierenden IAPS Bilder, auf das beiläufig wahrgenommene Symbol übertragen wurden, und somit dieses ehemals neutrale Symbol den Probanden nun positiver erschien. Aufgrund dessen bevorzugten Probanden die Süßigkeiten aus dem dazugehörigen Behälter. Es ist folglich anzunehmen, dass beiläufig wahrgenommene Reize anschließende Entscheidungsprozesse beeinflussen können, wie auch die Untersuchung von Shapiro et al. (1997) zeigte.

Ein Vergleich zwischen evaluativen Konditionierungseffekten und dem Mere-Exposure-Effekt in der Einflussnahme auf den Entscheidungsprozess bei beiläufiger Reizwahrnehmung konnte kein statisch signifikantes Ergebnis erbringen, woraufhin Hypothese C abgelehnt wurde. Das Verhältnis der Behälterwahl zwischen den beiden Versuchsbedingungen unterschied sich jedoch deskriptiv mit 53% in Experimentalgruppe 1 gegenüber 63% in Experimentalgruppe 2. Außerdem wurde Hypothese A mit einer Sicherheitswahrscheinlichkeit 65% abgelehnt, infolgedessen von keiner Beeinflussung in Bezug auf den Entscheidungsprozess in Experimentalgruppe 1 ausgegangen werden kann. Darüber hinaus war Hypothese B mit einer Sicherheitswahrscheinlichkeit von 98,2% anzunehmen. Aus diesen Gründen und der inhaltlichen Argumentation für die Herleitung der Hypothese C könnte davon ausgegangen werden, dass bei beiläufiger Reizwahrnehmung die Auswirkung der evaluativen Konditionierung auf die Einstellungskomponente und die daraus resultierende Entscheidung stärker ist als die Einflussnahme durch den Mere-Exposure-Effekt. Diese Schlussfolgerung würde auch mit den Erkenntnissen von Stuart et al. (1987) im Einklang stehen, in deren Untersuchung die Einstellung durch überschwellige Reizdarbietungen mittels evaluativer Konditionierungseffekte stärker verändert werden konnte als durch die bloße wiederholte Darbietung gemäß des Mere-Exposure-Effekts.

13 Kritische Würdigung und Ausblick

In der vorliegenden Studie wurde zwar die Entscheidung sowohl zeitlich als auch räumlich eindeutig von der vermeintlichen Untersuchung entkoppelt und die Probanden konnten sich ohne Aufforderung des Versuchsleiters für ein Produkt entscheiden, jedoch kommt diese Situation einer Kaufentscheidung lediglich nahe, da für das Produkt keinerlei entgeltliche Aufwendung getätigt werden musste. Aus diesem Grund sollte für nachfolgende Studien anstelle der bloßen Mitnahme eines Produkts eine reale Kaufsituation als Operationalisierung der Beeinflussung verwendet werden. Auch ist für weiterführende Feldexperimente die Verwendung von tatsächlichen Markenlogos als zu konditionierende Stimuli empfehlenswert.

Da für die inferenzstatistischen Berechnungen lediglich die Anzahl der Probanden verwendet werden konnte, die sich für eine Süßigkeit aus den Behältern entschied, sollte, um die Ausschöpfungsquote zu erhöhen, ein Produkt in den Behältern angeboten werden, das zum Erhebungszeitpunkt den Probanden attraktiver erscheint. In der vorliegenden Studie war die Ausschöpfungsquote aufgrund der Verwendung von inadäquaten Produkten hinsichtlich des Erhebungszeitpunktes nicht optimal. Dass nicht alle Probanden eine Süßigkeit mitnahmen, kann auch durch die in der Literatur herrschende Meinung, unterbewusste Beeinflussungstechniken können keine Bedürfnisse erschaffen, sondern lediglich bestehende Bedürfnisse ansprechen, erklärt werden (Aronson et al., 2008; Florack & Ineichen, 2008). So ist anzunehmen, dass es nicht möglich war, jene Probanden, die kein Bedürfnis für das angebotene Produkt hegten, durch die unterbewusste Beeinflussung gegen ihren Willen zur Mitnahme des Produkts zu bewegen.

Weiterhin erfolgte die Operationalisierung der Beeinflussung in der vorliegenden, wie auch in zahlreichen anderen Studien, anhand der Befriedigung von Grundbedürfnissen (Kroeber-Riel et al., 2009). Für nachfolgende Untersuchungen sollten daher, um innovative Ergebnisse für den Forschungsstand zu erarbeiten und Erkenntnisse für Produktkategorien übergeordneter Bedürfnisse zu erlangen, jene Produkte verwendet werden, die höherrangige, nicht physiologische Bedürfnisse befriedigen. Auch sollte in Replikationen der vorliegenden Studie die Beständigkeit der beiden untersuchten Effekte bestimmt werden, indem die Zeit zwischen der Darbietung der Beeinflussungsgrundlage und der Kaufentscheidung in der Erhebung variiert respektive inkludiert wird.

In einer Replikation der Studie könnte außerdem in einer zusätzlichen Untersuchungsbedingung der beiläufig dargebotene Reiz so gestaltet und positioniert werden, dass dieser den Probanden bei der Präsentation des Zusammenschnitts bewusst auffällt. Dies würde die Möglichkeit bieten, einen Vergleich zwischen der Auswirkung von beiläufig sowie bewusst wahrgenommenen Reizen zu ziehen.

14 Anwendung

Das Konzept der vorliegenden Studie, bei der ein neutraler Stimulus unterbewusst emotionalisiert werden konnte, eignet sich zur Beeinflussung von Kaufentscheidungen, die schnell und ohne bewusste Steuerung ablaufen. So lassen sich diese impulsiven Entscheidungsprozesse (Hofbauer & Sangl, 2011), die 70 bis 80 Prozent der Käufe in gesättigten Märkten darstellen (Häusel, 2005), besonders durch emotionale (Hofbauer, Körner, Nikolaus, & Poost, 2009) und unterbewusste Werbebotschaften beeinflussen (Ferraro et al., 2009; Karremanns et al., 2006). Durch die Emotionalisierung kann vornehmlich in der Warengruppe der Fast Moving Consumer Goods (FMCGs), die am häufigsten durch impulsive Kaufentscheidungen erworbenen wird (Keuper & Hannemann, 2009), das Problem der Produktdifferenzierung in ausgeprägten Sortimenten (Kaiser, 2007) gelöst werden. Folglich können die Erkenntnisse der vorliegenden Studie bei der Gestaltung von Werbebotschaften in diesem Bereich Anwendung finden.
Die einflussnehmenden Markenstimuli in den Werbebotschaften sollten so konstruiert und positioniert sein, dass sie oberhalb der absoluten Schwelle liegen, um vom Rezipienten jederzeit aktiv wahrgenommen werden zu können, allerdings nicht im Fokus seiner Aufmerksamkeit stehen. Infolgedessen werden keine Techniken der unterschwelligen Beeinflussung eingesetzt und es wird nicht gegen gesetzliche Regulierungen verstoßen.

Durch stark emotionale Inhalte, die die Aufmerksamkeit des Konsumenten induzieren, wird von einem am Rande positionierten Markenstimulus abgelenkt. Die nicht fokussiert betrachteten und daher beiläufig wahrgenommenen Reize können den Ergebnissen der Studie zu Folge aufgrund der evaluativen Konditionierung die affektive Einstellungskomponente hinsichtlich der Marke beeinflussen. Dabei findet eine affektive Färbung durch die emotionalen Inhalte der Werbebotschaft statt, da die ausgelösten Emotionen auf die Marke transferiert respektive konditioniert werden. Die daraus resultierende Präferenzentwicklung wird vom Konsumenten nicht aktiv wahrgenommen und kann daher nachfolgende Kaufentscheidungen unterbewusst beeinflussen. Die emotionale Färbung der Marke fördert weiterhin die Differenzierung im gesättigten Warenregal, indem diese gegenüber anderen Marken positiver erscheint und darüber hinaus emotionalere Assoziationen hervorruft. Im Vergleich zu herkömmlichen Werbebotschaften wird nun bei unveränderter Präsenz des Werbenden die subjektiv wahrgenommene und zu Reaktanzverhalten führende Werbeflut verringert. Eine Möglichkeit der praktischen Umsetzung könnten stark positive emotionale Plakate sein, die die werbende Marke lediglich versteckt abbilden, um so die Kaufwahrscheinlichkeit eines FMCGs zu erhöhen, das sich innerhalb mehrerer Marken durch seine vorherrschenden Produkteigenschaften besonders wenig differenziert, wie beispielsweise Mineralwasser. Diese Plakate sollten in unmittelbarer Nähe zu den Verkaufsflächen installiert werden, sodass der Konsument diese mindestens einmal kurz vor seiner Kaufentscheidung wahrnimmt. Hierdurch könnte ein Produkt stark emotional während des Einkaufens beworben werden ohne mögliche abwehrende Reaktionen des Konsumenten wie Reaktanz auszulösen. Die Studie stellt somit ein Konzept dar, wie die affektive Einstellungskomponente auf legale Weise unterbewusst durch beiläufige Stimuli zu beeinflussen ist, um in gesättigten Märkten eine strategische Differenzierung zu erreichen und so die Kaufwahrscheinlichkeit eines beworbenen Produkts zu erhöhen.

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Gestresst im Studium? Ein empirischer Vergleich Studierender verschiedener Hochschultypen und eine explorative Analyse potentieller Stressoren

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1 Einleitung

„Wer studiert, wird therapiert“ (Trenkamp, 2012). Was zunächst als ein belustigender Reim erscheint, ist bei näherer Betrachtung ein ernstzunehmendes und aktuelles Thema. Das wird durch eine repräsentative Forsa-Studie im Auftrag der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2012 bestätigt. So geben 40 % der befragten Studierenden an, sich häufig gestresst zu fühlen (Techniker Krankenkasse, 2012). Laut Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse (Grobe & Dörning, 2011) werden an knapp fünf Prozent der Studierenden zwischen 20 und 34 Jahren sogar Psychopharmaka verordnet. Gleichaltrige Erwerbspersonen hingegen verzeichnen lediglich einen Wert von knapp vier Prozent (Grobe & Dörning, 2011). In Anbetracht dieser Daten wird deutlich, dass gerade Studierende eine gesellschaftliche Gruppe darstellen, bei der ein hohes Risiko besteht, psychische Beeinträchtigungen zu erfahren. Dies zeigte sich auch in der Sonderauswertung zur 15. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks von Hahne (1999). Zum Zeitpunkt der Erhebung litten insgesamt 18,9 % der Studierenden an einer depressiven Verstimmung (Hahne, 1999). Verglichen mit der 12-Monats-Prävalenz depressiver Störungen in der erwachsenen Bevölkerung aus dem Jahr 1998, fällt dieser Wert relativ hoch aus (Wittchen, Jacobi, Klose & Ryl, 2010). Psychische Störungen (z.B. Depression) und Beeinträchtigungen des Wohlbefindens stellen typische Folgen von langfristigem Stress dar (Nerdinger, Blickle & Schaper, 2011). Es wird ersichtlich, dass besonders Studierende einem überdurchschnittlichen Maß an Stress ausgesetzt sind. Doch welche Aspekte im Leben von Studierenden erweisen sich als hauptursächlich für den erlebten Stress? Heutige Studierende sind an verschiedenen Hochschuleinrichtungen inskribiert, die sich hinsichtlich einiger Aspekte voneinander unterscheiden. Lassen sich signifikante Unterschiede im Stresserleben und den stressrelevanten Faktoren zwischen Studierenden verschiedener Hochschultypen feststellen? Diese Fragestellungen wurden anhand der vorliegenden Studie empirisch untersucht.

Im Folgenden Abschnitt soll das Konstrukt „Stress“ inhaltlich spezifiziert werden, um eine theoretische Grundlage für die vorliegende Untersuchung zu bilden.

2 Theoretische Grundlagen

In diesem Kapitel sollen die theoretischen Grundlagen zum Thema Stress sowie relevante Forschungsergebnisse dargelegt werden. Dies bildet das Fundament für die empirische Untersuchung der Fragestellung.

2.1 Stress

Beim Studium der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur wird schnell ersichtlich, dass kein einheitliches Konzept von Stress existiert. Vielmehr lässt sich eine Vielfalt von Stresskonzepten finden, die verschiedensten Fachrichtungen entspringen, jeweils andere Aspekte von Stress erforschen und auch eine unterschiedliche Auffassung von Stress vertreten (vgl. Cox, 1980; Greif, Bamberg & Semmer, 1991; Lazarus & Folkman, 1984; Levi & Andersson, 1975; McEwen & Wingfield, 2003; McGrath, 1970; Selye, 1976). Betrachtet man Stress aus einer sehr allgemeinen Perspektive, lässt sich zumindest eine Übereinstimmung dieser Bandbreite von Stresskonzepten feststellen. So liegt allen Ansätzen zugrunde, dass Stress mit der Anpassung des Individuums an seine Umwelt in Verbindung gebracht wird. Die Stressforschung beschäftigt sich mit den Aspekten, die diese Person-Umwelt Beziehung problematisch werden lassen (Nitsch, 1981). Maßgeblich für die wissenschaftliche Erforschung von psychologischem Stress und somit Grundlage für die hier berichtete Untersuchung ist das transaktionale Stressmodell von Lazarus und Kollegen (Lazarus, 1966; Lazarus & Folkman, 1984). Dieses wird im folgenden Abschnitt dargestellt.

2.2 Das transaktionale Stressmodel von Lazarus

Die Autoren definieren Stress als „a particular relationship between the person and the environment that is appraised by the person as taxing or exceeding his or her resources and endangering his or her well-being“ (Lazarus & Folkman, 1984, S. 19). Diese Definition betrachtet Stress als eine Beziehung zwischen Individuum und seiner Umwelt, die unter Berücksichtigung der eigenen Ressourcen bewertet wird. Wird diese Beziehung als die eigenen Ressourcen übersteigend oder bedrohlich angesehen, entsteht Stress. Im Zentrum stehen dabei die kognitiven Bewertungsprozesse. Lazarus und Folkman (1984) unterscheiden zwischen der Einschätzung der Situation hinsichtlich der persönlichen Stressrelevanz (primary appraisals) und der Bewertung der verfügbaren Bewältigungsmöglichkeiten (secondary appraisals). Die beiden Prozesse können sowohl nacheinander als auch simultan ablaufen.

Für die vorliegende Fragestellung sind besonders diejenigen Situationen relevant, die von Seiten der Studierenden als stressrelevant beurteilt werden. Infolgedessen werden im folgenden Abschnitt ausschließlich die primären Bewertungen (primary appraisals) näher beleuchtet.

2.2.1 Primäre Bewertungen und stressrelevante Einschätzungen

In der Auseinandersetzung des Individuums mit der Umwelt wird eine Situation zunächst dahingehend bewertet, ob die situationsspezifischen Anforderungen subjektiv bedeutsam für das eigene Wohlbefinden sind (primary appraisals). Dabei kann die Situation als irrelevant, angenehm-positiv oder als stressrelevant bewertet werden (Jerusalem, 1990). Die Fragestellung der berichteten Studie konzentriert sich auf stressrelevante Einschätzungen. Eine Situation bzw. eine Person-Umwelt Beziehung wird dann als stressrelevant eingestuft, wenn diese subjektiv bedeutsam für die Person ist und ihre Anforderungen als die eigenen Handlungsressourcen übersteigend wahrgenommen werden (Jerusalem, 1990).

Innerhalb stressrelevanter Einschätzungen kann zwischen einer Schädigung bzw. einem Verlust, einer Bedrohung und einer Herausforderung differenziert werden. Deren Schnittmenge ist eine negative Bewertung des eigenen gegenwärtigen bzw. künftigen Wohlbefindens, wobei eine Herausforderung auch eine positive emotionale Komponente beinhaltet (Jerusalem, 1990). Schädigung/Verlust impliziert, dass die Beeinträchtigung des Wohlbefindens bereits eingetreten und damit nicht mehr vermeidbar ist.

Als Konsequenz können Empfindungen von Trauer, Schmerz, Resignation oder Ärger auftreten. Aus der Perspektive eines Studierenden wäre der Verlust einer wichtigen Bezugsperson (Partner, bester Freund) aufgrund eines Studienortwechsels oder ein demütigendes Erlebnis bei einem Vortrag vor einer Gruppe von Zuhörern eine derartige Schädigung (Jerusalem, 1990). Ist diese noch nicht eingetreten, wird sie aber künftig erwartet, spricht man von einer Bedrohung. Dabei erwartet eine Person, dass die eigenen Handlungskompetenzen nicht ausreichen, um die subjektiv hohen Anforderungen einer Situation zu bewältigen. Wie auch bei einer Schädigung ist entscheidend, dass die Person die Situation als subjektiv bedeutsam ansieht. Im Kontrast zu einer bereits eingetretenen Schädigung ist hierbei ein Bewältigungshandeln im Vorhinein möglich. Angesichts der erlebten Schwierigkeit der Situation schätzt der Betroffene die Chancen einer erfolgreichen Bewältigung allerdings sehr niedrig ein. Eine derartige Bedrohung wird von Gefühlen wie Furcht oder Besorgnis begleitet. Übertragen auf die Studierenden, könnten eine anstehende Leistungskontrolle oder schlechte Berufsaussichten Beispiele für eine Bedrohung darstellen (Jerusalem, 1990).

Ebenso wie die Bedrohung ist auch die Herausforderung zukunftsbezogen. Allerdings erweist sich das erlebte Kräfteverhältnis zwischen eigenen Fähigkeiten und den situativen Anforderungen als ausgeglichen bzw. nur in geringem Maße überfordernd. Während bei einer Bedrohung ein Scheitern antizipiert wird, wird bei einer Herausforderung ein Erfolg bzw. ein persönlicher Zugewinn für möglich gehalten. Aufgrund dessen treten Empfindungen wie Zuversicht, Neugier oder Hoffnung bei der betroffenen Person auf. Die verschiedenen Bewertungskognitionen sind unabhängig voneinander und können sich vermischen. Folglich stellt sich nicht die Frage, welche Kategorie der Bewertung gerade vorliegt, sondern vielmehr welche im Vordergrund steht (Jerusalem, 1990).

Im Anschluss werden die formalen Eigenschaften von Situationen dargestellt, die dazu veranlassen, dass eine Situation als bedrohlich oder schadend bewertet wird. Dies soll Aufschluss über Art und Beschaffenheit potentieller Stressoren geben.

2.2.2 Die Bedeutung der Situation

Zum einen ist es die Neuigkeit, die dazu führen kann, dass eine Situation als stressrelevant eingestuft wird. Da die Person bisher nicht mit einer derartigen Problemstruktur konfrontiert wurde, herrscht Unsicherheit darüber, wie sie diese erfolgreich bewältigen kann. Darüber hinaus erweist sich die Ereignisunsicherheit als relevanter Faktor bei der Einschätzung von Situationen. Unterschieden wird zwischen subjektiver und objektiver Eintrittswahrscheinlichkeit, wobei erstere entscheidend für das Erleben von Stress ist. Je größer die Unsicherheit, desto stärker ist die Stressbelastung, da präventives Handeln nicht möglich ist (Jerusalem, 1990).

Zeitliche Faktoren stellen einen der wichtigsten Parameter von wahrgenommener Stressrelevanz dar (Lazarus & Folkman, 1984). Dazu zählen die Dauer bis zum Eintritt des Ereignisses, die Dauer des Stressereignisses selbst und die zeitliche Unsicherheit. Steht ein Ereignis unmittelbar bevor, ist die damit verbundene erlebte Belastung intensiver, als würde dieses noch in ferner Zukunft stehen. Eine intensitätssteigernde Wirkung wird erwartet, wenn das Ereignis sehr plötzlich und unerwartet eintritt, da keine präventiven Maßnahmen getroffen werden können. Auch die Tatsache, dass die erwartete Belastungssituation noch zeitlich in der Ferne liegt, kann als belastend wahrgenommen werden, da über die gesamte Wartezeit stressbezogene Kognitionen auftreten können. Ist das Stressereignis von langer Dauer und mit intensiver Belastung verbunden, kann dies zu Erschöpfung oder Resignation beim Betroffenen führen (Jerusalem, 1990).

Um eine Situation hinsichtlich ihrer Stressrelevanz einschätzen zu können, werden möglichst genaue Informationen über diese benötigt. Sind diese nur unzureichend verfügbar, kann die Situation nicht eindeutig beurteilt werden. Diese Ambiguität der Situation erschwert auch die weitere Einschätzung und erhöht somit das Stresserleben. Je weniger eindeutig eine Situation ist, desto größer ist die Rolle von persönlichen Faktoren bei der Stresswahrnehmung. So kann beispielsweise ein starkes Selbstkonzept zu positiven Einschätzungen führen, während bei einer allgemeinen Unsicherheit eher negative Bewertungen zu erwarten sind (Jerusalem, 1990).

Einen weiteren Faktor bei der Stresswahrnehmung stellt die Angemessenheit des Zeitpunktes dar. Menschen haben i.d.R. eine bestimmte Vorstellung von einem normalen Lebensablauf. Sie erwarten, dass bestimmte Ereignisse zu einem bestimmten Zeitpunkt im Leben eintreten. Tritt ein Ereignis entgegen diesen Erwartungen ein, besitzt es Krisencharakter und ist besonders stressrelevant (Lazarus & Folkman, 1984).

Im folgenden Kapitel soll die Lebenslage von Studierenden näher untersucht werden. Dies soll erste Erkenntnisse darüber liefern, welche Aspekte im Leben Studierender Stresspotential besitzen.

2.3 Die Lebenslage von Studierenden

Eine Betrachtung der speziellen Lebenssituation von Studierenden ist für das Verständnis der damit verbundenen Risiken und des daraus resultierenden Stressempfindens von essenzieller Bedeutung (Graf & Krischke, 2004). Mit dem Beginn eines Hochschulstudiums tritt ein junger Erwachsener in eine neue Lebensphase über. Derartige Übergangsphasen besitzen Krisenpotential, da sie eine Anpassung an neue Gegebenheiten und Situationen verlangen. Findet keine erfolgreiche Anpassung statt, können sowohl psychische als auch körperliche Beschwerden die Folge sein (Bachmann, Berta, Eggli & Hornung, 1999). Die neue Lebensphase der Studierenden wird begleitet von zahlreichen Herausforderungen, mit denen die Betroffenen bislang nicht konfrontiert wurden (Bachmann et al., 1999; Isserstedt, Middendorff, Kandulla, Borchert & Leszczensky, 2010). Die meisten verlassen das Elternhaus und ziehen womöglich in eine andere Stadt für ihr angestrebtes Studium. Dies ist verbunden mit dem Übergang zu einer eigenständigen Lebensform, die ein bislang ungewohntes Maß an Selbstmanagement erfordert. Die 19. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks hat ergeben, dass mehr als 75 Prozent der Studierenden nicht mehr bei ihren Eltern leben (Isserstedt et al., 2010). Hinzu kommt die finanzielle Belastung durch die Studiengebühren, die laut Angaben von 54 Prozent der Studierenden mitgetragen wird (Isserstedt et al., 2010). Dafür müssen die Studierenden eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, die wiederum eine zeitliche und organisatorische Anforderung darstellt. Die zeitliche Gesamtbelastung der Studierenden während der Vorlesungszeit beträgt im Durchschnitt 44 Stunden pro Woche. Davon werden 36 Stunden in das Studium investiert werden (Isserstedt et al., 2010). Diese zeitliche Belastung empfinden fast zwei Drittel der Bachelor-Studierenden als hoch bzw. zu hoch (Isserstedt et al., 2010). Eine weitere Herausforderung, die mit dem Studienbeginn einhergeht, ist die Anpassung an das sich ändernde soziale Bezugssystem. Studierende, die in einer fremden Stadt das Studium beginnen, müssen eventuell mit einem Verlust von Freundschaften bzw. Partnerschaften oder zumindest vermindertem Kontakt zu den bisher gewohnten Bezugspersonen rechnen (Bachmann et al., 1999). Dies kann eine Belastung sein. So ging aus einer Studie von Welle und Graf (2011) hervor, dass sich die Beendigung von Freundschaften bzw. Partnerschaften und auch die verminderte Anzahl an Familientreffen unter den bedeutendsten Stressoren von Studienanfängern wiederfinden. Neben der emotionalen Bewältigung des Kontaktverlustes zu Bezugspersonen spielt die Gewöhnung an das neue soziale Umfeld eine wichtige Rolle (Zeidner & Schwarzer, 1996). Ebenso ist eine Gewöhnung an das Hochschulsystem nötig. Die Institutionen Hochschule und Schule unterscheiden sich maßgeblich bezüglich ihrer spezifischen Anforderungen und Erwartungen. Studierende müssen sich mit den neuen Gegebenheiten an den Hochschulen erst vertraut machen, um die hohen Anforderungen bewältigen zu können (Bachmann et. al., 1999). Eine weitere Herausforderung stellen die weitreichenden Entscheidungen dar, die mit dem Studium einhergehen. Im Laufe des Studiums sehen sich die Studierenden mit Entscheidungen konfrontiert, die ihre Zukunft existenziell beeinflussen. Dazu zählen beispielweise die fachliche Ausrichtung innerhalb des Studiums, ein eventueller Studienfach-/ bzw. Ortswechsel oder die Art des Studienabschlusses (Graf & Krischke, 2004). Zusätzlich zu den genannten Herausforderungen und Hindernissen finden sich Studierende in einer widersprüchlichen Rolle wieder, die unweigerlich eine psychische Belastung darstellt. Auf der einen Seite gelten sie aufgrund ihrer Volljährigkeit rechtlich als mündige Bürgerinnen und Bürger. Gleichzeitig stehen sie meist noch in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Eltern, insbesondere finanzieller Natur (Hornung & Fabian, 2001).

Im Folgenden werden einige Forschungsergebnisse zum Stresserleben Studierender berichtet.

2.4 Studien zu potentiellen Stressfaktoren im Leben eines/einer Studierenden

Aus der Studie von Bachmann et al. (1999) zum Wohlbefinden und der psychophysischen Gesundheit von Studierenden in der risikobehafteten Transitionsphase Studienbeginn geht hervor, dass Studierende zu Beginn des Studiums den Selektionsdruck, die hohen Studienanforderungen und den persönlichen Arbeitsstil als die größte Belastung empfinden. Darüber hinaus werden unklare Studienbedingungen, hohe zeitliche Belastung, fehlende Liebesbeziehung und private Lebensumstände (mangelnde Freizeit, finanzielle Probleme oder ungünstige Wohnsituation) als belastend angegeben. Bei steigender Semesteranzahl verschieben sich die wahrgenommenen Belastungen nur geringfügig.

Eine Studie von Haland-Wirth, Krüger, Polkowski, Steinmann und Stetefeld (1986) zu studentischen Belastungen und Problemen zeigte, dass sich Studierende besonders durch den Leistungsdruck, die Unangemessenheit der Lehrinhalte und die Unübersichtlichkeit des Studiums überfordert fühlen. Ebenfalls erweisen sich Prüfungsangst sowie Kontakt- und Beziehungsprobleme als belastende Faktoren. Darüber hinaus werden Arbeitsschwierigkeiten, Depressionen, Selbstwertprobleme, die Angst vor eigener Arbeitslosigkeit und finanzieller Not als Belastung empfunden.

Der Studie von Zeidner und Schwarzer (1996) zum Stresserleben deutscher und israelischer Studenten zufolge stellen die Studienanforderungen die größte Stressquelle für Studierende dar. Besonders gestresst fühlen sich Studierende durch Leistungserhebungen, mangelhafte akademische Lehre und große Stoffmengen. Die nächst größeren Stressquellen stellen finanzielle Sorgen, das soziale Milieu und persönliche Probleme dar. Zuletzt genannte umfassen beispielsweise gesundheitliche Beeinträchtigungen oder familiäre Konflikte (Zeidner & Schwarzer, 1996). Bei der Betrachtung der bisher berichteten Ergebnisse sollte berücksichtigt werden, dass der Erhebungszeitpunkt relativ weit in der Vergangenheit liegt und sich die Struktur und Art der Belastungen womöglich verschoben haben könnte. Ungeachtet dessen geben die Ergebnisse der aufgeführten Studien Hinweise auf aktuelle potentielle Stressoren und können daher als Grundlage für die vorliegende Studie dienen.

Eine aktuellere Untersuchung zum Stresserleben von Studierenden stellt die Forsa- Umfrage dar, die im Auftrag der Techniker Krankenkasse (2012) durchgeführt wurde. Die Ergebnisse zeigen, dass Prüfungsangst und Zeitdruck/Hektik als hauptverantwortliche Ursachen für Stress genannt werden. Darüber hinaus werden finanzielle Sorgen, Zukunftsängste, Überforderung und Konkurrenzdruck als Stressursachen angegeben (Techniker Krankenkasse,2012). Im Rahmen einer umfassenden Untersuchung des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) (Bülow-Schramm, Merkt & Rebenstorf, 2009) wurden Studierende im ersten Semester zu den Themen Stress, Angst und Unsicherheit interviewt. Dabei wurden sie unter anderem dazu aufgefordert, diejenigen Bedingungen zu nennen, die aus ihrer Sicht den Studienerfolg erschweren. Aus der Analyse der Daten ergaben sich die drei übergeordneten Kategorien „prekäre Rahmenbedingungen“, „Zukunftsängste“ und „nicht beherrschbare Studienbedingungen“. Zu den erstgenannten zählen beispielsweise „unklare Finanzierung“, „Zeitnot durch lange Anfahrtszeiten“, „schwierige Wohnungssuche am Studienort“ oder „belastende Wohnverhältnisse“ sowie „schwierige Vereinbarkeit von Studium mit Familie und/oder Erwerbstätigkeit“. Die Kategorie „Zukunftsängste“ beinhaltete „Angst vor dem Scheitern im Studium aufgrund von Scheiternserfahrungen im bisherigen Bildungsweg“, „Angst davor, den Übergang in das Masterstudium nicht zu schaffen“ und „Unklarheit über die Arbeitsmarkt- und Verdienstchancen mit dem Bachelorabschluss“. Die dritte Kategorie formulierte „Anwesenheitspflicht, insbesondere in Verbindung mit benoteten Leistungskontrollen“, „Angst vor Prüfungen, deren Anforderungen und Bewertungskriterien unklar sind und die hohe Durchfallquoten haben“ und „Leistungsdruck, der von Professoren geschürt wird mit Verweis auf hohe Durchfallquoten“ (Bülow-Schramm et al., 2009). Im Rahmen einer HISBUS-Befragung zum Thema „Schwierigkeiten und Problemlagen von Studierenden“ untersuchte Ortenburger (2013) unter anderem welche Begriffe Studierende mit ihrem Stresserlebeben assoziieren. Die mit Abstand meisten Nennungen erhielten die Begriffe „Zeitnot“ und „Leistungsdruck“, gefolgt von „Zukunftsangst“, „Überforderung“, „Unsicherheit“, „Orientierungslosigkeit“ und weiteren (Ortenburger, 2013).

2.5 Studien zu Unterschieden im Stresserleben Studierender verschiedener Hochschultypen

Aus einer Studie der Universität Osnabrück zu psychischen Problemen Studierender geht hervor, dass Studierende einer Universität signifikant mehr Studienprobleme aufweisen als Studierende einer Fachhochschule (Zumvenne, Schöttke & Wiedl, 1987). Da derartige Probleme potentielle Auslöser von Stress darstellen, liegt die Vermutung nahe, dass Studierende einer Universität mehr Stress erleben als die einer Fachhochschule. Wie bereits in Kapitel 2.2 erläutert, ist Stress allerdings als transaktionales Phänomen zu verstehen, das nicht nur die situativen Gegebenheiten (z.B. Probleme), sondern auch die persönliche Ressourcen bei der Erklärung von Stress berücksichtigt.

Aus dem Sonderbericht „Studierende im Bachelor-Studium 2009“ der 19. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks geht hervor, dass Studierende an Universitäten eine doppelt so hohe Belastung über das Semester hindurch verspüren wie Studierende an einer Fachhochschule (Isserstedt, Middendorf & Kandulla, 2011). Darüber hinaus ergibt sich aus den Angaben der Studierenden, dass die zeitliche Belastung durch das Studium an Universitäten höher ist als an Fachhochschulen (Isserstedt et al., 2011). In einigen in Kapitel 2.4 berichteten Studien (Bachmann et al., 1999; Ortenburger, 2013; Techniker Krankenkasse, 2012) konnte bereits festgestellt werden, dass die zeitliche Belastung einen der Hauptstressoren von Studierenden darstellt. Das legt die Vermutung nahe, dass die höhere zeitliche Belastung durch das Universitätsstudium im Vergleich zu einem Fachhochschulstudium zu einem höheren Stresserleben führt.

Von den berichteten Studien abweichende Ergebnisse ergab die in Kapitel 2.4 aufgeführte HISBUS-Befragung von Ortenburger (2013). Dabei unterschied sich die berichtete Stresswahrnehmung von Studierenden einer Universität und Studierenden einer Fachhochschule nur unwesentlich (Ortenburger, 2013).

3 Untersuchte Fragestellung und Hypothesen

In Anknüpfung an die Forschungsergebnisse von Bachmann et al. (1999), Bülow-Schramm et al. (2009), Ortenburger (2013), Haland-Wirth et al. (1986), Zeidner & Schwarzer (1996) und Techniker Krankenkasse (2012) ergibt sich folgende Fragestellung:

F1: Durch welche Situationen fühlen sich Studierende belastet?

Angelehnt an die berichteten Studien zu Unterschieden im Stresserleben zwischen Universitätsstudierenden und Fachhochschulstudierenden (Zumvenne et al., 1987; Isserstedt et al., 2011) leitet sich folgende Hypothese ab:

H1: Studierende einer staatlichen Präsenzuniversität erleben einen höheren Grad an Stress als Studierende einer staatlichen Präsenzfachhochschule.

Da keine Forschungsergebnisse zu Unterschieden im Stresserleben zwischen Studierenden einer Fernuniversität und einer Präsenzuniversität vorliegen, die beiden Hochschultypen sich beträchtlich voneinander unterscheiden und für beide Seiten Argumente gefunden werden können ergibt sich folgende Hypothese:

H2: Studierende eine staatlichen Fernuniversität und Studierende einer staatlichen Präsenzuniversität unterscheiden sich hinsichtlich ihres Grades an Stresserleben.

Auch beim Vergleich zwischen Studierenden einer staatlichen und einer privaten Präsenzfachhochschule liegen keine Studien vor und sind verschiedene Ergebnisse denkbar. Aus diesem Grund wird folgende Hypothese aufgestellt:

H3: Studierende eine staatlichen Präsenzfachhochschule und Studierende einer privaten Präsenzfachhochschule unterscheiden sich hinsichtlich ihres Grades an Stresserleben.

4 Methoden

In diesem Kapitel werden sowohl die verwendeten Messinstrumente als auch die Stichprobenkonstruktion und die Untersuchungsdurchführung beschrieben.

4.1 Messinstrumente

Zur Erfassung des Stresserlebens der Befragten wurde die Screening Skala des „Trierer Inventars zum chronischen Stress“ (TICS) von Schulz, Schlotz und Becker (2003) verwendet. Diese stellt ein adäquates Instrument zur globalen und unspezifischen Messung von Stress dar. Zur Erforschung derjenigen Situationen, die von Studierenden als belastend erlebt werden, wurde eine eigens entwickelte Skala verwendet. Diese Skala lehnt sich an die „Belastungsskala polizeilicher Tätigkeiten“ von Klemisch (2006) an. Dabei wurden den Teilnehmern 25 Gegebenheiten/Situationen vorgegeben, die eine potentielle Stressrelevanz für Studierende aufweisen. Als Grundlage für die Erstellung der Liste dienten Ergebnisse aus Forschungsarbeiten (siehe Kapitel 2.4), theoretische Konzepte (siehe Kapitel 2.2, 2.3) und eigene Überlegungen. Erfasst wurden hochschulbezogene Aspekte (z.B. hohe Stoffmenge, mangelhafte Lehre), soziale Aspekte (z.B. fehlende Liebesbeziehung, örtliche Distanz zu Bezugspersonen), persönliche Aspekte (z.B. Zukunftsängste, Selbstwertprobleme) und andere Aspekte (z.B. schwierige Wohnsituation, finanzielle Sorgen). Zu Beginn des Fragebogens wurden Alter, Geschlecht, Hochschultyp, akademischer Abschluss und Semesteranzahl erhoben.

4.2 Stichprobengewinnung und Untersuchungsdurchführung

Zur Erstellung des Fragebogens wurde die Software EFS Survey, die Nutzern unter unipark.de zur Verfügung steht, verwendet. Der Fragebogen wurde für den Zeitraum von zwölf Tagen online bereitgestellt. Die URL des Online-Fragebogens wurde über verschiedene Kommunikationskanäle verbreitet. Zunächst wurden private Kontakte, die zum gegebenen Zeitpunkt an einer der genannten Hochschultypen eingeschrieben waren, über die Internet-Plattform „facebook“ angeschrieben. Überdies wurde der Online-Fragebogen in facebook/Xing-Gruppen sämtlicher Fachschaften der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Technischen Universität München, der Fernuniversität in Hagen, der Hochschule München, der Hochschule Fresenius und weiterer deutscher Hochschulen bereitgestellt. Des Weiteren erfolgte eine Versendung des Online-Fragebogens über die Hochschule Fresenius München an alle Studierenden der Studiengänge Wirtschaftspsychologie (Bachelor und Master) und der Angewandten Psychologie (Bachelor). Ferner wurde der Fragebogen über einen Kontakt an sämtliche Studierende der Informatik an der Hochschule München versandt.

5 Ergebnisse

In diesem Kapitel werden zunächst die Stichprobe und anschließend die zentralen Ergebnisse der empirischen Untersuchung berichtet.

5.1 Stichprobe

Der Fragebogen wurde von insgesamt N = 675 Probanden vollständig bearbeitet. An der Untersuchung nahmen n = 471 weibliche und n = 204 männliche Probanden teil. Das Alter der Befragten lag zwischen 14 und 66 Jahren (M = 24.2, SD = 5.664). Die staatliche Fachhochschule wurde durch n = 102 Studierende vertreten. Von einer privaten Fachhochschule nahmen n = 122 Studierende an der Befragung teil. Über 50 Prozent der Probanden waren an einer staatlichen Präsenzuniversität immatrikuliert (n = 345), während n = 100 Teilnehmer eine staatliche Fernuniversität besuchten. Lediglich n = 6 Personen gaben an, einen anderen Hochschultyp zu besuchen. Diese blieben bei der Auswertung unberücksichtigt. Knapp 74 % der Studierenden strebten einen Bachelor-Abschluss an, wobei ca. 44 % einen „Bachelor of Arts“ und 30 % einen „Bachelor of Science“ absolvierten. Etwa 11 % der Befragten waren zum Befragungszeitpunkt in einem Master-Programm eingeschrieben, deren Großteil (ca. 70 %) einen „Master of Science“ absolvierte. Die übrigen 15 % gaben an, einen anderen Abschluss anzustreben. Neben dem Staatsexamen, das beinahe drei Viertel der Befragten (71 %) angaben, wurden andere Bachelor bzw. Master- Abschlüsse (of Engineering, Commerce, Laws, Education) genannt. Die Angaben des derzeitigen Semesters variierten von 1 bis 21 (M = 4.15, SD = 2.53).

5.2 Ergebnisse zu der Fragestellung

Zur Überprüfung der Fragstellung F1 wurden den Befragten insgesamt 25 potentiell stressrelevante Situationen vorgelegt. Jede der Situationen sollte auf einer fünfstufigen Ratingskala (gar nicht bis sehr stark) danach beurteilt werden, wie groß die davon ausgehende Belastung in den letzten drei Monaten war. In der folgenden Tabelle 1 werden die Stressoren in Kategorien eingeordnet: hochschulbezogene, soziale, persönliche und andere Faktoren. Innerhalb jeder Kategorie wurde eine Rangfolge gebildet, wobei der Stressor mit dem höchsten Mittelwert an erster Stelle steht. Der Mittelwert beschreibt die durchschnittliche Belastung der Studierenden durch den jeweiligen Stressor (auf einer Skala von 1-5). Abschließend wird für jede Kategorie ein Gesamtmittelwert gebildet. Darüber hinaus wird der Median angegeben.

Die größte Belastung geht demnach aus persönlichen Faktoren hervor (M = 2.51). Innerhalb dieser Kategorie fühlen sich die Testpersonen am stärksten durch „Leistungsdruck“ (M = 3.01) belastet. Die nächst höheren Belastungen gehen von der „Angst zu versagen“ (M = 2.91) und „Zukunftsängsten“ (M = 2.89) aus. Darauf folgt der „persönliche Arbeitsstil“ (M = 2.75), durch den sich die Befragten ähnlich stark belastet fühlen. Die Mediane dieser vier Stressoren liegen bei Md = 3. Dies bedeutet, dass sich 50 % der Befragten mindestens „ziemlich“ durch diese Faktoren belastet fühlen. Den nächst höheren Stellenwert in Hinblick auf die Belastung nehmen hochschulbezogene Faktoren ein (M = 2.3). Als besonders bedeutend erweist sich dabei der Faktor „hohe Stoffmenge“ (M = 3.14, Md = 3). Dieser erzielt den höchsten Mittelwert unter allen aufgelisteten Stressoren und stellt damit den bedeutendsten Stressor für Studierende dar. Einen weiteren, nicht unbedeutenden Faktor stellt die als „mangelhaft empfundene Lehre“ dar (M = 2.4, Md = 2). In der Kategorie „andere“ (M = 2.23) sind es „mangelnde Freizeit“ (M = 2.63, Md = 2) und „Arbeitstätigkeit neben dem Studium“ (M = 2.37, Md = 2), die zur stärksten Belastung führen. Gesamtbetrachtet geht die geringste Belastung von persönlichen Faktoren aus (M = 1.9). Dabei erreichen lediglich die Faktoren „Konfliktsituationen“ (M = 2.41, Md = 2) und „Verantwortung für andere Personen“ (M = 2.09, Md = 2) einen Mittelwert über 2. Es folgt eine Gegenüberstellung der vier bedeutendsten und der vier unbedeutendsten Stressoren für die gesamte Stichprobe in einer Tabelle 2.

Vergleicht man die vier Hochschultypen hinsichtlich der bedeutendsten Stressoren, können nur geringe Unterschiede festgestellt werden. So fühlen sich sowohl Studierende der staatlichen und privaten Fachhochschule als auch Studierende einer Präsenzuniversität am stärksten durch die in Tab. 2 aufgelisteten Faktoren belastet. Lediglich in der Rangfolge dieser vier Stressoren können geringfügige Unterschiede festgestellt werden. Bei Studierenden einer Fernuniversität befindet sich der Faktor „Arbeitstätigkeit neben dem Studium“ anstelle des Faktors „Leistungsdruck“ unter den bedeutendsten vier Stressoren.

Tabelle 1: Intensität der Stressoren (N = 675)

Intensität der Stressoren (N = 675)

Betrachtet man die Rangfolge der Stressoren-Kategorien in Bezug auf die stärkste Belastung bei den verschiedenen Gruppen (Hochschultyp), sind keine Unterschiede festzustellen.

Tabelle 2: Bedeutendste vs. unbedeutendste Stressoren im Rahmen des Studiums

Bedeutendste vs. unbedeutendste Stressoren im Rahmen des Studiums

Tabelle 3: Inferenzstatistische Paarvergleiche zwischen verschiedenen Hochschultypen im Hinblick auf das Stresserleben der Studierenden

Inferenzstatistische Paarvergleiche zwischen verschiedenen Hochschultypen im Hinblick auf das Stresserleben der Studierenden

Tabelle 4: Deskriptivstatistische Vergleiche des Stresserlebens von Studierenden verschiedener Hochschultypen mit der Normstichprobe der Screening-Skala des TICS

Deskriptivstatistische Vergleiche des Stresserlebens von Studierenden verschiedener Hochschultypen mit der Normstichprobe der Screening-Skala des TICS

5.3 Ergebnisse zu den Hypothesen

In diesem Teil der Untersuchung wurden entsprechend der formulierten Hypothesen drei Paare von Studierenden verschiedener Hochschultypen hinsichtlich ihres Stresserlebens verglichen. Die folgende Tabelle 3 zeigt die Ergebnisse der Signifikanztests: Der Levene-Test der Varianzgleichheit war bei der Paarung staatliche Präsenzfachhochschule und staatliche Präsenzuniversität nicht signifikant (p > .05). Somit kann Varianzhomogenität angenommen werden. Der Mittelwert der Gruppe „staatliche Präsenzfachhochschule“ (M = 36.39, SD = 9.45) fällt nur geringfügig höher aus als der Wert der Vergleichsgruppe „staatliche Präsenzuniversität“ (M = 35.88, SD = 9.95). Dieses Ergebnis ist zudem nicht signifikant (t (445) = 0.46, p > .05). Die Hypothese H1 kann demnach nicht bestätigt werden. Hinsichtlich des Levene-Tests der Varianzgleicheit bei der Paarung staatliche Fernuniversität und staatliche Präsenzuniversität ergab sich eine Signifikanz von p < .05. Für diesen Fall gilt der Welch-Test als geeignetes Testverfahren. Dieser dient dem Vergleich der Mittelwerte zweier unabhängiger Stichproben, wenn Varianzhomogenität durch den Leven-Test abgelehnt wird (Clauß, Finze & Partzsch, 2004). Die Gruppe der Präsenzstudierenden weist einen höheren Mittelwert hinsichtlich des Stresserlebens auf (M = 35.88, SD = 9.95) als die Vergleichsgruppe bestehend aus Fernstudenten (M = 32.59, SD = 7.98). Der Welch-Test ergab einen Wert von t (196,64) = 3.42, p < .05, was einem signifikanten Mittelwertsunterschied entspricht. Die Hypothese H2 gilt folglich als bestätigt. Bei der Paarung staatliche und private Präsenzfachhochschule zeigte der Levene-Test, dass die Varianzen homogen sind (p > .05). Die Gruppe „staatliche Präsenzfachhochschule“ erzielte einen höheren Mittelwert (M = 36.39, SD = 9.45) hinsichtlich des Stresserlebens als die Gruppe „private Präsenzfachhochschule“ (M = 33.07, SD = 8.54). Der t-Test ergab, dass dieser Mittelwertsunterschied zudem signifikant ist (t (222) = 2.76, p < .05). Die Hypothese H3 kann somit ebenfalls bestätigt werden.

5.4 Beurteilung der Testwerte in der Screening-Skala

In nächsten Teil der Untersuchung wurden die Mittelwerte der vier Gruppen (Hochschultypen) in der Screening-Skala des TICS anhand einer altersspezifischen Normierungsstichprobe (16 bis 30 Jahre, n = 149), die von den Autoren des TICS untersucht wurde, beurteilt. Der folgenden Tabelle 4 sind die Mittelwerte der vier Hochschultypen und der Normstichprobe auf der Screening Skala und die dazugehörigen T-Wert Normen zu entnehmen: Aus der Tabelle wird ersichtlich, dass die T-Werte alle vier Gruppen deutlich über dem mittleren T-Wert der Normstichprobe liegen. Aus diesem Grund erübrigt sich eine statistische Überprüfung auf signifikante Mittelwertunterschiede (Schulz et al., 2003). Es wird deutlich, dass Studierende, unabhängig vom Hochschultyp, eine weit überdurchschnittliche Stressbelastung erfahren (gemessen an der altersspezifischen Normstichprobe).

5.5 Weitere Befunde

Abschließend wurden zwei Aspekte untersucht, die in keinem direkten Zusammenhang mit der Fragestellung der Untersuchung stehen, aber dennoch in den Kontext eingebettet sind.

Zum einen wurde überprüft, ob der Faktor „angestrebter Hochschulabschluss“ einen Einfluss auf das Stresserleben der Studierenden hat. Die einfaktorielle Varianzanalyse ergab einen Wert von F (4, 670) = 3.14, p < 0.5. Aus dem Post-Hoc-Test nach Bonferroni ging hervor, dass sich lediglich die Gruppen „Master of Science“ (M = 32.08, SD = 8.86) und „andere“ (M = 36.78, SD = 9.19) statistisch bedeutsam voneinander unterscheiden. Es sei an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass die Gruppe „andere“ zu 71 % durch Studierende, die ein Staatsexamen anstrebten (Mediziner, Juristen, Lehrer), vertreten war. Darüber hinaus wurde überprüft, ob sich weibliche und männliche Studierende hinsichtlich ihres Stresserlebens voneinander unterscheiden. Erwartungsgemäß in Hinblick auf bisherige Forschungsarbeiten (Zumvenne et al., 1987; Zeidner & Schwarzer, 1996) ergab der t-Test ein hoch signifikantes Ergebnis (t (673) = 4.86, p < 0.001). Studentinnen (M = 36.12, SD = 9.22) sind demnach bedeutend gestresster als Studenten (M = 32.32, SD = 9.47).

6 Diskussion und Ausblick

In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung zusammengefasst und diskutiert Das darauf folgende Kapitel beschreibt und reflektiert die Güte und Limitation der vorliegenden Arbeit. Abschließend wird erläutert, welche Implikationen die Ergebnisse der Studie für die Praxis und die weitere Forschung haben.

6.1 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

Ziel dieser empirischen Studie war es zum einen, zu überprüfen, ob sich Studierende verschiedener Hochschultypen hinsichtlich ihres Stresserlebens voneinander unterscheiden. Darüber hinaus galt es, diejenigen Situationen bzw. Stressoren zu identifizieren, die bei Studierenden Stress erzeugen. Ebenfalls von Interesse war, wie das Stresserleben der Studierenden im Hinblick auf die altersspezifische Normstichprobe zu beurteilen ist.

Hinsichtlich des Vergleichs verschiedener Hochschultypen zeigten sich vorwiegend signifikante Mittelwertunterschiede im Stresserleben. Der empirische Vergleich zwischen Studierenden einer staatlichen Präsenzuniversität und einer staatlichen Fernuniversität bestätigte ein signifikant höheres Stresserleben von Studierenden der staatlichen Präsenzuniversität. Zur Diskussion dieses Ergebnisses sollten die beiden Teilstichproben näher betrachtet werden. Die Studierenden einer Präsenzuniversität waren im Durchschnitt 23 Jahre alt. Dagegen wies die Gruppe der Fernstudenten ein um acht Jahre höheres Durchschnittsalter (31 Jahre) auf. Es ist denkbar, dass sich der Großteil der Fernstudenten bereits im Berufsleben befindet und das Studium berufsbegleitend absolviert. Im Gegensatz zum Großteil der Präsenzstudenten verfügen sie womöglich bereits über einen berufsqualifizierenden Abschluss und eine feste Arbeitsstelle. Dies könnte zu einer verringerten Besorgnis im Hinblick auf die Zukunft und in Folge zu einem niedrigeren Stresserleben führen. Dazu liefert die vorliegende Studie allerdings keine Belege. Ebenso bleibt auch offen, ob das signifikant niedrigere Stresserleben der Fernstudenten womöglich auf eine effektivere Stressbewältigung zurückzuführen ist. So wäre es denkbar, dass die im Durchschnitt älteren Fernstudenten über eine höhere Kompetenz im Umgang mit Stress verfügen und daher weniger gestresst sind. Darüber hinaus könnte von Bedeutung sein, dass die Fernstudenten bei einem Durchschnittsalter von 31 Jahren sehr wahrscheinlich die konfliktbeladene Übergangsphase in das Leben eines „jungen Erwachsenen“ (Hahne, 1999) bereits hinter sich gebracht haben, die u.a. mit dem Auszug aus dem Elternhaus und einem veränderten soziale Milieu verbunden ist und eine erhebliche psychische Belastung darstellen kann.

Da diesbezüglich keine Daten vorliegen bleibt auch diese These nur eine Vermutung.

Die Annahme eines Unterschiedes im Stresserleben zwischen Studierenden einer staatlichen und einer privaten Präsenzfachhochschule bestätigte sich ebenfalls. Demnach ergab die statistische Überprüfung einen signifikant höheren Mittelwert der Gruppe „staatliche Präsenzfachhochschule“ als deren Vergleichsgruppe. In Hinblick auf eine Interpretation dieses Ergebnisses könnten folgende Aspekte von Bedeutung sein: Studierende einer privaten Fachhochschule erhalten meist schon in frühen Semestern die Möglichkeit, Kontakte zu kooperierenden Unternehmen der Hochschule zu etablieren (Projektarbeiten, Career-Days etc.). Dies kann den Studierenden zu Praktika oder Werkstudententätigkeiten verhelfen, die den Einstieg in den Beruf erleichtern können. Es ist vorstellbar, dass die Studierenden infolgedessen weniger Angst hinsichtlich ihrer beruflichen Zukunft verspüren. Ein weiterer Aspekt, der möglicherweise in Zusammenhang mit dem niedrigeren Stresserleben der Privatstudenten steht, ist die intensive Betreuung der Privatstudierenden, die aufgrund kleiner Gruppengrößen ermöglicht werden kann. Dies könnte zu einem besseren Umgang der Privatstudenten mit Stressoren führen und Stressindikatoren wie Überforderung oder Überlastung entgegen wirken. Da die Stresskompetenz bzw. die verschiedenen Bewältigungsstrategien der Studierenden in der berichteten Untersuchung nicht erfasst wurden, bleibt deren Bedeutung für die ermittelten Unterschiede im Stresserleben unklar. Entgegen der Erwartung konnte die Hypothese, dass Studierende einer staatlichen Präsenzuniversität einen höheren Grad an Stress erleben als ihre Kollegen an der Fachhochschule, nicht bestätigt werden. Die Ergebnisse lassen sogar die gegenteilige Tendenz erkennen (MFh = 36.39 > MUni = 35.88). Dies könnte dadurch begründet werden, dass die Stichprobenumfänge nicht balanciert waren. So fiel die Teilstichprobe der Studierenden einer staatlichen Präsenzfachhochschule mit einer Stichprobengröße von n = 102 deutlich geringer aus als die der Universitätsstudierenden (n = 345). Andererseits ist es auch denkbar, dass die Screening-Skala des TICS einen potentiell bestehenden Unterschied im Stresserleben nicht erfassen kann, da diese lediglich eine globale und unspezifische Messung von Stress ermöglicht.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Unterschiede im Stresserleben zwischen Studierenden verschiedener Hochschultypen anzunehmen sind. In Bezug auf die Ursachen der ermittelten Unterschiede im Stresserleben können allerdings nur Vermutungen angestellt werden. In Hinblick auf die Entwicklung von Präventivmaßnahmen sollte in Erfahrung gebracht werden, ob die Unterschiede im Stresserleben auf die verschiedenen Institutionen, auf verschiedene Persönlichkeitstypen, auf unterschiedliches Leistungsvermögen oder eine Interaktion dieser Variablen zurückzuführen sind. So wäre es z.B. auch denkbar, dass bestimmte Persönlichkeitstypen geeigneter für einen bestimmten Hochschultyp sind als andere und eine falsche Passung zu erhöhtem Stresserleben führt.

Die Untersuchung der Fragestellung „Durch welche Situationen fühlen sich Studierende gestresst?“ verdeutlichte, dass die stärkste Belastung von persönlichen Faktoren ausgeht. Den größten Einfluss haben dabei Leistungsdruck, Versagensangst und Zukunftsängste. Diese befinden sich, neben der hohen Stoffmenge (höchster Mittelwert), unter den bedeutendsten vier Stressoren. Die Faktoren „Zukunftsängste“ und „Angst zu Versagen“ beziehen sich beide auf die Besorgnis, dass aversiv bewertete Ereignisse eintreten könnten. Dies drückt eine empfundene Unsicherheit der Studierenden aus, die ebenso durch strenge Zulassungsregularien für weiterführende Studien als auch die hohen Anforderungen der Arbeitgeber (Auslandsaufenthalt, praktische Erfahrung, sehr gute Studienleistungen) begünstigt werden kann. Auf einer etwas globaleren Ebene könnten Medienberichte über Finanz- bzw. Wirtschaftskrisen, militärische Unruhen, Preissteigerungen (z.B. Rohöl) oder Rentenkürzungen zu einem allgemeinen Gefühl von Unsicherheit führen, vor allem bei der jüngeren Generation. Dazu kommt eine hohe Anzahl von in- und ausländischen Konkurrenten sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch bei der Bewerbung um einen Studienplatz. Die genannten Faktoren scheinen letztendlich zu einem immens hohen Leistungsdruck zu führen, dem sich die Studierenden ausgesetzt fühlen. Wie bereits erwähnt stellt die hohe Stoffmenge, mit der die Studierenden konfrontiert sind, den bedeutendsten Stressor dar. Studierende müssen pro Semester teilweise Inhalte für sechs bis sieben Klausuren parallel vorbereiten. Der persönliche Arbeitsstil, der ebenfalls einen bedeutenden Stressor darstellt, erschwert es den Studierenden zusätzlich, die enorme Stoffmenge zu bewältigen. Ein Grund für die berichteten Probleme mit dem persönlichen Arbeitsstil könnte sein, dass in den wenigsten Studiengängen Module zur Ausbildung der eigenen Lernkompetenz enthalten sind. Als Konsequenz des hohen Arbeitsaufwands der Studierenden fehlt es ihnen an Freizeit, in der sie sich Freunden oder Hobbies widmen können. Es herrscht folglich ein enormes Ungleichgewicht zwischen Studium/Arbeit und Freizeit, das zur Belastung für die Betroffenen wird. Die unbedeutendsten Stressoren sind dagegen „Fernbeziehung“ und „fehlendes soziales Netzwerk“. Dies könnte darin begründet sein, dass Fernbeziehungen aufgrund der hohen Belastung vermutlich nur selten geführt werden. Der Faktor „fehlendes soziales Netzwerk“ ist sehr absolut ausgedrückt und trifft erwartungsgemäß auf die wenigsten der Probanden zu. Die vergleichsweise geringe Relevanz des Aspekts „hohe Anzahl Mitstudierender“ beruht vermutlich darauf, dass ca. 34 % der Befragungsteilnehmer entweder an einer privaten Präsenzfachhochschule oder an einer Fernuniversität immatrikuliert waren. Die Größe der Studierendengruppen an privaten Einrichtungen ist meist sehr gering. Bei Fernuniversitäten ist dieser Aspekt sogar gänzlich irrelevant. Es sind allerdings vielmehr die Studierenden einer staatlichen Präsenzuniversität bzw. Präsenzfachhochschule, die mit einer derart hohen Anzahl von Kommilitonen konfrontiert sind.

Das Ergebnis des Vergleichs der Werte der Studierenden in der Screening-Skala des TICS mit der altersspezifischen Normstichprobe (16-30 Jahre) fiel erwartungskonform aus. So wiesen alle Hochschulgruppen einen weit überdurchschnittlich hohen Wert auf. Die Annahme, dass Studierende eine Teilbevölkerung darstellen, die ein besonders hohes Maß an Stress erleben (siehe Kapitel 1), konnte demnach bestätigt werden. In Anlehnung an die Autoren des TICS (Schulz et al., 2003) wurde eine statistische Überprüfung für nicht nötig befunden, da die Mittelwertunterschiede derart hoch ausfielen. Im folgenden Abschnitt werden sowohl Grenzen als auch Stärken der vorliegenden Untersuchung reflektiert.

6.2 Güte und Limitationen

Eine Grenze der empirischen Untersuchung ist unter anderem, dass die Teilstichproben der verschiedenen Hochschultypen nicht balanciert waren. So gab es einen deutlichen Überhang Studierender einer staatlichen Präsenzuniversität (n = 345). Bei einem ähnlich großen Stichprobenumfang der Vergleichsgruppen würde eine höhere Teststärke erreicht werden. Die Wahrscheinlichkeit, mit der sich ein Signifikanztest zugunsten einer gültigen Alternativhypothese entscheidet, wäre demnach höher (Bortz & Döring, 2006). Dies sollte insbesondere bei der Bewertung des Ergebnisses des Hypothesentests 1 berücksichtigt werden. Einen weiteren möglichen Kritikpunkt stellt die fehlende qualitative Untersuchung dar. So hätte sich bei der Exploration potentieller Stressoren die Methode des Interviews angeboten, um weitere Stressoren, die nicht in der vorgegebenen Liste enthalten sind, zu identifizieren. Um die Notwendigkeit eines qualitativen Vorgehens zu überprüfen, wurden im Rahmen des Pretests drei Probanden nach weiteren denkbaren Stressoren befragt. Diese schätzten die Liste der Stressoren allerdings als sehr umfassend ein. Überdies stellt sich die Frage, ob sich die Probanden ausreichend Zeit für die Beantwortung der teilweise sehr tiefgehenden Fragen genommen haben. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer des Fragebogens lag bei ca. fünfeinhalb Minuten. Es könnte argumentiert werden, dass für die ehrliche und präzise Beantwortung mehr Zeit notwendig gewesen wäre, da nur so eine Reflexion der Fragen möglich ist. In der Instruktion der Screening-Skala des TICS wurde den Probanden zumindest nahegelegt, sich bewusst Zeit bei der Beantwortung der Fragen zu lassen.

Eine Stärke dieser Forschungsarbeit ist, dass eine sehr hohe Stichprobe erreicht wurde (N = 675). Dies lässt auf eine hohe Präzision der Parameterschätzungen schließen. Überdies sollte gewürdigt werden, dass die potentiellen Stressoren mit insgesamt 25 Items sehr umfassend und differenziert erfasst wurden.

6.3 Implikationen für Praxis und Forschung

Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit machen deutlich, dass Handlungsbedarf in erster Linie sowohl von Seiten der Politik als auch der Hochschulen besteht. Es zeigt sich, dass das Stresserleben der Studierenden die altersspezifische Norm bei weitem übersteigt (siehe Kapitel 5.4). Die größte Belastung geht dabei von der hohen Stoffmenge aus, die Studierende jedes Semester erneut bewältigen müssen. Dies erklärt auch den hohen Grad an Überforderung und Überlastung, der sich in den Testwerten in der Screening-Skala des TICS widerspiegelt. In Anbetracht dessen scheint die Überlegung sinnvoll, die Regelstudienzeit, die bislang auf drei Jahre für den Bachelor bzw. zwei Jahre für den Master festgesetzt ist, unter Beibehaltung der Gesamtstoffmenge zu verlängern. Darüber hinaus könnte man in Betracht ziehen, „Selbstmanagement“-Seminare in die Curricula der Studiengänge einzubetten. In diesem Rahmen könnte den Studierenden Lernstrategien oder Methoden, sich zu organisieren bzw. strukturiert zu arbeiten, vermittelt werden. Dies scheint auch unter dem Aspekt notwendig, dass der persönliche Arbeitsstil für viele Studierende eine hohe Belastung darstellt. Darüber hinaus sind es Zukunftsängste, die Angst zu Versagen und der empfundene Leistungsdruck, die erheblich zu dem hohen Stresserleben der Studierenden beitragen. Diese psychischen Beeinträchtigungen können junge Erwachsene nur schwer alleine bewältigen. Dementsprechend bleibt in Betracht zu ziehen, ob man das Beratungsangebot der psychologischen bzw. psychosozialen Beratungsstellen der Hochschulen erweitert, um dem vermutlich hohen Bedarf der Studierenden gerecht zu werden. Diesbezüglich müsste zunächst ermittelt werden, wie hoch das Interesse der Studierenden an einem derartigen Angebot ist. Ferner scheint es sinnvoll, Stressbewältigungsseminare an Hochschulen anzubieten. Derartige Seminare könnten die Studierenden über Entstehungsmodelle von Stress aufklären und ihnen Methoden an die Hand geben, selbst mit stressrelevanten Situationen umzugehen.

Ein Anliegen weiterer Forschungsarbeiten sollte eine differenzierte Untersuchung derjenigen Faktoren sein, welche die Variabilität des Stresserlebens zwischen den Hochschultypen verlässlich erklären können. Dies wäre – wie bereits erwähnt – in Bezug auf Präventivmaßnahem essentiell zu erfahren. Des Weiteren wäre interessant zu messen, wie groß das Bedürfnis der Studierenden nach einem psychologischen bzw. psychosozialen Beratungsangebot an Hochschulen tatsächlich ist. Dies würde Aufschluss darüber geben, in welchem Ausmaß eine Unterstützung der Hochschule überhaupt erwünscht ist bzw. wie stark die Studierenden unter dem erlebten Stress leiden. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob noch weitere für Studierende bedeutende Stressoren existieren. Wie bereits in Kapitel 6.2 darauf hingewiesen, würde sich dafür ein qualitatives Untersuchungsdesign eignen, da dadurch noch differenziertere Daten erhoben werden könnten. Darüber hinaus wäre es interessant zu erheben, ob Studierende öfter psychische Störungen entwickeln als der gleichaltrige Teil der Bevölkerung, der nicht studiert. Diese Annahme scheint naheliegend angesichts der Tatsache, dass psychische Störungen und Beeinträchtigungen des Wohlbefindens typische Folgen von chronischem Stress darstellen (Nerdinger et al., 2011). Diesbezügliche Daten könnten Aufschluss über die Folgen des erhöhten Stresserlebens liefern und einen möglichen Handlungsbedarf verdeutlichen. In Voraussicht auf Präventivmaßnahmen wäre es ebenso bedeutend zu ermitteln, ob und wie sich die Bedeutung der einzelnen Stressoren beim Übertritt der Studierenden in das Arbeitsleben verändert bzw. welche Stressoren hinzukommen.

7 Literaturverzeichnis

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Korrespondenzadresse:

Julian Turiaux
Hochschule Fresenius
Im MediaPark 4c
D-50670 Köln
GERMANY

info@journal-bmp.de

Evidenz-basierte Führungskräfteentwicklung: Fallstudie zum 360-Grad Feedback

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In diesem Beitrag zeigen wir exemplarisch, wie die Prinzipien des Evidenz-basierten Managements in der Führungskräfteentwicklung Anwendung finden können. Letztere sollte demnach auf Instrumenten basieren, die durch wissenschaftliche Evidenz in Kombination mit lokaler Evidenz aus dem spezifischen organisationalen Kontext getragen werden. Dies demonstrieren wir an einer Fallstudie aus einem internationalen Konsumgüterkonzern. Es sollte ermittelt werden, welche Quellen aus dem firmeninternen 360-Grad Feedback am validesten Auskunft über Führungskompetenzen der beurteilten Manager geben. Dazu wurden 360-Grad Beurteilungen mit Assessment Center Urteilen der gleichen Führungskompetenzen in Beziehung gesetzt (N=151). Es wurde insbesondere für solche Verhaltensweisen eine höhere Übereinstimmung erwartet, die die jeweiligen Beurteiler am einfachsten im Arbeitsleben der Beurteilten beobachten können. Dabei korrelierte das Urteil aus dem Assessment Center lediglich mit dem Kollegenurteil aus dem 360-Grad Feedback, nicht aber mit Vorgesetzten- oder Mitarbeiterurteilen. Dies unterstützt unsere Argumentation für den Wert einer Evidenz-basierten gegenüber einer intuitiven Handhabung von Ergebnissen aus 360-Grad Beurteilungen. Praktische Implikationen und Ansatzpunkte für zukünftige Forschungsarbeiten werden diskutiert.

Schlüsselwörter: Evidenz-basiertes Management, Fallstudie, 360-Grad Feedback, Assessment Center, Führungskompetenzen

Faking for real? Facetten politischer Fertigkeiten moderieren die Anpassungsleistung an Stellenanforderungen in Fragebogen- und Leistungsmaßen

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Den Teilnehmern (N = 78) wurde mitgeteilt, dass ein namhaftes Unternehmen seine Rekrutierungsstrategie für Werksstudenten in einem von zwei Tätigkeitsbereichen optimieren möchte. Sozialer Scharfsinn und Einflussnahme als Facetten politischer Fertigkeiten wurden erfasst, bevor die Teilnehmer mehr über die Stellen erfuhren, die entweder eine hohe (Controlling) oder eher niedrige (Gesundheitsförderung) Ausprägung von Gewissenhaftigkeit erforderten. Anschließend wurde Gewissenhaftigkeit über Selbstauskunft im Fragebogen sowie über eine Konzentrationsaufgabe erfasst. Moderierte Regressionsanalysen zeigten drei der vier vorhergesagten Zweifach-Interaktionen : Probanden mit hohen Werten in sozialem Scharfsinn passten sowohl ihre Selbstbeschreibung als auch ihre tatsächliche Leistung an die skizzierten Anforderungen des Tätigkeitsfeldes an, das heißt, sie erreichten signifikant höhere Gewissenhaftigkeitswerte in beiden Maßen, wenn die Werkstudententätigkeit hohe Gewissenhaftigkeit erforderte. Versuchsteilnehmer mit hohen Werten in Einflussnahme passten nur die Selbstbeschreibung an, ihre Performanz in der Konzentrationsaufgabe war unabhängig von den Kontextanforderungen allgemein besser. Probanden mit niedrigeren Werten in sozialem Scharfsinn und Einflussnahme zeigten dieses Muster nicht, weder Selbstbeschreibung noch Leistung unterschieden sich zwischen den Experimentalbedingungen. Hohe Ausprägungen der Facetten sozialer Scharfsinn und Einflussnahme der politischen Fertigkeiten führten also nicht nur zu einer Anpassung der Selbstdarstellung an das gewünschte Profil, sondern beförderten auch die korrespondierende tatsächliche Aufgabenbearbeitung. Implikationen für die Faking-Debatte in der Personalauswahl werden diskutiert.

Schlüsselwörter: Gewissenhaftigkeit, Personalauswahl, soziale Erwünschtheit

Nice talk! Wie physische Attraktivität die Wirkung von Unternehmenspräsentationen beeinflusst

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Um herauszufinden, ob wahrgenommene physische Attraktivität die Bewertung von Präsentationen beeinflusst, wurde einer Stichprobe von N = 181 Probanden eine PowerPoint Präsentation einer fiktiven weiblichen Präsentatorin (attraktiv vs. unattraktiv) dargeboten. Die Teilnehmer wurden instruiert, sich den Besuch einer Jobmesse vorzustellen und sich die Präsentation aufmerksam anzusehen, um ihrem Kollegen, der nicht an der Messe teilnehmen konnte, davon zu berichten. Im Anschluss wurden die Bewertung der Präsentation, des Unternehmens und seiner Repräsentantin, sowie die Erinnerungsleistung bezüglich des Inhalts erfasst. Physische Attraktivität übte einen signifikant förderlichen Einfluss auf die Urteile zur Präsentatorin und zur Präsentation selbst aus. Positive Effekte auf die Bewertung des repräsentierten Unternehmens waren lediglich marginal signifikant, und hinsichtlich der Erinnerungsleistung zeigte sich kein Unterschied zwischen den Experimentalgruppen. Theoretische und praktische Implikationen dieser Ergebnisse werden diskutiert.

Schlüsselwörter: Attraktivität, Präsentationen, PowerPoint, Unternehmenskommunikation

Normative Erwartungen und internalisierte Werte-Marken als ethische Konstrukte

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1 Einleitung

Marken haben in der Unternehmenskommunikation zahlreiche Aufgaben. Sie dienen zunächst der Kennzeichnung von Produkten und Dienstleistungen mit dem Nachweis des Herstellers beziehungsweise des Anbieters, sie sollen Orientierung in der Vielfalt der Angebote vermitteln, positive Assoziationen wecken und zuweilen sogar Identifikationen zulassen. Da Marken aber auch einen höheren Verkaufspreis ermöglichen, können sie den Wert der Kunden und somit den Wert des Unternehmens erhöhen und die Marke wird zu einem wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgut (Meffert, Burmann & Kirchgeorg, 2012).
Wie Marken diese Funktionen in ihrer Beziehung zum Konsumenten übernehmen können, ist seit einigen Jahren ein zentrales Forschungsgebiet der Wirtschaftspsychologie.1 Als besonders fruchtbar hat sich dabei die Untersuchung von Marken als quasi-personale, identitätsvermittelnde mentale Konzepte durch Jennifer Aaker (1997), sowie die Rekonstruktion der emotionalen Beziehungen, die Konsumenten zu Marken aufbauen, durch Susan Fournier (1998) erwiesen. Die besondere Art der Beziehung zwischen den Konsumenten und ihren Marken steht seitdem im Fokus der wirtschaftspsychologischen Forschung (MacInnnis, Park & Priester, 2009; Park, MacInnis, Priester, Eisingerich & Iacobucci, 2010) und der ökonomischen Betrachtung von Marken (Esch & Möll, 2005; Burmann, Blinda & Nitschke, 2013).

Als wesentliche Voraussetzung, sowohl für die Funktionen von Marken als auch für den Aufbau einer Beziehung zwischen Konsument und Marke, gilt das Vertrauen. Vertrauen wird im Allgemeinen als conditio sine qua non für jede soziale Beziehung angesehen und so auch für die Beziehung zu Marken (Lades, 2011). Zumeist wird hierbei das Vertrauen zu einer Marke als Folge des positiv bewerteten Wissens über das Markenimage und als Vorstufe zu einer loyalen Haltung des Konsumenten zur Marke betrachtet (Esch, Langner, Schmitt & Geus, 2006). Mit anderen Worten: Marken, denen Menschen vertrauen, können in hohem Maße das Kaufverhalten von Konsumenten und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen positiv beeinflussen (Häusler, 2015). Einige Marken werden gar zu „bewunderten Marken“ (Kervyn, Fiske & Malone, 2012; Aaker, Garbinsky & Vohs, 2012) und zum Objekt kultischer Bewunderung (Müller, 2011).

Das Vertrauen von Konsumenten in eine Marke scheint somit eine wesentliche Variable zu sein, um die Beziehung zwischen Konsumenten und Marken zu verstehen. In dieser Beziehung ist das Vertrauen für die Involviertheit in eine Marke sowie deren Glaubwürdigkeit und Reputation ein „zentrales Konstrukt“ (Hubig, 2014, S. 351) der Unternehmenskommunikation. Für das Marketing von Unternehmen und deren Kommunikation von Marken mit dem Ziel der Generierung loyaler Kunden – und in der Folge eines erhöhten Kunden- sowie Unternehmenswertes – ist das Verständnis von Vertrauen somit eine hoch relevante, jedoch komplexe Aufgabe: „The ultimate goal of marketing is to generate an intense bond between the consumer and the brand, and the main ingredient of this bond is trust“ (Hiscock, 2001, S. 32).
Die Komplexität dieser Aufgabe ergibt sich aus der Notwendigkeit, sowohl psychologische als auch soziologische und ökonomische Erklärungsansätze anzuführen und miteinander zu kombinieren: Soziotypologisch differenzierte Akteure weisen unterschiedliche normative Erwartungen auf und bewerten Marken je nach internalisierter Wertvorstellung anders – dies prägt anschließend die Sympathie, die Reputation und die Loyalität zu einer Marke. Das Konstrukt Marke zeigt sich folglich als Schnittmenge psychologischer, soziologischer und ökonomischer Forschungen, in deren Zentrum wiederum das Konstrukt Vertrauen steht. Die Fragestellung lautet daher: Welche personalen, sozialisierten und situativen Variablen auf Seiten des Konsumenten und welche zugeschriebenen Eigenschaften auf Seiten der Marke führen zu einer Vertrauensbeziehung? Mit anderen Worten: Wer vertraut warum welcher Marke?

2 Vertrauen als Konstrukt

Seit einigen Jahren ist das Konstrukt des Vertrauens Gegenstand zahlreicher Untersuchungen, doch es fehlt nach wie vor an einer einheitlichen Konzeption. Eine populäre Definition stammt von Niklas Luhmann, dem zufolge Vertrauen die Erwartungen an die Folgen von Handlungen stabilisiert und somit in komplexen Gesellschaften eine notwendige Bedingung der Möglichkeit von individuellen Handlungen ist: Vertrauen reduziert die Komplexität von Handlungsoptionen und Entscheidungen (Luhmann, 1989). Vertrauen ist demnach das Resultat einer vertrauensvollen Praxis, das heißt, Vertrauen entsteht in sozialen Beziehungen durch das Einhalten von Zusagen und Versprechen oder durch ein kooperatives Miteinander. Aus dieser erfahrungsgesättigten beziehungsweise nutzenorientierten Sicht ist Vertrauen ein reflexives und kognitives Phänomen (hierzu aus psychologischer Sicht Bagozzi, 1975; Powell, 1990; Grönroos, 1990; aus soziologischer Sicht Coleman, 1982; Gambetta, 2001; aus wirtschaftsethischer Sicht Homann, 2014).

Fraglich ist an dieser Position, ob eine soziale Praxis ohne die Vorleistung von Vertrauen überhaupt möglich ist. Aus dieser Gegenposition ist Vertrauen ein präreflexives und hermeneutisch fungierendes Konstrukt (Shapiro, 1987; Ring & Van de Ven, 1994; Gulati, 1995; aus soziologischer Sicht Williamson, 1993; Giddens, 1995; Endreß, 2002). Ein Beispiel hierzu: Nehmen wir an, dass ein Mensch an einem Bahnhof in einer ihm fremden Stadt ankommt und nun auf dem belebten Vorplatz nach dem Weg zur Hochschule, zum Krankenhaus oder zur Bank fragen muss. Dieser Mensch muss sich nun festlegen, welchen Passanten er nach dem richtigen Weg fragen will – mit anderen Worten, er muss sich festlegen, wem er vertrauen will. Vertrauen ist hier eine Vorleistung, ohne die eine soziale Beziehung nicht zustande kommen kann.

Unser Fragender wird vielleicht einen Studenten nach dem Weg zur Hochschule, eine Mutter nach dem Weg zum Krankenhaus und einen Geschäftsmann nach dem Weg zur Bank fragen, wobei sich die hierfür notwendigen Erkennungsmerkmale vermutlich über Stereotype erschließen. Wesentlich für die Festlegung des Fragenden für die Vertrauenswürdigkeit des Befragten können nun einerseits die vermutete Kompetenz, andererseits die vermutete Warmherzigkeit sein: Kennt der Befragte den richtigen Weg und ist er auch willens, diesen mitzuteilen? Beide Variablen, die vermutete Kompetenz und die Warmherzigkeit von stereotypen Personen wurden in den letzten Jahren untersucht (Fiske, Cuddy & Glick, 2007; Asbrock, 2010) und in Verbindung mit der Bewertung von Marken gebracht (Kervyn, Fiske, & Malone, 2012).

Beim Konstrukt des interpersonalen Vertrauens muss somit zunächst zwischen reflexiven und präreflexiven Konzepten, aber auch zwischen Konzepten, die Vertrauen als rationales Kalkül, als Einstellung beziehungsweise als Haltung oder als situatives Gefühl betrachten, unterschieden werden (hierzu ausführlich Hartmann, 2011). Zusammenfassend ist festzustellen, dass es nach wie vor kein einheitliches Verständnis des Konstrukts Vertrauen gibt – und je mehr sich die Forschungen unterschiedlichster Fachrichtungen mit dem Thema beschäftigen, umso komplexer wird das soziale Phänomen des Vertrauens.

3 Markenvertrauen zwischen Kompetenz und Warmherzigkeit

Angesichts dieser Komplexität ist es kaum verwunderlich, dass es auch keine übereinstimmenden Ansätze in Bezug auf das Markenvertrauen der Konsumenten gibt (Hegner, 2012). Häufig wird Markenvertrauen in der ökonomischen Fachliteratur als Zuversicht beschrieben, dass die Marke die an sie gerichteten Erwartungen erfüllen wird (Huber, Regier & Vollhardt, 2006). Zu diesen Erwartungen der Konsumenten an die Marke (Markenversprechen beziehungsweise unique communication proposition) werden in der wirtschaftspsychologischen Forschung zumeist die beiden Kategorien Kompetenzen (competence) und positive Intentionen (warmth) aufgeführt (Fournier & Alvarez, 2012). Positive Intentionen vermitteln eine markenspezifische Haltung, die das Wohlergehen der Konsumenten in den Fokus rückt (Delegado-Ballester, Munuera-Alemán & Yagüe-Guillén, 2003). Doch die Erwartungen der Verbraucher an eine Marke beziehen sich nicht ausschließlich auf das eigene Wohlbefinden: Die steigende Tendenz zu einem bewussten, auf Nachhaltigkeit gerichteten Konsum spiegelt die zunehmende Orientierung am Wohlergehen anderer Stakeholder (Edelman, 2012) wider. Entsprechend konnten Studien von Singh, Iglesias und Batista-Foguet (2012) sowie Hegner (2012) dem Verhalten einer Marke gegenüber Mitarbeitern, Gesellschaft und Umwelt eine vertrauensrelevante Wirkung nachweisen.

In Bezug auf die an eine Marke gerichteten Erwartungen herrscht eine kontext-, personen- und produktbedingte Varianz (Aggarwal, 2009). So existieren beispielsweise unterschiedliche Formen von Konsumenten-Marken-Beziehungen, die an spezifische Regeln geknüpft sind. Diese bestimmen die Angemessenheit des Verhaltens der Marke und damit ihre Bewertung als Beziehungspartner. Je nachdem, ob das Verhalten der Marke als konsistent zu den entsprechenden Erwartungen wahrgenommen wird, wird die Marke durch den Konsument positiv oder negativ bewertet (Aggarwal, 2009). Clark und Mills (1979) unterteilen Konsumenten-Marken-Beziehungen in zwei Kategorien: Austauschbeziehungen (exchange relationships) und Partner-Beziehungen (communal relationships). Erstere richten sich nach den Normen des ökonomischen Austausches: Für jeden Gefallen an den Beziehungspartner wird eine äquivalente Gegenleistung erwartet (Clark & Mills, 1979). Bei diesen Austauschbeziehungen stehen Eigeninteresse und das Streben nach materiellem Gewinn im Vordergrund (Aggarwal & Larick, 2012). Bei Partner-Beziehungen orientieren sich die Beziehungspartner hingegen verstärkt am Wohlergehen des anderen. Sie basieren auf der Norm der gegenseitigen Verantwortung, wobei die Partner einander unterstützen, ohne eine konkrete Gegenleistung zu erwarten (Clark & Mills, 1979).

Die Entstehung einer Austausch- oder Partner-Beziehung zwischen Marken und Konsumenten wird neben kontext- und produktbezogenen Faktoren auch durch personenspezifische Kriterien bestimmt: So zeigen manche Konsumenten generell eine höhere Tendenz zu Partner-Beziehungen, während andere verstärkt rationale Kosten-Nutzen-Abwägungen tätigen und somit generell eher zu Austauschbeziehungen tendieren (Aggarwal, 2009). Die Differenzierung zwischen einem pragmatischen Kosten-Nutzen-Abwäger und einem sozialen, am Wohlergehen anderer und an gesellschaftlichen Normen orientierten Akteur, verweist auf die klassischen soziologischen Typen des homo oeconomicus und des homo sociologicus.

4 Konsumenten als Akteure

In der soziologischen Fachliteratur werden zumeist zwei Akteurtypologien gegenübergestellt: einerseits der homo oeconomicus und andererseits der homo sociologicus (Rommerskirchen, 2014). Der homo oeconomicus wird als gratifikationen-kalkulierender, nutzenmaximierender und rational handelnder Akteur angesehen (Miebach, 2010). Der klassische homo sociologicus hat hingegen die sozialisierten Normen internalisiert: Er agiert rollenkonform und erwartet positive Sanktionen für sein normenorientiertes Verhalten (Esser, 1993). Neben diesem klassischen, normenorientierten homo sociologicus des kollektivistischen Ansatzes steht ein zweiter Typus: der homo sociologicus des interpretierenden Ansatzes. Er wird als situationsorientierter, strategisch agierender und somit normen-interpretierender Akteur verstanden (Dahrendorff, 1977; Keller, 2012). Zur Differenzierung dieser drei soziologischen Akteurtypen und Paradigmen wurden die Akronyme GURM (Gratification Calculating, Utility Maximizing, Rationally Acting Man) für den homo oeconomicus, SRSM (Socialized, Role-Playing, Sanctioned Man) für den klassischen normen-orientierten homo sociologicus und SSSM (Symbols Interpreting, Situations Defining, Strategically Acting Man) für den normen-interpretierenden homo sociologicus eingeführt (Abbildung 1; Rommerskirchen, 2014).

Die Untersuchung von Unterschieden zwischen homo oeconomicus und beiden Typen des homo sociologicus in Bezug auf das Markenvertrauen stellt das zentrale Erkenntnisinteresse der vorliegenden Studie dar. Eine erste Vermutung legt nahe, dass der GURM-Typus eher utilitaristische Austauschbeziehungen zu Marken präferiert, wohingegen der SRSM-Typus Partner-Beziehungen mit Marken anstrebt. Für den GURM-Typus wäre dann Vertrauen in Verbindung mit Sympathie, Reputation und Loyalität zu einer Marke irrelevant. Das Marketing müsste diese ausschließlich als Zielparameter für die Kommunikation mit dem SRSM-Typus beachten. Im Falle des SSSM-Typus ist vermutlich die Situation, aber auch die Symbolik der Kommunikation entscheidend für die Vertrauensrelevanz.

Bevor jedoch Unterschiede in der Vertrauensneigung der oben beschriebenen Konsumententypen untersucht wurden, sollten im Rahmen einer qualitativen Vorstudie allgemeine Vertrauensdimensionen aufgedeckt werden. Ferner diente die Vorstudie einer näheren Beleuchtung der Relevanz der Kategorie Ethisches Wirtschaften als Vertrauenskomponente. Anhand einer quantitativen Folgestudie galt es schließlich die qualitativ hergeleiteten Hypothesen über relevante Vertrauensdimensionen zu überprüfen. Zudem wurden Vermutungen in Bezug auf Unterschiede zwischen homo oeconomicus und homo sociologicus untersucht.

5 Qualitative Vorstudie

Aufgrund der fehlenden Einheitlichkeit in der Operationalisierung des Konstrukts Vertrauen (Hegner, 2012) wurden in einem ersten, qualitativen Schritt zunächst relevante Vertrauens-Dimensionen ermittelt. Dabei wurde besonders auf die Bedeutsamkeit einer ethischen Wirtschaftsweise durch eine Marke für das ihr entgegengebrachte Vertrauen eingegangen.

Im Zeitraum vom 27.10.2014 bis zum 24.11.2014 fanden insgesamt neun Einzelinterviews mit Personen im Alter von 21 bis 60 Jahren statt. Die Stichprobe setzte sich aus fünf weiblichen und vier männlichen Interviewpartnern zusammen. Unter den Männern befanden sich ein 21-jähriger Auszubildender, ein 26-jähriger Maschinenbaustudent, ein 47-jähriger Hochschuldozent für den Studiengang Wirtschaftspsychologie, sowie ein IT-Fachmann im Alter von 57 Jahren. Die Gruppe der weiblichen Teilnehmerinnen bestand aus einer 25-jährigen Wirtschaftspsychologiestudentin, einer 27-jährigen Architektin, einer 38-jährigen Fremdsprachenkorrespondentin, einer 53-jährigen Arzthelferin und einer Hausfrau im Alter von 60 Jahren.

Abbildung 1: Zusammenfassung der soziologischen Paradigmen

Die Auswertung der Interviews erfolgte über die Methode der Grounded Theory nach Glaser und Strauss (1967): Relevante Aussagen wurden kodiert und unterschiedlichen Kategorien zugewiesen. Entsprechend des von Glaser und Strauss (1967) entwickelten Kodierparadigmas lässt sich das zentrale, zu untersuchende Phänomen in ein Wirkungsgefüge aus ursächlichen Bedingungen, Kontext, intervenierenden Bedingungen, interaktionaler Strategie und der damit verbundenen Konsequenz einbetten. Aufgrund des begrenzten Umfangs des vorliegenden Artikels begrenzt sich der Bericht über die qualitativen Erkenntnisse auf das zentrale Phänomen sowie die intervenierenden Bedingungen. Als Phänomen wurde im Rahmen dieser Studie die wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit einer Marke mit den jeweiligen Dimensionen untersucht. Als intervenierende Bedingungen wurden Einflussfaktoren auf die interindividuelle Relevanz dieser Dimensionen ermittelt. Das Phänomen und die intervenierenden Bedingungen stellten schließlich die beiden Bestandteile des oben beschriebenen Wirkungsgefüges dar, die quantitativ überprüft wurden.

5.1 Vertrauenswürdigkeit als zentrales Phänomen

Im Verlauf der Interviews konnten drei wesentliche Dimensionen der Vertrauenswürdigkeit von Marken herausgearbeitet werden: Kompetenz, Wohlwollen und Integrität. Ihre Benennung gründet auf bereits existierenden Bezeichnungen durch Hegner (2012) sowie Müller und Wünschmann (2004). In Bezug auf das Markenvertrauen verwendeten fünf – und damit mehr als die Hälfte der Probanden – den Ausdruck Qualität. Die Qualität der Produkte wird daher als zentrales Kriterium verstanden, welches das Vertrauen in eine Marke beeinflusst. Mit der Qualität von Marken verbanden die Studienteilnehmer vor allem die Funktionalität der Produkte, die als Ausdruck von Kompetenz gewertet wurde.

Um einer Marke zu vertrauen scheinen neben der Kompetenz auch die Absichten des Vertrauensnehmers, der Marke, gegenüber dem Vertrauensgeber, dem (potentiellen) Konsumenten, bedeutsam. Dies empfanden alle interviewten Studienteilnehmer. Ihre Aussagen lassen darauf schließen, dass sich das Wohlwollen einer Marke dadurch äußert, dass sich die Marke für die Bedürfnisse und das Wohlergehen ihrer Konsumenten einsetzt, statt primär den eigenen Vorteil als handlungsleitendes Kriterium zu definieren.

Die Kategorie Wohlwollen bezieht sich auf eine spezifische Personengruppe: die Konsumenten. Im Gegensatz dazu steht die Kategorie Integrität für generell kommunizierte Einstellungen der Marke, die sich nicht auf eine bestimmte Zielgruppe fokussieren, sondern sich gegenüber sämtlichen Stakeholdern äußern. Unter Integrität wird das Einhalten ausgewählter Prinzipien verstanden – sofern diese vom Vertrauensnehmer akzeptiert werden (Mayer, Davis & Schoorman, 1995). Dazu zählt Hegner (2012) unter anderen die Dimensionen Offenheit und Ehrlichkeit, die hier als Transparenz und Aufrichtigkeit bezeichnet werden. Die Dimension Aufrichtigkeit bezieht sich auf die wahrgenommene Ehrlichkeit einer Marke und wurde von fünf Interviewpartnern als vertrauensrelevant definiert. Unter Transparenz werden hingegen der Umfang der Aufklärung und die Relevanz der zur Verfügung gestellten Informationen verstanden. Insgesamt erklärten vier Interviewpartner die Transparenz einer Marke als wichtig für ihr Vertrauen in eine Marke. In der vorliegenden Arbeit wurde ebenso die Komponente des ethischen Wirtschaftens der übergeordneten Kategorie Integrität zugeordnet, da auch hier die Einhaltung ausgewählter Prinzipien eine essentielle Rolle spielt. Ethisches Wirtschaften bezieht sich auf Aussagen über die soziale und ökologische Verantwortung einer Marke. Fünf Befragte sprachen den Einfluss der Produktionsbedingungen auf ihr Vertrauen in die Marke direkt an, lediglich zwei Interviewte zeigten diesbezüglich kein oder nur sehr geringes Interesse. Drei Probanden verstanden nachhaltiges Wirtschaften sogar als Idealbedingung und damit als Grundlage für Kompetenz und Wohlwollen. Sie gingen davon aus, dass ein fairer Umgang mit Mitarbeitern die grundlegende Voraussetzung für qualitativ hochwertige Produkte darstellt. Während die soziale und ökologische Verantwortung einer Marke insgesamt als wichtiger Faktor für das Vertrauen in eine Marke aufgefasst wurde, schien ein Urteil darüber hingegen schwer: Drei Studienteilnehmer sprachen die geringe Präsenz von Informationen über die Herstellungsweise an. Diese seien im Vergleich zu Hinweisen in Bezug auf Kompetenz und Wohlwollen schwerer zugänglich und zudem werde oft lediglich dann über die Produktionsweise berichtet, wenn Marken diesbezüglich negativ auffielen.

5.2 Internalisierung sozialer Werte als intervenierende Bedingung

Die qualitativen Daten deuten, vor allem in Bezug auf die Relevanz der sozialen und ökologischen Verantwortung, auf interpersonelle Varianz hin. So gab es einerseits Gesprächspartner, die kaum Interesse an den Produktionsbedingungen zeigten, andererseits Probanden, welche ihnen sogar Priorität für ihr Vertrauen in eine Marke zuschrieben. Als Ursache für die interindividuelle Varianz in der Bedeutsamkeit der einzelnen Vertrauensdimensionen zeichnete sich im Rahmen der Gespräche das individuelle Wertesystem ab: Bei Interviewpartnern, welche der sozialen und ökologischen Komponente einer Marke eine eher geringe Bedeutung beimaßen, ließen sich solche Aussagen finden, die auf die opportunistische Grundhaltung des homo oeconomicus hinwiesen. Gleichermaßen gab es Interviewpartner, deren Aussagen auf eine Internalisierung prosozialer Werte deuteten und die angaben, dass eine entsprechende Haltung bei Marken ihr Vertrauen stärke – eine normenorientierte Grundhaltung, wie sie dem klassischen homo sociologicus (SRSM-Typus) entspricht. Dennoch wurde auch hier eingeräumt, manchen Marken zu vertrauen, obwohl Zweifel bezüglich der ethischen Korrektheit der Produktionsweise bestünden. Eine Interviewpartnerin, die zuvor die Relevanz der Produktionsbedingungen betonte, gestand, entsprechende Informationen bei der Marke H&M bewusst auszublenden. Sie gab an, die Produkte vor allem aufgrund ihres ansprechenden Designs zu kaufen. Dies deutet darauf hin, dass die Produktionsbedingungen als Dimension der Vertrauenswürdigkeit durch den persönlichen Gefallen am Produktdesign an Relevanz verlieren können. Es lässt sich folglich ein Wertekonflikt zwischen dem Wert Ästhetik und dem prosozialen Wert der sozialen Verantwortung erkennen. Der Einfluss der Internalisierung prosozialer Werte ist daher immer relativ, im Vergleich zur Internalisierung anderer Werte, zu betrachten. Widersprüchliche Teilaussagen weisen darauf hin, dass der Mensch sowohl Elemente des normenorientierten homo sociologicus (SRSM), dem prosoziale Werte wichtig sind, als auch Charakterzüge des homo oeconomicus (GURM), der seinen persönlichen Nutzen maximieren möchte, in sich trägt. Ein Widerspruch, der sich durch Verweis auf den normeninterpretierenden Typus des homo sociologicus (SSSM) auflöst – einen Typus, der die Bedeutung der Marke situativ interpretiert. Der Grad der Internalisierung sozialer Normen wird folglich als intervenierende Bedingung in Bezug auf die Gewichtung der einzelnen Vertrauenswürdigkeitsdimensionen aufgefasst.

6 Quantitative Untersuchung

Im Rahmen der qualitativen Vorstudie wurden die drei Komponenten Kompetenz, Wohlwollen und Integrität mit den Subkategorien Aufrichtigkeit, Transparenz und Ethisches Wirtschaften als potentielle Dimensionen des Markenvertrauens identifiziert. Hierbei handelt es sich um das zentrale Phänomen der Studie, zu dem sich das individuelle Wertesystem bzw. der Grad der Internalisierung prosozialer Werte als intervenierende Bedingung abzeichnete. Diese Zusammenhänge sollten im Rahmen einer quantitativen Folgestudie überprüft werden.

6.1 Hypothesen

Um die Bedeutsamkeit der einzelnen Facetten der Vertrauenswürdigkeit zu ermitteln, wurden sie in dieser Studie statt als Komponenten vielmehr als Prädiktoren eines expliziten Vertrauenswürdigkeitsurteils abgefragt. Ein hoher Zusammenhang zwischen der direkten Bewertung und dem Urteil über die einzelnen Dimensionen sollte auf eine hohe Relevanz des jeweiligen Aspekts als Komponente der Vertrauenswürdigkeit hinweisen. Als relevanter Aspekt des Markenvertrauens wurde im Rahmen der Interviews häufig die Funktionalität der Markenartikel angesprochen, welche als Ausdruck der Kompetenz einer Marke aufgefasst wurde. Demnach wurde der Kompetenz ein Einfluss auf die Vertrauenswürdigkeit der Marke unterstellt:

H1: Je höher die Kompetenz der Marke, umso höher die ihr zugeschriebene Vertrauenswürdigkeit.

Neben der Kompetenz, beziehungsweise der Funktionalität, zeichnete sich in der qualitativen Erhebung ein positiver Zusammenhang zwischen den vermeintlichen Intentionen einer Marke gegenüber ihren Kunden und der, ihr attestierten, Vertrauenswürdigkeit ab. Daher wurde angenommen:

H2: Je höher das wahrgenommene Wohlwollen einer Marke, umso höher die ihr zugeschriebene Vertrauenswürdigkeit.

Auf Basis der qualitativen Erhebung wurden drei weitere Faktoren als Facetten der Vertrauenswürdigkeit identifiziert: Aufrichtigkeit, Transparenz und Ethisches Wirtschaften. Sie wurden zu der übergeordneten Kategorie Integrität zusammengefasst. Der vertrauensfördernde Einfluss der jeweiligen Dimensionen wurde über folgende Hypothesen formuliert:

H3: Je höher die wahrgenommene Aufrichtigkeit einer Marke, umso höher die ihr zugeschriebene Vertrauenswürdigkeit.

H4: Je höher die wahrgenommene Transparenz einer Marke, umso höher die ihr zugeschriebene Vertrauenswürdigkeit.

In Bezug auf das Ethische Wirtschaften einer Marke sollte ihr Verhalten gegenüber Mitarbeitern, Umwelt und Gesellschaft berücksichtigt werden. Daher wurden drei separate Hypothesen formuliert:

H5a: Je positiver das wahrgenommene Verhalten einer Marke gegenüber ihren Mitarbeitern, umso höher die ihr zugeschriebene Vertrauenswürdigkeit.

H5b: Je positiver das wahrgenommene Verhalten einer Marke gegenüber der Umwelt, umso höher die ihr zugeschriebene Vertrauenswürdigkeit.

H5c: Je höher das wahrgenommene gesellschaftliche Engagement einer Marke, umso höher die ihr zugeschriebene Vertrauenswürdigkeit.

Als intervenierende Bedingung galt es die Relevanz der Kategorie Internalisierung gesellschaftlicher Werte zu überprüfen, anhand derer sich die Konsumenten in die Gruppen homo sociologicus und homo oeconomicus klassifizieren lassen. Konkret sollte der Einfluss der Werteinternalisierung auf die Gewichtung des Ethischen Wirtschaftens als Komponente der Vertrauenswürdigkeit einer Marke ermittelt werden. Auf Basis der qualitativen Untersuchung und den vorherigen theoretischen Überlegungen wurde angenommen, dass Personen, welche den gesellschaftlichen Werten hohe Relevanz beimessen – und somit als homo sociologicus klassifiziert werden – größeres Vertrauen in Marken haben, die soziale und ökologische Verantwortung übernehmen. Demnach lauteten die entsprechenden Hypothesen:

H6a: Je stärker die Internalisierung gesellschaftlicher Normen durch die Konsumenten, umso stärker der Einfluss des wahrgenommenen Verhaltens einer Marke gegenüber ihren Mitarbeitern auf die ihr zugeschriebene Vertrauenswürdigkeit.

H6b: Je stärker die Internalisierung gesellschaftlicher Normen durch die Konsumenten, umso stärker der Einfluss des wahrgenommenen Verhaltens einer Marke gegenüber der Umwelt auf die ihr zugeschriebene Vertrauenswürdigkeit.

H6c: Je stärker die Internalisierung gesellschaftlicher Normen durch die Konsumenten, umso stärker der Einfluss des wahrgenommenen gesellschaftlichen Engagements einer Marke auf die ihr zugeschriebene Vertrauenswürdigkeit.

6.2 Datenerhebung

Die Daten der quantitativen Erhebung wurden über eine Online-Befragung generiert. Der Fragebogen begann mit Items zur Beurteilung von sechs ausgewählten Marken. Die Anzahl der Items sollte so gering wie möglich gehalten werden, um eine hohe Beendigungsquote zu erzielen. Daher wurden die entsprechenden Dimensionen mit jeweils einem Item abgefragt. Die Formulierung der Items fußt dabei auf den Aussagen der qualitativen Erhebung. Die Dimensionen der Vertrauenswürdigkeit sollten anhand einer sechs-stufigen Likert-Skala bewertet werden, bei welcher der Wert 1 „trifft überhaupt nicht zu“, der Wert 6 hingegen „trifft voll und ganz zu“ symbolisierte. Um zu verhindern, dass das Urteil in Bezug auf Dimensionen, zu denen eigentlich kein Wissen vorlag, durch die Bewertung anderer Dimensionen geprägt wurde, wurde als zusätzliche Option „weiß nicht“ in die Skala integriert. Dadurch sollte vor allem im Bereich Ethisches Wirtschaften einer Verzerrung vorgebeugt werden, da die qualitativen Ergebnisse auf eine erhöhte Unsicherheit in diesem Bereich hinwiesen. In Bezug auf die Erfassung der Internalisierung gesellschaftlicher Werte wurde eine eigene Skala entwickelt. Diese umfasste zum einen Items bezüglich der Relevanz eines normenorientierten Verhaltens durch die eigene Person oder andere Gesellschaftsmitglieder („Ich habe kein Verständnis dafür, dass sich jemand den Werten der Gesellschaft widersetzt, um sich dadurch einen persönlichen Vorteil zu verschaffen“), zum anderen Items zur Erhebung der Bedeutsamkeit eines prosozialen Verhaltens durch die Marke („Faire Produktionsbedingungen liegen mir besonders am Herzen“). Der Skala konnte ein hoher Reliabilitätswert nachgewiesen werden (Cronbach’s α = .81.). Des Weiteren zeigte sich bei allen Items eine mittlere bis hohe Trennschärfe.

Die aufgestellten Hypothesen wurden anhand von sechs Marken untersucht. Aufgrund des ermittelten Einflusses der Produktkategorie auf die Relevanz des Markenvertrauens fokussierte sich die quantitative Erhebung auf zwei Branchen, zu denen sich im Rahmen der qualitativen Vorstudie eine besonders hohe Bedeutung der Vertrauenswürdigkeit von Marken abzeichnete: Bekleidung und Lebensmittel. Aus dem Bereich Bekleidung wurden die Marken Kik und H&M in die Studie integriert, da beide Marken im Rahmen der qualitativen Erhebung als negative Beispiele angesprochen wurden. Demgegenüber wurde als dritter Anbieter von Bekleidung die Marke Tchibo in die Untersuchung aufgenommen. Die Marke Tchibo zählt zu den zehn größten deutschen Textileinzelhändlern (Textilwirtschaft, 2013), produziert Kleidung aus Biobaumwolle (Grüne Mode, 2013) und erhielt bereits mehrere Nachhaltigkeitspreise (Tchibo , o.J.). Aus dem Bereich Lebensmittel wurden die Marken Bionade, Red Bull und Nutella untersucht. Bionade stellt eine Marke dar, deren Positionierung klar auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist (Bionade, o.J.). Red Bull wird dagegen aufgrund seiner Zugehörigkeit zur der Produktkategorie der sogenannten Energydrinks mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko verbunden (Melville & Möckl, 2015). Ferner wurde Red Bull aufgrund von Marketingaktivitäten kritisiert, die bereits einige Menschen das Leben gekostet haben (Müller, 2013). Als dritte Marke wurde Nutella in die Studie integriert. Nutella gilt als Marke, die sich einer hohen Kundenloyalität erfreut (Wong, 2013). Aufgrund des belegten Zusammenhangs zwischen Markenloyalität und Markenvertrauen (Chaudhuri & Holbrook, 2001) stellt Nutella für die Messung der Vertrauenswürdigkeit eine interessante Marke dar.

Im Zeitraum vom 27.12.2014 bis zum 13.01.2015 griffen insgesamt 666 Personen auf den Fragebogen zu, den N= 415 beendeten. 70 Prozent der Probanden waren weiblich (n = 292), 29 Prozent männlich (n = 120). Drei Personen machten keine Angaben zu ihrem Geschlecht. Das Alter der Probanden variierte zwischen 18 und 64 Jahren (M = 24.31, SD = 7.93). Als höchsten Bildungsstand gaben ein Prozent (n = 3) einen Realschulabschluss, sechs Prozent (n = 26) das Fachabitur, 46 Prozent (n = 191) das Abitur und 45 Prozent (n = 2) einen Hochschulabschluss an. Unter den Probanden befand sich niemand mit Hauptschulabschluss oder ohne Schulabschluss. Zwei Personen verfügten über einen weiteren, nicht als Antwortoption vorgegeben, Bildungsabschluss, acht Personen machten keine Angaben zu ihrem Bildungsstand.

6.3 Ergebnisse

Die in Abbildung 2 zwei aufgeführten Werte verweisen auf eine besonders hohe Vertrauenswürdigkeit der Marken Tchibo (M = 4.37, SD = .99), Bionade (M = 4.36, SD = .94) und Nutella (M = 4.03, SD = 1.10), wohingegen der Marke Kik (M = 1.95, SD = .99) die mit Abstand geringste Vertrauenswürdigkeit zugeschrieben wurde. Auch Red Bull (M = 3.15, SD = 1.27), und H&M (M = 3.81, SD = 1.19), weisen eine vergleichsweise geringe Vertrauenswürdigkeit auf.

Abbildung 2: Vertrauenswürdigkeit der Marken

Die positive Gesamtbewertung der Vertrauenswürdigkeit der Marken Tchibo und Bionade spiegelt sich in der Ausprägung der einzelnen Facetten wider: So wurden beide Marken über sämtliche Kategorien durchweg positiv bewertet. Gleiches gilt auch für die Marke Nutella – mit Ausnahme des Aspekts gesellschaftliches Engagement. Während Tchibo als Marke, die (unter anderem) Kleidung anbietet, durchweg hohe Werte erhielt, fiel das Urteil über die beiden anderen Modemarken wesentlich schlechter aus. Eine positive Bewertung erfolgte bei H&M lediglich in Bezug auf die Dimension Kompetenz. Die entsprechenden Werte sind Tabelle 1 zu entnehmen.

Tabelle 1: Dimensionen der Vertrauenswürdigkeit der untersuchten Marken

Die sich qualitativ abzeichnende Unsicherheit bei der Beurteilung der einzelnen Facetten des Ethischen Wirtschaftens einer Marke zeigte sich auch in der quantitativen Untersuchung. Vor allem in Bezug auf das Verhalten einer Marke gegenüber Mitarbeitern konnten viele Probanden kein Urteil fällen und wählten die Antwortoption „weiß nicht“. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Verbraucher am ehesten in der Lage sind, Aussagen über das gesellschaftliche Engagement einer Marke zu treffen. Insgesamt war der Anteil der Konsumenten, welche die Bewertung des Ethischen Wirtschaftens einer Marke ablehnten, im Bereich Lebensmittel größer. Daraus lässt sich schließen, dass es den Verbrauchern bei Modemarken leichter erscheint, ein Urteil über die soziale und ökologische Verantwortung der Marke zu fällen. Als Ausnahme ist die Getränkemarke Red Bull zu nennen, zu der lediglich 13 Prozent der Konsumenten keine Angaben über das gesellschaftliche Engagement machen konnten. Die in Abbildung 3 aufgeführten Ergebnisse zeigen, dass die Konsumenten bei H&M am ehesten in der Lage sind, über die Produktionsbedingungen zu urteilen, bei Nutella am wenigsten.

Über eine multiple Regression wurde der Effekt der einzelnen Faktoren auf die einer Marke attestierte Vertrauenswürdigkeit untersucht. Der Einfluss der Kompetenz auf das Markenvertrauen konnte bei zwei der sechs untersuchten Marken nachgewiesen werden. So gilt Kompetenz bei den Marken Nutella, β = .23**, t(45) = 2.71, und H&M, β = .14**, t(155) = 2.69, als signifikanter Prädiktor der Vertrauenswürdigkeit. Das Modell sagt sowohl bei Nutella, Rkorr2= .80***, F(8, 45) = 27.89 als auch bei H&M, Rkorr2= .66***, F(8,155) = 39.97, einen signifikanten Anteil an der Varianz in den Werten der Vertrauenswürdigkeit vorher. Folglich gilt die erste Hypothese als teilweise bestätigt. Der Einfluss des Wohlwollens auf die wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit erwies sich bei den Marken Nutella, H&M und Tchibo als signifikant2. Die zweite Hypothese konnte daher ebenso zum Teil bestätigt werden. Die Aufrichtigkeit sagt bei der Marke Kik signifikant die Vertrauenswürdigkeit vorher. Demnach ließ sich die dritte Hypothese lediglich bei einer Marke und damit erneut teilweise bestätigen. Die Transparenz konnte bei insgesamt vier Marken als signifikanter Prädiktor der Vertrauenswürdigkeit ermittelt werden: Nutella, H&M, Bionade und Tchibo. Somit ließ sich auch Hypothese 4 zum Teil bestätigen. In Bezug auf den Einfluss des Ethischen Wirtschaftens auf die einer Marke attestierte Vertrauenswürdigkeit wurde das Verhalten gegenüber Mitarbeitern, der Umwelt und der Gesellschaft untersucht.

Abbildung 3: Anteil der Probanden mit mangelnden Kenntnissen in Bezug auf die einzelnen Dimensionen ethischen Wirtschaftens

Hierbei zeigte sich: Das vermeintliche Verhalten einer Marke gegenüber ihren Mitarbeitern und Lieferanten sagt bei den Marken Nutella, H&M, Kik und Red Bull signifikant die der Marke zugeschriebene Vertrauenswürdigkeit vorher. Damit handelt es sich bei Hypothese 5a erneut um eine Annahme, die zumindest zum Teil bestätigt werden konnte. Das wahrgenommene Verhalten einer Marke gegenüber der Umwelt wirkt sich lediglich bei zwei Marken auf das Urteil über ihre Vertrauenswürdigkeit aus. So gilt das vermeintliche Umweltbewusstsein bei den Marken Nutella und Bionade als signifikanter Prädiktor der Vertrauenswürdigkeit. Folglich konnte auch Hypothese 5b zum Teil bestätigt werden. Neben dem Verhalten gegenüber Mitarbeitern und Umwelt konnte auch für die dritte Komponente des Ethischen Wirtschaftens, das gesellschaftliche Engagement, ein positiver Einfluss auf die Vertrauenswürdigkeit nachgewiesen werden. Dies gilt für die Marken H&M, Bionade und Kik. Auch Hypothese 5c gilt folglich als teilweise bestätigt.

Ein Vergleich der unterschiedlichen Marken in Bezug auf signifikante Prädiktoren3 der Vertrauenswürdigkeit deutet auf eine markenspezifische Relevanz der einzelnen Facetten. Während die Transparenz bei den Marken Nutella, H&M, Bionade und Tchibo unter allen Dimensionen den größten Einfluss auf die der Marke zugeschriebene Vertrauenswürdigkeit hat, konnte ihr bei Kik und Red Bull kein signifikanter Effekt nachgewiesen werden. Das Wohlwollen hat bei der Marke Nutella den zweitgrößten Einfluss auf die vermeintliche Vertrauenswürdigkeit, spielt bei H&M im Vergleich zu anderen signifikanten Prädiktoren dagegen eine untergeordnete Rolle. Betrachtet man explizit die Relevanz des Ethischen Wirtschaftens als Dimension der Vertrauenswürdigkeit, so erwiesen sich bei vier von sechs Marken jeweils zwei der entsprechenden Kategorien als signifikante Prädiktoren des direkten Vertrauenswürdigkeitsurteils. Außer bei Tchibo konnte bei allen Marken mindestens einer Dimension des Ethischen Wirtschaftens ein signifikanter Einfluss auf die einer Marke zugeschriebenen Vertrauenswürdigkeit nachgewiesen werden. Vergleicht man die Produktkategorien Bekleidung und Lebensmittel, so lässt sich keine klare Tendenz in Bezug auf die Relevanz einzelner Dimensionen erkennen. Neben der Gewichtung variieren die untersuchten Marken auch in der Anzahl der signifikanten Dimensionen. Während bei H&M zu insgesamt sechs Aspekte als signifikante Prädiktoren identifiziert wurden, existiert bei Red Bull lediglich ein signifikanter Prädiktor der Vertrauenswürdigkeit, nämlich das Verhalten der Marke gegenüber ihren Mitarbeitern.

In Rahmen der quantitativen Untersuchung konnten alle qualitativ identifizierten Vertrauenswürdigkeitsdimensionen – zumindest für manche Marken – als signifikante Prädiktoren des expliziten Vertrauenswürdigkeitsurteils bestätigt werden. Ferner galt es die Internalisierung gesellschaftlicher Werte in ihrer Funktion als intervenierende Bedingung zu überprüfen. Aus statistischer Sicht sollte demnach der in Abbildung 4 dargestellte Moderatoreffekt der Verinnerlichung prosozialer Werte auf den Zusammenhang zwischen den einzelnen Vertrauenswürdigkeitsdimensionen und dem direkten Urteil über die Vertrauenswürdigkeit einer Marke untersucht werden. Dazu wurden die Werte in Bezug auf die einzelnen Dimensionen der Vertrauenswürdigkeit sowie bezüglich der Internalisierung gesellschaftlicher Werte zunächst zentriert. Die dabei generierten Variablen wurden zusammen mit ihrem Produkt, der Interaktion zwischen dem Verhalten einer Marke auf der untersuchten Vertrauenswürdigkeitsdimension, sowie der Relevanz sozialer Normen für die Konsumenten in ein Regressionsmodell aufgenommen. Über eine multiple Regressionsanalyse wurde in einem weiteren Schritt der Einfluss der drei Variablen auf die einer Marke attestierte Vertrauenswürdigkeit ermittelt.

Abbildung 4: Moderatoreffekt durch die Internalisierung prosozialer Werte  (homo oeconomicus vs. homo sociologicus).

Für den Zusammenhang zwischen dem Verhalten einer Marke gegenüber ihren Mitarbeitern und der ihr attestierten Vertrauenswürdigkeit konnte ein signifikanter Moderatoreffekt bei der Marke Bionade nachgewiesen werden. Tabelle 2 zeigt: Die Interaktion zwischen dem wahrgenommenen Verhalten von Bionade gegenüber den Mitarbeitern und der Internalisierung sozialer Werte durch die Konsumenten fungiert als signifikanter Prädiktor der Vertrauenswürdigkeit. Demnach konnte belegt werden: Je stärker die Internalisierung gesellschaftlicher Werte auf Seite der Konsumenten (SSSM- und SRSM-Typus), umso höher ist der Zusammenhang zwischen dem bei der Marke Bionade wahrgenommenen Verhalten gegenüber Mitarbeitern und der ihr zuge­schriebenen Vertrauenswürdigkeit. Hypothese 6a gilt folglich als teilweise bestätigt. Der ermittelte Moderatoreffekt wird in Abbildung 5 dargestellt.

Auch in Bezug auf das Verhalten gegenüber der Umwelt konnte ein Moderatoreffekt der Internalisierung gesellschaftlicher Normen nachgewiesen werden. Erneut trifft dies lediglich auf die Marke Bionade zu. Wie in Tabelle 3 ersichtlich, sagt die Interaktion zwischen der Internalisierung gesellschaftlicher Normen durch die Verbraucher und deren Wahrnehmung eines umweltfreundlichen Markenverhaltens bei Bionade signifikant die Vertrauenswürdigkeit der Marke vorher. Folglich gilt: Je stärker die Internalisierung gesellschaftlicher Werte auf Seite der Konsumenten (SSSM- und SRSM-Typus), umso höher ist der Zusammenhang zwischen dem bei der Marke Bionade wahrgenommenen Verhalten gegenüber der Umwelt und der ihr zugeschriebenen Vertrauenswürdigkeit. Da sich lediglich in Bezug auf eine Marke signifikante Ergebnisse finden ließen, gilt die Hypothese 6b ebenfalls als partiell bestätigt. Der für die Marke Bionade aufgedeckte Moderatoreffekt wird in Abbildung 6 grafisch abgebildet.

Auch in Bezug auf den Zusammenhang zwischen dem gesellschaftlichen Engagement einer Marke und der ihr zugeschriebenen Vertrauenswürdigkeit übt die Internalisierung gesellschaftlicher Werte durch die Verbraucher lediglich bei einer Marke einen moderierenden Effekt aus. Diesmal handelt es sich um die Marke Tchibo. Hier sagt die Interaktion zwischen der Internalisierung gesellschaftlicher Werte durch die Konsumenten und dem gesellschaftlichen Engagement der Marke signifikant die Vertrauenswürdigkeit vorher, was bedeutet: Je stärker die Internalisierung gesellschaftlicher Werte auf Seite der Konsumenten (SSSM- und SRSM-Typus), umso höher ist der Zusammenhang zwischen dem bei der Marke Tchibo wahrgenommenen gesellschaftlichen Engagement und der ihr zugeschriebenen Vertrauenswürdigkeit. Die entsprechenden Werte finden sich in Tabelle 4. Auch Hypothese 6c gilt damit als teilweise bestätigt. Der oben beschriebene Zusammenhang wird in Abbildung 7 veranschaulicht.

Tabelle 2: Interaktionseffekt zwischen dem wahrgenommeneVerhalten der Marke Bionade gegenüber ihren Mitarbeitern und dem Grad der Internalisierung prosozialer Werte durch die Konsumenten auf die der Marke zugeschriebene Vertrauenswürdigkeit

Tabelle 3: Interaktionseffekt zwischen dem wahrgenommenen Verhalten der Marke Bionade gegenüber der Umwelt und dem Grad der Internalisierung prosozialer Werte auf die der Marke zugeschriebene Vertrauenswürdigkeit

Tabelle 4: Interaktionseffekt zwischen dem wahrgenommenVerhalten der Marke Tchibo gegenüber der Gesellschaft und dem Grad der Internalisierung prosozialer Werte auf die der Marke zugeschriebene Vertrauenswürdigkeit

Abbildung 5: BIONADE: Moderatoreffekt der Internalisierung prosozialer Werte (homo oeconomicus vs. homo sociologicus) auf den Zusammenhang zwischen dem Verhalten ggü. Mitarbeitern und der einer Marke attestierten Vertrauenswürdigkeit.

Abbildung 6: BIONADE: Moderatoreffekt der Internalisierung prosozialer Werte (homo oeconomicus vs. homo sociologicus) auf den Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Marke ggü. der Umwelt und der ihr attestierten Vertrauenswürdigkeit.

Abbildung 7: TCHIBO: Moderatoreffekt der Internalisierung prosozialer Werte (homo oeconomicus vs. homo sociologicus) auf den Zusammenhang zwischen dem gesellschaftlichen Engagement einer Marke und der ihr attestierten Vertrauenswürdigkeit.

7 Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse

Marken können – genau wie menschliche Beziehungspartner – mit spezifischen Verhaltenserwartungen konfrontiert und dadurch zum Vertrauensnehmer werden. Vertrauen bezieht sich auf die subjektive Zuversicht der Konsumenten, dass Marken die an sie gerichteten Erwartungen erfüllen werden (Huber et al., 2006). Diese Sicherheit entsteht mit der wahrgenommenen Kompetenz sowie den vermeintlich positiven Intentionen der Marke. In Bezug auf die Markenabsichten konnte bereits belegt werden, dass hier nicht nur die Intentionen gegenüber den Konsumenten relevant sind, sondern auch die Absichten einer Marke und damit verbunden deren Verhalten gegenüber Dritten, wie zum Beispiel den Mitarbeitern oder der Gesellschaft (Hegner, 2012).

Im Rahmen einer qualitativen Untersuchung wurden drei Kategorien als relevante Dimensionen der Vertrauenswürdigkeit erschlossen: Kompetenz, Wohlwollen und Integrität. Kompetenz bezieht sich dabei auf die Fähigkeit der Marke, funktionierende Produkte herzustellen, Wohlwollen auf die Absichten der Marke gegenüber ihren Konsumenten und die Integrität auf allgemeine Prinzipien der Marke. Der Integrität wurden im Rahmen dieser Arbeit die Aspekte Aufrichtigkeit, Transparenz und Ethisches Wirtschaften zugeordnet.

Die qualitativ identifizierten Dimensionen der Vertrauenswürdigkeit wurden quantitativ validiert. In Bezug auf die Dimension Ethisches Wirtschaften wurden die drei Facetten Mitarbeiter, Gesellschaft und Umwelt analysiert. Es konnte schließlich belegt werden, dass alle quantitativ untersuchten Dimensionen signifikant das direkte Urteil über die Vertrauenswürdigkeit vorhersagen. Dennoch lassen sich keine pauschalen Aussagen treffen, da die jeweiligen Dimensionen nicht bei allen Marken als relevante Prädiktoren nachgewiesen werden konnten. Stattdessen waren die Ergebnisse sehr markenspezifisch: Bei Nutella und H&M sagen insgesamt sechs Dimensionen signifikant die Vertrauenswürdigkeit vorher, bei Red Bull dagegen nur das Verhalten der Marke gegenüber ihren Mitarbeitern.

Die Ergebnisse der qualitativen Studie deuten an, dass die Relevanz der einzelnen Vertrauenswürdigkeitskomponenten an die Zugänglichkeit entsprechender Informationen gebunden ist. Dies gilt besonders für den Bereich Ethisches Wirtschaften. Die quantitativ ermittelten Daten belegen, dass nachhaltiges Wirtschaften für den Aufbau von Markenvertrauen zwar einen bedeutsamen Aspekt darstellt, eine entsprechende Beurteilung der Marken allerdings durch große Unsicherheit gekennzeichnet ist. Dies entspricht den Ergebnissen einer Trendstudie der Otto Group (2011), welche auf die Überforderung der Verbraucher in Bezug auf die Auswahl ethischer Produkte hinweist. In diesem Zusammenhang wird die hohe Bedeutung der Transparenz angesprochen (Otto Group, 2011). Auch im Rahmen dieser Studie konnte die Transparenz als signifikanter Prädiktor der Vertrauenswürdigkeit identifiziert werden und das bei bei vier von sechs Marken. Bei allen vier Marken wurde ihr dabei der stärkste Einfluss auf die Vertrauenswürdigkeit zugeschrieben.

Als interpersoneller Einflussfaktor auf die Gewichtung der Vertrauenswürdigkeits-Facetten wurde die Internalisierung sozialer Werte ermittelt. Während manche Gesprächsteilnehmer im Rahmen der qualitativen Erhebung dem Ethischen Wirtschaften einer Marke die höchste Priorität in Bezug auf die mit ihr attribuierte Vertrauenswürdigkeit beimaßen, stellte die Dimension für andere Probanden eine eher untergeordnete beziehungsweise unwesentliche Kategorie dar. Diesbezüglich wurde die Relevanz der Wertekongruenz angesprochen. Personen, die gesellschaftlichen Normen eine hohe Relevanz zuschrieben, wurden – im Anschluss an die soziologische Typologie – als homo sociologicus (SSSM- und SRSM-Typus) bezeichnet, wohingegen Personen, bei denen eher die eigenen Bedürfnisse im Zentrum des Interesses stehen, vielmehr Charakteristika des homo oeconomicus (GURSM-Typus) aufweisen. Beim homo sociologicus wurde zuvor schon auf die dominante Normenorientierung des SRSM-Typus sowie auf die situative Normeninterpretation des SSSM-Typus hingewiesen.

Der Zusammenhang zwischen der Internalisierung gesellschaftlicher Werte und der Relevanz der einzelnen Dimensionen des Ethischen Wirtschaftens konnte quantitativ bestätigt werden. Allerdings lassen sich auch hier keine pauschalen Aussagen treffen, da die Bedeutung des Ethischen Wirtschaftens der Marke gegenüber Mitarbeitern und Umwelt lediglich bei Bionade, die Bedeutung des gesellschaftlichen Engagements dagegen ausschließlich bei Tchibo mit einer steigenden Ausrichtung an sozialen Normen zunimmt. Obwohl für das gesellschaftliche Engagement von Tchibo für die im Rahmen der multiplen Regression untersuchte Teilstichprobe – die sich sowohl aus Probanden der Gruppe homo sociologicus (SRSM & SSSM), als auch aus Studienteilnehmern der Gruppe homo oeconomicus (GURM) zusammensetzte – insgesamt kein signifikanter Einfluss auf die der Marke attestierte Vertrauenswürdigkeit nachgewiesen wurde, konnte belegt werden, dass die Relevanz der Kategorie mit zunehmender Internalisierung gesellschaftlicher Normen steigt. Gleiches gilt in Bezug auf die Marke Bionade und das Verhalten gegenüber ihren Mitarbeitern.

Bei Bionade und Tchibo handelt es sich um die beiden Marken, denen insgesamt die höchste Vertrauenswürdigkeit zugeschrieben wurde und die auf den entsprechenden Dimensionen besonders positiv bewertet wurden. So ist davon auszugehen,, dass vor allem bei Marken mit besonders vorbildlichem bzw. prosozialem Verhalten die Dimension Ethisches Wirtschaften bei solchen Personen einen stärkere Vertrauenswirkung hat, die Merkmale des normenorientierten SRSM-Typus aufweisen. Die Ergebnisse der qualitativen Vorstudie weisen darauf hin, dass Marken, die diesbezüglich eher negativ aufgefallen sind, vielmehr mit Konsequenzen für das persönliche Wohlbefinden der Verbraucher verbunden werden. So ließe sich erklären, warum bei Marken, die in Bezug auf ihr Verhalten gegenüber Mitarbeitern, Lieferanten oder Umwelt in Kritik geraten sind, das Urteil über die jeweiligen Dimensionen bei beiden Konsumententypen einen entsprechend negativen Effekt auf die der Marke attestierte Vertrauenswürdigkeit hat.

Bei H&M zeichnete sich während der Interviews auch eine Begründung für die Ablehnung einer vereinfachenden Reduktion auf die Typologie des homo oeconomicus und homo sociologicus ab: Eine Interviewpartnerin, die zuvor explizit die Bedeutsamkeit der Produktionsbedingungen für ihr Vertrauen in eine Marke betonte, deutete an, bei H&M bewusst Informationen über einen ethisch fragwürdigen Herstellungsprozess auszublenden. Hier erweist sich das Kaufverhalten als inkonsistent zur ihrer Haltung bezüglich der Relevanz sozialer und ökologischer Verantwortung. Eine mögliche Begründung hierfür ist die situative, markenbezogene Interpretation der symbolischen Bedeutung dieser Marke für die Probandin – was diese als SSSM-Typus ausweisen würde. Nach der klassischen Theorie der kognitiven Dissonanz von Leon Festinger (1978) blendet dieser SSSM-Typus unpassende Informationen bei der Symbolinterpretation aus: Dissonanzen werden als unangenehm empfunden und wollen reduziert werden, was bewussten Vermeidung von Informationen, welche diese Dissonanz bekräftigen würden, führt. Für den SRSM-Typus wäre die Orientierung an der normenverletzenden Information in hohem Maße bedeutsam, für den GURM-Typus hingegen irrelevant.

8 Kritische Würdigung der Ergebnisse

Bei der Bewertung der quantitativen Ergebnisse der Studie gilt es zu berücksichtigen, dass sich die Stichprobe zu 70 Prozent aus weiblichen Teilnehmerinnen zusammensetzte. Ferner verfügen 97 Prozent der Befragten mindestens über die Fachhochschulreife. Über eine Replikation der Studie mit einer breiteren Stichprobe ließen sich in Bezug auf die untersuchten Zusammenhänge repräsentativere Ergebnisse erzielen. Ferner ist zu beachten, dass die im Rahmen dieser Studie getroffenen Aussagen lediglich für die sechs untersuchten Marken gelten. Den qualitativ identifizierten Dimensionen konnte zwar eine generelle Bedeutung in Bezug auf die Vertrauenswürdigkeit von Marken nachgewiesen werden, allerdings lässt die hohe Varianz der Ergebnisse zwischen den einzelnen Marken keine Schlussfolgerungen für nicht untersuchte Marken zu. Auch die Tatsache, dass die Marken nur zwei Produktbereiche abdecken und zudem lediglich einen Teilbereich der jeweiligen Produktkategorie darstellen, verbietet verallgemeinernde Schlussfolgerungen.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass in die multiple Regressionsanalyse ausschließlich solche Probanden integriert wurden, die alle Dimensionen bewerteten. Studienteilnehmer, die zu einem der untersuchten Aspekte keine Angaben machten oder die Option „weiß nicht“ wählten, wurden bei der Auswertung nicht weiter berücksichtigt. So wurde alleine aufgrund der fehlenden Aussagen im Bereich Ethisches Wirtschaften bei vier von sechs Marken über die Hälfte der Probanden aus der Analyse der Relevanz der einzelnen Vertrauenswürdigkeitsfacetten ausgeschlossen. Geht man davon aus, dass bei Studienteilnehmern, die nicht in der Lage sind, ein klares Urteil über eine spezifische Dimension zu fällen, andere Aspekte für das Markenvertrauen wichtiger sind, so ist die Bedeutung der sozialen und ökologischen Verantwortung für das Markenvertrauen weiterhin zu relativieren. Die Aufnahme der Kategorie „weiß nicht“ als zusätzliche Antwortoption lässt sich dadurch rechtfertigen, dass sie ein willkürliches Antwortverhalten und eine Verzerrung der Ergebnisse durch die Orientierung an der Bewertung anderer Aspekte verhindern sollte. Außerdem konnte auf diese Weise die qualitativ angedeutete Unsicherheit in Bezug auf die Dimensionen der sozialen und ökologischen Verantwortung einer Marke bestätigt werden. Als weiteren Aspekt der kritischen Würdigung ist die Operationalisierung der einzelnen Dimensionen anzusprechen. Aufgrund der Tatsache, dass insgesamt sechs Marken in die Umfrage integriert wurden, wurden die Probanden sechsmal hintereinander mit den gleichen Items zur Markenbewertung konfrontiert. Um die Abbruchquote möglichst gering zu halten, fand die Operationalisierung der entsprechenden Dimensionen dabei durch nur jeweils ein Item statt. Allerdings orientierte sich die Entwicklung der Items, welche die zentralen Aussagen der Interviews abbilden, an der qualitativen Untersuchung.

9 Ausblick

Bei der quantitativen Erhebung stellte die Internalisierung gesellschaftlicher Werte schließlich das einzige interpersonell variierende Merkmal dar, das auf seine vertrauensfördernde Wirkung untersucht wurde. Im Rahmen dieser Arbeit erfolgte eine Gleichsetzung gesellschaftlicher mit prosozialen Werten. So wurde unterschieden, ob sich die Studienteilnehmer eher auf die eigenen Bedürfnisse fokussieren und dabei potentielle Konsequenzen für andere Gesellschaftsmitglieder außer Acht lassen, oder ob ihnen das Wohlergehen anderer wichtig ist. Die qualitativen Daten legen die Vermutung nahe, dass der Einfluss der Internalisierung sozialer Werte auf die Bedeutsamkeit des Ethischen Wirtschaftens für das Markenvertrauen immer relativ, das heißt in Abhängigkeit weiterer Werte, zu verstehen ist. Vor diesem Hintergrund wären eine Integration der Erfassung des Wertesystems der Probanden, sowie die Ermittlung der konkreten Position prosozialer Werte in diesem Wertesystem, in das vorgestellte Studienmodell aufschlussreich. So hat sich während der qualitativen Erhebung bereits ein Einfluss des Wertes Ästhetik abgezeichnet, welcher die Relevanz prosozialer Werte für die Bedeutsamkeit des Ethischen Wirtschaftens zu relativieren scheint.

Ein weiterer Ansatz für zukünftige Studien könnte die Erforschung des Glaubens an eine gerechte Welt als möglicher Einflussfaktor auf die Beziehung zwischen Ethischem Wirtschaften und der einer Marke attestieren Vertrauenswürdigkeit darstellen. Es wurde bereits aufgezeigt, dass der Glaube an eine gerechte Welt zu einer verzerrten Wahrnehmung von Ungerechtigkeit führen kann: Diese wird entweder ignoriert (Furnham& Procter, 1989, zitiert nach Christandl, 2013) oder als Konsequenz des Verhaltens der Opfer aufgefasst, wodurch die Ursache der Ungerechtigkeit den Opfern selbst zugeschrieben wird (De Judicibus& McCabe, 2001, zitiert nach Christandl, 2013). Übertragen auf die vorliegende Studie ergibt sich die Annahme, dass die Relevanz Ethischen Wirtschaftens auf das Markenvertrauen mit einem starken Glauben an eine gerechte Welt sinkt, da ethisch fragwürdige Produktionsbedingungen entweder ausgeblendet werden oder deren Ursache bei den Betroffenen gesucht wird.

In Bezug auf das Konstrukt Gerechtigkeit ist noch ein weiterer Untersuchungsansatz denkbar: Jacob, Christandl und Fetchenhauer (2011) belegten eine engstirnige Haltung zum Thema Fairness: Als fair gilt vor allem das, was der eigenen Nation und den eigenen Mitbürgern zugutekommt. Übertragen auf den Einfluss Ethischen Wirtschaftens auf das Vertrauen könnte diesbezüglich untersucht werden, ob ethisch fragwürdiges Verhalten einer Marke gegenüber ihren Mitarbeitern in dem eigenen Land das Vertrauen stärker schwächt, als die erlebte Ungerechtigkeit gegenüber Mitarbeitern im Ausland.

Für die Unternehmenskommunikation könnten weitere Untersuchungen in diesem Bereich aufzeigen, welcher Typus von Rezipienten auf bestimmte Botschaften in bestimmten Produktbereichen mit Vertrauensbildung reagiert beziehungsweise keine Reaktion entwickelt. Unklar ist hierbei zunächst, ob eine Zuordnung der soziologischen Typen SRSM, SSSM und GURM als dominante, habitualisierte Eigenschaften von Personen zu betrachten sind oder ob die Zuordnungen der Normen- und Nutzenorientierung der Konsumenten situativ und kontextuell variabel ist. Galt die Nutzenorientierung des Menschen im Sinne eines homo oeconomicus bis vor einigen Jahren vielen Autoren als anthropologische Konstante in allen Lebensbereichen, beispielsweise für George C. Homans (Homans, 1973) oder Gery Becker (Becker, 2014), so sehen aktuelle Vertreter des Utilitarismus die Nutzenorientierung als „Theoriekonstrukt“ für rationale Entscheidungsmodelle in spezifischen Dilemmasituationen (Homann, 2014). Für die Beantwortung der Frage „Wer vertraut warum welcher Marke?“ wird der soziologische Typus des symbolisch kommunizierenden, situationsorientierten und strategisch agierenden Akteurs (SSSM-Typus) zum Ausgangspunkt der Konsumentenforschung. Für ein besseres Verständnis der Beziehung zwischen Marke und Konsument hinsichtlich der Möglichkeit einer Vertrauensbildung müssten folglich die symbolische Bedeutung der Marke, die Entscheidungssituation und die mit der Marke verknüpfte Zielausrichtung intensiver untersuchen werden.

In der Verknüpfung dieser wirtschaftspsychologischen und soziologischen Fragestellung als ontogenetisches Problem der Konsumenten- und Markenforschung bleiben viele grundlegende Fragen noch offen. Daher halten die Autoren dieser Studie eine weiterführende interdisziplinäre Forschung in der Verbindung von soziologischen und psychologischen Erkenntnissen und Modellen für eine effektive, wirksame Unternehmenskommunikation von Marken für relevant.


1Sofern nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird, bezieht sich der Ausdruck „Konsumenten“ in der vorliegenden Arbeit nicht auf die spezifischen Konsumenten einer konkreten Marke, sondern vielmehr auf die Gruppe der Verbraucher im Allgemeinen.

2Die detaillierten Ergebnisse zur Prüfung der Hypothesen 1-5 sind Tab. 5 im Anhang zu entnehmen.

3Signifikante Prädiktoren haben mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit < 5% einen Einfluss auf die einer Marke attestierte Vertrauenswürdigkeit

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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Jan Rommerskirchen
Hochschule Fresenius
Im MediaPark 4c
D-50670 Köln
DEUTSCHLAND
rommerskirchen@hs-fresenius.de

Anhang 1

Ergebniswerte zur Überprüfung der Hypothesen 1-5

abelle 5: Zusammenfassung der linearen Regressionen zur Vorhersage Vertrauenswürdigkeit -Ergebnisse der Hypothesenprüfung H1 – H5

Anhang 2

Interviewleitfaden der qualitativen Erhebung

Im Folgenden werden ausgewählte Fragen in Bezug auf das Phänomen Vertrauenswürdigkeit sowie die intervenierenden Bedingungen aufgeführt

1. Markenvertrauen – allgemein

Können Sie mir eine Marke nennen, der Sie besonders vertrauen?

Wenn Sie diese Marke mit drei Adjektiven beschreiben müssten, welche wären das?

Fallen Ihnen weitere wichtige Eigenschaften zu der Marke ein?

Warum genau haben Sie das Gefühl, dieser Marke vertrauen zu können?

Gibt es auch eine Marke, der Sie besonders wenig vertrauen?

Wenn Sie diese Marke mit drei Adjektiven beschreiben müssten, welche wären das?

Erinnern Sie sich an eine Situation, in der Sie besonders schnell Vertrauen zu einer Marke gefunden haben? Wie war das für Sie?

Und wann welche Marke hat Sie persönlich besonders enttäuscht? Was genau ist da passiert?

Stellen Sie sich vor, es kommt eine neue Marke auf den Markt. Wie müsste diese Marke sein, bzw. wie müsste sich diese Marke verhalten, damit Sie ihr vertrauen würden?

2. Vertrauen zu ausgewählten Marken

Ich werde Ihnen nun verschiedene Marken zeigen – Präsentation von Markenlogos

(Alnatura, Nivea, RedBull, Absolut, Facebook, H&M, Primark, Ja!, Vodafone).

Welchen beiden Marken vertrauen Sie am meisten und warum? Und welchen Marken vertrauen Sie am wenigsten? Warum?

3. Markenvertrauen durch ethisches Wirtschaften

Ich stelle Ihnen nun 3 hypothetische Marken vor, die sich alle auf die gleiche Produktkategorie beziehen. Sie sollen mir bitte anschließend sagen, welcher Marke Sie am ehesten vertrauen würden.

  • Marke A: Diese Marke hat den Ruf ihre Produkte auch in der Qualität zu liefern, die sie verspricht. Allerdings erwarten Sie in der Servicehotline lange Warteschleifen und unfreundliche Mitarbeiter, die sich wenig kulant gegenüber Kundeninteressen und Sonderwünschen zeigen.
  • Marke B: Diese Marke hat vor kurzem zu einem ihrer Produkte eine große Rückrufaktion gestartet. Das Produkt hatte einen Defekt und hätte somit eventuell der Gesundheit der Nutzer schaden können. In der Servicehotline antworten Mitarbeiter, die freundlich und geduldig alle Fragen der Kunden beantworten und sie ehrlich und ausführlich über den Vorfall aufklären.
  • Marke C: Diese Marke steht für Produkte von verlässlicher Qualität. Die Mitarbeiter der Servicehotline reagieren freundlich und zuvorkommend. Allerdings ist die Marke vor kurzem aufgrund eines Umweltskandals in die Schlagzeilen gekommen. Ferner kursieren seit längerem Gerüchte, dass Mitarbeiter und Lieferanten ausgebeutet werden.

Welcher Marke würden Sie am ehesten vertrauen, welcher am wenigsten? Warum?

Wie wichtig ist es für Sie, dass eine Marke ethisch und nachhaltig wirtschaftet?

Ich nenne Ihnen nun drei Eigenschaften einer Marke:

  • Die Marke steht für zuverlässige Qualität und erfüllt stets ihre Versprechen.
  • Die Marke handelt stets im Interesse ihrer Kunden und handelt auch bei unvorhergesehenen Problemen primär zugunsten deren Wohlbefinden.
  • Die Marke steht für nachhaltiges Wirtschaften. Sie produziert umweltschonend und behandelt ihre Lieferanten und Mitarbeiter stets fair.

Was glauben Sie, in welcher Rangordnung tragen diese Eigenschaften dazu bei, einer Marke zu vertrauen?

Gibt es darunter vielleicht sogar ein Merkmal, das überhaupt keine Relevanz für das Vertrauen in eine Marke hat?

Fallen Ihnen vielleicht noch anderen Eigenschaften ein, die eine Marke haben sollte, damit man ihr vertrauen kann?

Items der qualitativen Erhebung:

Ethisches Wirtschaften (Mitarbeiter):

Marke XY behandelt seine Mitarbeiter und Lieferanten stets fair.

Ethisches Wirtschaften (Umwelt):

Die Umwelt ist der Marke XY gleichgültig.*

Ethisches Wirtschaften (Gesellschaft):

Die Marke XY verbinde ich mit gesellschaftlichem Engagement.

Wohlwollen:

Marke XY denkt nur an den eigenen Profit, das Wohlergehen der Kunden ist XY dabei gleichgültig.*

Transparenz:

Marke XY stellt alle wichtigen Informationen zur Verfügung.

Aufrichtigkeit:

Ich habe Zweifel an der Aufrichtigkeit von Marke XY.*

Kompetenz:

Bei Marke XY weiß ich, dass das Produkt seinen Zweck erfüllt.

Vertrauenswürdigkeit:

Die Marke XY halte ich für vertrauenswürdig.

Items zur Erfassung der Internalisierung sozialer Normen:

1) prosoziales Verhalten durch die eigene Person:

  • Ich bin bereit, manchmal gegen Regeln zu verstoßen, um meine Ziele zu erreichen.*
  • Ich habe kein Verständnis dafür, dass sich jemand den Werten der Gesellschaft widersetzt, um sich dadurch einen persönlichen Vorteil zu verschaffen.
  • Für mich ist es selbstverständlich, gesellschaftlichen Werten zu folgen, da sie dem Wohlergehen aller dienen.
    Regeln, die keine Sanktionen nach sich ziehen, müssen nicht unbedingt befolgt werden. *

2) Bedeutsamkeit der Einhaltung ethischer Prinzipien durch Marken (ethischer Konsum)

  • Für mich ist es wichtig, dass Marken ressourcenschonend produzieren.
  • Bei Marken achte ich in erster Linie auf das Design: Wenn mich eine Marke durch ihr Design überzeugt, sind mir die Produktionsbedingungen gleichgültig.*
  • Bei Marken, die Produkte von hervorragender Qualität anbieten, sind mir die Produktionsbedingungen egal.*
  • Solange die Marke meine Bedürfnisse befriedigt, spielt es für mich keine Rolle, wie sie mit ihren Mitarbeitern umgeht.*
  • Faire Produktionsbedingungen liegen mir besonders am Herzen.

* Items wurden umkodiert

Sichtung von Bewerbungsunterlagen – Sind Hinweise auf die Leitung von Jugendfreizeitreisen ein sinnvolles Auswahlkriterium?

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1 Einführung

Die Sichtung von Bewerbungsunterlagen stellt in nahezu jedem Personalauswahlverfahren den ersten Schritt zur Besetzung einer vakanten Stelle dar (Schuler, Hell, Trapmann, Schaar & Boramir, 2007). Insofern kommt der Sichtung der Bewerbungsunterlagen eine zentrale Bedeutung für das gesamte weitere Auswahlverfahren – bestehend aus Testdiagnostik, Interview oder Assessment Center (Kanning, 2004; Schuler, 2014a) – zu. Werden in dieser ersten Bewertungsstufe ungeeignete Kandidaten fälschlicherweise als geeignet eingeschätzt (Fehler der ersten Art), so kann dies durch die nachfolgenden diagnostischen Verfahren korrigiert werden. Für den umgekehrten Fall – geeignete Kandidaten werden aufgrund der Bewerbungsunterlagen als ungeeignet eingestuft (Fehler der zweiten Art) – gilt dies nicht, da die Bewerber keiner eingehenden Untersuchung mehr unterzogen werden (Kanning, in Druck a).

Die Bewerbungsunterlagen liefern zahlreiche Informationen, die potentiell valide sein könnten. Ob sie tatsächlich valide im Sinne einer kriterienbezogenen oder gar einer prognostischen Validität sind, ist meist unklar, da bislang nur wenige Studien vorliegen (s.u.). Eine kriterienbezogene Validität ist gegeben, wenn eine Information aus den Bewerbungsunterlagen einen signifikanten Zusammenhang zu berufsrelevanten Persönlichkeitsmerkmalen oder Kompetenzen aufweisen. Die prognostische Validität bezieht sich auf die anspruchsvollere Frage, inwieweit mit diesen Informationen berufliche Leistung über die Zeit hinweg vorhergesagt werden kann (vgl. Kanning, 2004; Schuler, 2014a). Zu den potentiell validen Informationen der Bewerbungsunterlagen zählt die formale Gestaltung (Formatierung, Tippfehler, Lichtbild etc.), das Anschreiben, der Lebenslauf, die Schul- und Ausbildungszeugnisse sowie Arbeitszeugnisse von früheren Arbeitgebern (Kanning, in Druck a). Studien, die sich mit der Frage beschäftigen, welche Kriterien in der Praxis ein besonderes Gewicht erhalten, zeigen, dass formalen Kriterien wie Tippfehlern oder der Übersichtlichkeit des Lebenslaufes eine sehr große Bedeutung zukommt (Cole, Rubin, Feild und Giles, 2007; Kanning, 2014; Machwirth, Schuler & Moser, 1996; Weuster, 2008), obwohl deren Validität entweder niemals untersucht wurde (z. B. Tippfehler, Flecken, Formatierung des Lebenslaufes) oder sie eher im Sinne eines Halo-Effektes zu einer verzerrten Urteilsbildung führen (z. B. Schuler & Berger, 1979; Watkins & Johnston, 2001; zusammenfassend: Kanning, 2015). Kanning (2014) konnte in einer Befragung von 244 Personalern feststellen, dass berufsbezogene biographische Informationen – wie etwa die Berufserfahrung – von fast ebenso vielen Unternehmen zur Vorauswahl der Kandidaten herangezogen werden (91 %) wie Tippfehler (88 %) oder eine übersichtliche Darstellung des Lebenslaufes (86 %).

Jenseits der explizit berufsbezogenen biographischen Fakten (Berufsausbildung, Weiterbildung, Berufserfahrung etc.), deren Validität z. T. mehrfach belegt werden konnte (z. B. Schmidt & Hunter, 1998; Quinones, Ford und Teachout, 1995), enthalten die Bewerbungsunterlagen auch allgemeine biographische Fakten wie etwa Lücken im Lebenslauf oder Freizeitaktivitäten, deren diagnostische Aussagekraft oftmals fragwürdig ist (Schuler, 2014b, Kanning in Druck b). Die einzige publizierte Studie, in der die Validität von Lücken im Lebenslauf untersucht wurde (Frank & Kanning, 2014), kommt zu einem ernüchternden Fazit. Für sich allein genommen korreliert die Dauer von Lebenslauflücken nur sehr geringfügig mit berufsrelevanten Persönlichkeitsmerkmalen wie Extraversion, Gewissenhaftigkeit, Leistungsmotivation, Selbstkontrolle oder Zielorientierung (r = -.09 bis r = -.15). Nur wenn bestimmte Gründe für das Auftreten der Lücken bekannt sind – insbesondere eine abgebrochene Berufsausbildung – ergeben sich vereinzelt Zusammenhänge, denen auch eine praktische Relevanz zugeschrieben werden kann. Kanning und Kappelhoff (2012) konnten zeigen, dass sportliche Freizeitaktivitäten, insbesondere das Betreiben von Mannschaftsportarten, entgegen den Annahmen der Ratgeberliteratur kein verlässlicher Indikator sozialer Kompetenzen sind. Anders sieht dies beim sozialen Engagement aus (z. B. Lodi-Smith & Roberts, 2007). Kanning und Woike (2015) finden positive Zusammenhänge zwischen der Intensität des sozialen Engagements und grundlegenden sozialen Kompetenzen in den Bereichen soziale Orientierung und Offensivität.

Ziel der vorliegenden Studie ist es, die Validität des Freizeitverhaltens als potentiell geeignetes Kriterium zur Sichtung von Bewerbungsunterlagen zu ergründen. Sehr viele Unternehmen interessieren sich für das Freizeitverhalten ihrer Bewerber. Nach eigenen Angaben beziehen 27 % der Unternehmen die Hobbys, und fast 41 % Hinweise auf ehrenamtliches Engagement in ihre Auswahlentscheidung mit ein (Kanning, in Druck a). Dabei wird die Leitung von Jugendfreizeiten, genauer gesagt die Leitung von Reisen mit Kindern und Jugendlichen, in den Fokus gestellt. Die Wahl fiel auf diese Gruppe, da die Erstautorin selbst in diesem Bereich tätig war. Überprüft wird die (innere) kriterienbezogene Validität in Hinblick auf die „Big Five“ (Borkenau & Ostendorf, 2008). Wir haben uns für die „Big Five“ als Validierungskriterium entschieden, da es sich hierbei um sehr grundlegende Persönlichkeitsmerkmale handelt, deren Relevanz für den beruflichen Erfolg mehrfach belegt werden konnte (Barrick, Mount & Judge, 2001; Judge, Bono, Illies & Gerhardt, 2002). Sollte sich zeigen, dass die Leitung von Jugendfreizeiten mit systematisch höheren oder niedrigeren Werten in den „Big Five“ einhergehen, so wäre dies ein Hinweis darauf, dass die Leitungen von Jugendfreizeiten in Auswahlverfahren, in denen entsprechende Persönlichkeitsmerkmale von Bedeutung sind, als Indikator für eben jene Persönlichkeitsmerkmale und damit als legitimes Auswahlkriterium dienen können.

2 Leitung von Jugendfreizeitreisen

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass das Tätigkeitsprofil eines Reiseleiters in Abhängigkeit vom Reiseveranstalter stark variiert. Differenziert wird zwischen begleiteten und betreuten Reisen. Bei den begleiteten Jugendreisen liegt der Betreuungsschlüssel meist bei einem Reiseleiter auf 50 Teilnehmer. Der Reiseleiter agiert hier hauptsächlich als Informationsvermittler. Bei den betreuten Reisen fällt ein Reiseleiter auf zehn bis 25 Teilnehmer. Hier ist das erklärte Ziel, dass der Reiseleiter neben der Bewältigung aller organisatorischen Aufgaben einen freundschaftlichen und engen Kontakt zu seinen Teilnehmern pflegt (Edlinger, 2012). Um für den Marktführer auf dem Gebiet der betreuten Jugendreisen tätig zu werden, müssen alle Bewerber ein mehrtägiges Ausbildungsseminar durchlaufen. Inhalte dieses Seminares sind z. B. das Jugendschutzgesetz, Reiserecht, Rhetorik, Animation und Reiseorganisation (Edlinger, 2012). Während des Einsatzes wird die Betreuung von Seiten des Reiseleiters rund um die Uhr und für alle denkbaren Situationen gewährleistet. So besteht die Funktion des Reiseleiters nicht nur darin, wichtige Informationen zu vermitteln, sondern auch darin, aktiv an der Programmgestaltung und -ausführung teilzunehmen. Die Betreuung muss dabei jederzeit auf das Alter der Teilnehmer abgestimmt sein. Zusätzlich muss ein Reiseleiter über weitere Qualifikationen wie z. B. einen großen Erste-Hilfe-Schein und den Rettungsschwimmer verfügen (Korbus & Schmidt-Schönefeld, 2013). In Anbetracht dieser Tätigkeitsbeschreibung ist damit zu rechnen, dass Betreuer von Jugendfreizeitreisen im Mittelwert über besonders ausgeprägte Persönlichkeitsmerkmale verfügen. Dies kann zum einen damit begründet werden, dass sich Menschen mit bestimmten Persönlichkeitseigenschaften mit höherer Wahrscheinlichkeit für eine solche Tätigkeit interessieren (Selektionshypothese, Kanning & Woike, 2014) und/oder durch die Tätigkeit als Reiseleiter die Ausbildung bestimmter Persönlichkeitsmerkmale gefördert wird (Sozialisationshypothese, Kanning & Woike, 2014).

3 Hypothesen

In der vorliegenden Studie wird die Ausprägung der sog. „Big Five“ (Borkenau & Ostendorf, 2008) fokussiert. Personen, die sich für die Aufgaben einer Reiseleitung interessieren bzw. dauerhaft als Reiseleiter agieren, sollten über geringe Werte im Bereich Neurotizismus verfügen. Menschen, die besonders impulsiv sind, sich Kritik besonders zu Herzen nehmen oder starke Stimmungsschwankungen aufweisen, dürften in stärkeren Maße negative Erfahrungen beim Leiten einer Gruppe von Jugendlichen machen, als Menschen, für die dies nicht gilt. Bezogen auf die übrigen Dimensionen der „Big Five“ – Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit – dürfte es sich genau entgegengesetzt verhalten. Wer mit Leichtigkeit Kontakt zu fremden Menschen knüpfen kann, offen für neue Erfahrungen ist, erfolgreich mit anderen Menschen interagieren kann und noch dazu Verlässlichkeit ausstrahlt, ist gewissermaßen prädestiniert für das Leiten von Jugendfreizeitreisen und sollte in der Interaktion mit Jugendlichen deutlich mehr positive Erfahrungen sammeln als Menschen, die eine geringe Ausprägung der vier Persönlichkeitsmerkmale aufweisen. Positive Erfahrungen (z. B. aufgrund einer hohen Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit) sollten wiederum dazu beitragen, dass man auch dauerhaft als Reiseleiter agiert, während negative Erfahrungen (z. B. aufgrund eines stark ausgeprägten Neurotizismus’) das Gegenteil bewirken sollten. Bislang existieren weder Theorien bezüglich der Persönlichkeit von Reiseleiter, noch einschlägige Forschung. Vor dem Hintergrund unserer Überlegungen werden die folgenden vier Hypothesen aufgestellt:

Hypothese 1: Im Vergleich zu einer repräsentativen Bevölkerungsnorm weisen Reiseleiter signifikant niedrigere Werte im Neurotizismus auf.

Hypothese 2: Im Vergleich zu einer repräsentativen Bevölkerungsnorm weisen Reiseleiter signifikant höhere Werte in Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit auf.

Hypothese 3: Zunehmende Erfahrung als Reiseleiter geht mit signifikant niedrigeren Werten im Neurotizismus einher.

Hypothese 4: Zunehmende Erfahrung als Reiseleiter geht mit signifikant höheren Werten in Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit einher.

4 Methode

4.1 Messinstrument

Zum Einsatz kam ein Online-Fragebogen, der sich in drei Bereiche gliederte. Im ersten Bereich wurden die sog. „Big Five“ mit dem NEO-FFI (Borkenau & Ostendorf, 2008) erfasst. Der NEO-FFI beinhaltet 60 Items, von denen sich jeweils 12 auf die Messung der Persönlichkeitsmerkmale Neurotizismus, Extraversion, Offenheit, Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit beziehen (Skala von 1 = starke Ablehnung bis 5 = starke Zustimmung). Die innere Konsistenz bewegt sich zwischen .72 und .87, die Retest-Reliabilität zwischen .65 und .81 (Borkenau & Ostendorf, 2008). Dem NEO-FFI liegt eine bevölkerungsrepräsentative Quotenstichprobe zur Normierung zugrunde (N = 871 Personen). Im zweiten Teil des Fragebogens mussten die Probanden eine Skala zur Erfassung des sozial erwünschten Antwortverhaltens ausfüllen (IGIP+; Kanning, in Vorbereitung). Das IGIP+ steht in der Tradition klassischer „Lügen-Skalen“ (z. B. Edwards, 1957). Den Probanden werden Extremaussagen zur Beschreibung der eigenen Person vorgelegt (z. B. „Ich sage stets die Wahrheit.“), die sie auf einer Ja/Nein-Skala bearbeiten müssen. Ja-Antworten werden dabei als Ausdruck sozial erwünschter Selbstdarstellung gewertet. Das IGIP+ ist eine Weiterentwicklung des IGIP (Kanning, 2011), bei der der Sinn der Skala durch Füllitems verschleiert wird. Das IGIP+ weist eine innere Konsistenz von .73 auf (Kanning, in Vorb.). Im dritten Teil des Fragebogens wurden Daten zur allgemeinen (Alter der Probanden in Jahren, Geschlecht) sowie zur spezifischen Demographie (Erfahrungen als Reiseleiter: Anzahl der Einsätze insgesamt, Anzahl der bislang als Reiseleiter eingesetzten Wochen) erhoben. Zusätzlich wurde erfasst, wie lange der letzte Einsatz zurück lag, um ggf. später Personen aus der Studie ausschließen zu können, die schon seit vielen Jahren nicht mehr als Reiseleiter tätig waren.

4.2 Datenerhebung

Die Datenerhebung erfolgte in Form eines Online-Fragebogens über das Befragungsportal „Limesurvey“. Der Link zum Fragenbogen wurde zum einen über das soziale Netzwerk „Facebook“, zum anderen über zwei Veranstalter von Reisefreizeiten für Jugendliche verschickt. Der erste Veranstalter setzte den Link auf seine Internetseite, der zweite verschickte den Link an die bei ihm registrierten Reiseleiter. Die Befragung lief freiwillig und anonym ab. Es wurde keine Aufwandsentschädigung gezahlt.

4.3 Stichprobe

An der Studie beteiligten sich insgesamt 358 Personen im Alter zwischen 18 und 52 Jahren (M = 22.79, SD = 4.27). 64 % von ihnen waren weiblich, 36 % männlich. Die Häufigkeit ihres Einsatzes als Reiseleiter bewegte sich zwischen 1-16 Mal (M = 5.15, SD = 4.69). Bezogen auf die Gesamtdauer aller Einsätze ergab sich eine Spannweite von 1-360 Wochen (M = 19.87, SD = 34.23). Der letzte Einsatz als Reiseleiter lag zwischen 2006 und 2014, wobei 83 % der Stichprobe im Jahr 2014 ihren letzten Einsatz hatten.

5 Ergebnisse

Zunächst wurde die Reliabilität der verwendeten Skalen überprüft. Die innere Konsistenz entspricht im Wesentlichen den Angaben der Testautoren: Neurotizismus = .83; Extraversion = .78; Offenheit = .73; Verträglichkeit = .74, Gewissenhaftigkeit = .85; IGIP+ = .72. Alle Werte bewegen sich auf einem hinreichenden Niveau.

Zur Überprüfung der Hypothesen 1 und 2 wurde in einem ersten Schritt untersucht, ob die untersuchten Reiseleiter im Vergleich zur Normstichprobe des NEO-FFI signifikant unterschiedliche Mittelwerte aufweisen, also ob die Mittelwerte in den fünf Skalen des NEO-FFI signifikant von den Mittelwerten der Population (T = 50) abweichen. Zunächst wurden die Rohwerte der Stichprobe auf der Grundlage der Normdaten des NEO-FFI in T-Werte transformiert. Zur Absicherung gegen sozial erwünschtes Antwortverhalten wurden anschließend alle Probanden aus der Stichprobe entfernt, die im IGIP+ fünf oder mehr unglaubwürdige Antworten gegeben haben. Dies entsprach nach der Normierung des IGIP+ (Kanning, in Vorb.) einem Prozentrang von 90. Es verblieben 236 Personen in der Stichprobe. Der Vergleich zwischen den Ergebnissen aus unserer Stichprobe und der Normstichprobe des NEO-FFI erfolgte über t-Tests bei einer Stichprobe. In allen fünf Persönlichkeitsskalen ergab sich eine signifikante Abweichung vom T-Wert 50 (Tab. 1, Spalte 2). Im Einzelnen bedeutete dies, dass die untersuchten Reiseleiter signifikant weniger neurotisch und offen, wohl aber signifikant extravertierter, gewissenhafter und verträglicher waren als der Durchschnitt der Normierungsstichprobe des NEO-FFI. Ein potentielles Problem der Interpretation dieser Befunde liegt darin, dass der Einfluss demographischer Merkmale die Mittelwerte verzerrt haben könnten. Aus diesem Grund wurde in einem zweiten Schritt der Einfluss beider Variablen untersucht. Bezogen auf das Alter wurden Korrelationen nach Pearson zwischen dem Alter der Probanden und der Ausprägung der fünf Persönlichkeitsmerkmale berechnet. In zwei Fällen ergaben sich geringfügige Zusammenhänge (vgl. Tab. 2, Spalte 2). Demnach fielen mit zunehmendem Alter der Neurotizismus sowie die Verträglichkeit geringer aus. Die Varianzaufklärung betrug jedoch nur 2.96 und 3.35 %. Zur Analyse etwaiger Effekte des Geschlechts kam eine multivariate, unifaktorielle Varianzanalyse zum Einsatz, bei der das Geschlecht die unabhängige Variable und die fünf Skalen des NEO-FFI die abhängigen Variablen repräsentierten. Es ergab sich ein multivariater Haupteffekt (F = 8.97, df = 5/230; p < .001). Auf univariater Ebene wurden zwei Effekte signifikant. Demnach wiesen Frauen höhere Werte im Neurotizismus (MFrauen = 47.68, SD = 9.39; MMänner = 44.44, SD = 9.69; p <. 05) sowie in der Verträglichkeit auf (MFrauen = 57.55, SD = 10.74; MMänner = 49.50, SD = 10.25; p <. 05; vgl. Tab. 2).
Da sich auf zwei Dimensionen signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern ergaben, wurden der soeben berechnete Vergleich zwischen den Mittelwerten der Reiseleiter und den Mittelwerten der Normierungsstichprobe des NEO-FFI nun getrennt für weibliche und männliche Probanden durchgeführt (t-Test für eine Stichprobe, Vergleichswert T = 50). Für weibliche Probanden konnten in allen Persönlichkeitsmerkmalen signifikante Unterschiede festgestellt werden (vgl. Tab. 1, Spalte 3). Reiseleiterinnen erwiesen sich als weniger neurotisch und offen, aber extravertierter, gewissenhafter und verträglicher im Vergleich zum Durchschnitt der Normierungsstichprobe des NEO-FFI. Bei männlichen Reiseleitern ergaben sich nur zwei signifikante Effekte (vgl. Tab. 1, Spalte 4). Reiseleiter erwiesen sich im Vergleich zur Normstichprobe des NEO-FFI als weniger neurotisch, aber stärker extravertiert. Hypothese 1 konnte somit sowohl für weibliche als auch für männliche Reiseleiter bestätigt werden. Reiseleiter weisen signifikant niedrigere Werte im Neurotizismus auf. Hypothese 2 konnte nur eingeschränkt Bestätigung finden. Bei weiblichen Reiseleitern ergaben sich erwartungsgemäß höhere Werte für Extraversion, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit. Die signifikant niedrigeren Werte in der Dimension Offenheit widersprachen den Erwartungen. Bei männlichen Reiseleitern zeigten sich erwartungsgemäß höhere Werte bei der Extraversion, während sich bei den übrigen Persönlichkeitsmerkmalen keine signifikanten Unterschiede zur Normstichprobe belegen ließen.

Hypothese 3 konnte im Hinblick auf beide Operationalisierungen der Erfahrung bestätigt werden (vgl. Tab. 3). Zunehmende Erfahrung als Reiseleiter ging mit signifikant niedrigeren Werten im Neurotizismus einher (-.17 für die Häufigkeit des Einsatzes; -.15 für den Umfang alles Einsätze in Wochen). Die Effekte fielen absolut gesehen jedoch gering aus.

Tabelle 1: Vergleich der Ergebnisse von Reiseleitern mit denen der Normstichprobe des NEO-FFI (Borkenau & Ostendorf, 2008)

Tabelle 2: Einfluss demographischer Daten

Tabelle 3: Zusammenhang zwischen der Erfahrung als Reiseleiter und der Ausprägung grundlegen der Persönlichkeitsmerkmale

Hypothese 4 konnte mit einer Ausnahme nicht bestätigt werden. Die Ausnahme bestand darin, dass mit zunehmender Einsatzdauer in Wochen eine höhere Gewissenhaftigkeit verbunden war (.13; vgl. Tab. 3). Entgegen den Erwartungen korrelierte die Erfahrung jedoch negativ mit der Verträglichkeit (-.14 für die Häufigkeit des Einsatzes; -.16 für den Umfang aller Einsätze in Wochen). Zu den übrigen Persönlichkeitsmerkmalen ließen sich keine signifikanten Zusammenhänge belegen.

6 Diskussion

Die Ergebnisse bestätigen die aufgestellten Hypothesen nur teilweise. Sowohl für weibliche als auch für männliche Reiseleiter konnten im Vergleich zur Normstichprobe des NEO-FFI (Borkenau & Ostendorf, 2008) signifikant niedrigere Werte auf der Skala Neurotizismus gefunden werden (Bestätigung Hypothese 1). Reiseleiter sind somit emotional stabiler als die Normstichprobe, was im Detail bedeutet, dass Reiseleiter weniger nervös, ängstlich, verlegen und unsicher sind (Borkenau & Ostendorf, 2008). Zudem korreliert das Ausmaß der Erfahrung negativ mit der Ausprägung des Neurotizismus’ (Bestätigung Hypothese 3). Mit Blick auf die Tätigkeitsbeschreibung eines Reiseleiters, welcher für die Sicherheit und das Wohlbefinden der Teilnehmer sorgen soll, erscheint vor allem das Merkmal der Emotionalen Stabilität als Schlüsselkompetenz. Die hohe Ausprägung dieses Merkmals in der Stichprobe der Reiseleiter lässt sich zum einen durch einen Selektionsprozess erklären. Viele Reiseleiter durchlaufen vor Beginn der Tätigkeit ein vom Reiseveranstalter durchgeführtes Auswahl- und Ausbildungsseminar. Sollten sich Bewerber hier als emotional labil erweisen, kann die Ausübung der Tätigkeit untersagt werden. Der negative Zusammenhang zwischen der Erfahrung der Reiseleiter und dem Merkmal Neurotizismus lässt überdies vermuten, dass die reine Ausübung der Tätigkeit im Laufe der Zeit die emotionale Stärke positiv beeinflusst.

Bei den übrigen Persönlichkeitsmerkmalen ergab sich eine heterogene Befundlage. Übereinstimmend mit Hypothese 2 weisen sowohl Frauen als auch Männer signifikant erhöhte Werte bei der Extraversion auf. Der Unterschied zur Normstichprobe beträgt etwa 11 T-Werte, also mehr als eine Standardabweichung. Das Ausmaß der Extraversion steht jedoch in keinem linearen Zusammenhang zur Erfahrung als Reiseleiter. Dennoch lässt sich aus diesen Ergebnissen schließen, dass auch das Merkmal Extraversion, also das Maß an Geselligkeit, Optimismus, Aktivität und Selbstsicherheit (Borkenau & Ostendorf, 2008), wichtige Persönlichkeitsmerkmale eines Reiseleiters sind, was in Anbetracht der Tätigkeitsbeschreibung nicht verwunderlich ist. Die Tatsache, dass zwischen der Erfahrung der Reiseleiter und dem Merkmal Extraversion kein linearer Zusammenhang besteht, könnte darauf hindeuten, dass bereits zu Beginn der Tätigkeit eine sehr hohe Ausprägung vorliegt, die durch die Ausübung der Tätigkeit nicht nennenswert gesteigert werden kann.

In Bezug auf die Offenheit konnte weder Hypothese 2 noch Hypothese 4 bestätig werden. Bei männlichen Reiseleitern konnte kein signifikanter Unterschied zur Normstichprobe gefunden werden, für Frauen ergab sich sogar ein signifikant niedrigerer Wert im Vergleich zur Normstichprobe. Das Ausmaß der Erfahrungen korrelierte nicht mit dem Grad der gemessenen Offenheit, also dem Maß an Experimentierfreudigkeit, Kreativität und Wissbegierde (Borkenau & Ostendorf, 2008). Möglicherweise sind für die Tätigkeit als Reiseleiter vor allem Persönlichkeitsmerkmale bedeutsam, die sich auf den direkten Umgang mit anderen Menschen beziehen. Da sich das Merkmal Offenheit eher auf das eigene Wissen, die eigenen Interessen und die eigenen Fähigkeiten bezieht und nicht zwangsläufig auf zwischenmenschliche Aspekte, könnte dies ein Grund sein, weshalb sich Reiseleiter im genannten Merkmal nicht signifikant von der Normstichprobe unterscheiden und auch die Erfahrung der Reiseleiter nicht mit Offenheit im Zusammenhang steht.

Ähnlich heterogen erscheinen die Befunde zum Persönlichkeitsmerkmal der Verträglichkeit. Zwar sind weibliche Reiseleiter erwartungsgemäß signifikant verträglicher als die Normstichprobe, nicht aber männliche Reiseleiter. Das Ausmaß der Erfahrung steht im Widerspruch zu Hypothese 4 in einem negativen Zusammenhang zur Verträglichkeit.

Auch bei der Gewissenhaftigkeit kann Hypothese 2 nur für weibliche Reiseleiter bestätigt werden. Allerdings finden sich Hinweise, dass das Ausmaß der Gewissenhaftigkeit positiv mit dem Ausmaß der Erfahrung (gemessen in Wochen) zusammenhängt. Hinter diesem Zusammenhang lässt sich ein Selektionsprozess vermuten. Da Gewissenhaftigkeit, also das Maß an Pünktlichkeit, Fleiß, Ehrgeiz, Ausdauer und Willensstärke (Borkenau & Ostendorf, 2008) vermutlich wichtige Eigenschaften eines Reiseleiters sind, setzen sich im Laufe der Zeit nur diejenigen durch, die die entsprechenden Eigenschaften aufweisen.

Die Interpretation der vorliegenden Daten ist insofern eingeschränkt, als dass hier keine repräsentative Stichprobe aus allen Reiseleitern gezogen wurde. Zukünftige Studien könnten hier Abhilfe schaffen und darüber hinaus weitere Moderatorvariablen identifizieren, die Licht in das komplexe Geflecht aus Persönlichkeitsvariablen und Freizeitverhalten bringen könnten. Ganz grundsätzlich ist hier festzustellen, dass die Erforschung der Validität allgemeiner biographischer Fakten noch in den allerersten Anfängen steckt, obwohl derartige Informationen in der Praxis alltäglich zur Vorauswahl von Bewerbern herangezogen werden.

Obwohl nicht alle Hypothesen durchgängig Bestätigung finden konnten, weisen die Befunde durchaus eine praktische Relevanz für die Sichtung der Bewerbungsunterlagen auf. Erstmals konnte empirisch belegt werden, dass es sinnvoll sein kann, die Aktivität als Leiter von Kinder und Jugendreisen als Kriterium zur Vorauswahl der Bewerber heranzuziehen. Dabei sind jedoch folgende Punkte zu beachten:

  1. Auch wenn die Abweichungen zur Normstichprobe signifikant werden, so erreichen sie jedoch nicht immer eine beachtliche Größenordnung. Eine Ausnahme ist die Extraversion, bei der die Werte der Reiseleiter mehr als eine Standardabweichung über dem Mittelwert der Normstichprobe liegen. Bei weiblichen Reiseleitern ist darüber hinaus die Verträglichkeit zu nennen. Hier beträgt der Unterschied zur Normstichprobe fast acht T-Wertpunkte, also mehr als dreiviertel Standardabweichungen.
  2. Die Tatsache, dass ein Bewerber Reisefreizeiten geleitet hat, ist für die Vorauswahl der Kandidaten allerdings nur dann bedeutsam, wenn die Persönlichkeitsmerkmale Extraversion oder Verträglichkeit für den Erfolg der ausgeschriebenen Stelle eine Bedeutung haben. Die Verantwortlichen dürfen bei der Festlegung der Auswahlkriterien also den Anforderungsbezug der Kriterien nicht aus dem Blick verlieren (Kanning, in Druck a, 2015).
  3. Das Ausmaß der Erfahrungen als Reiseleiter sollte bei der Sichtung der Bewerbungsunterlagen keine Rolle spielen, wenn es um die Einschätzung der „Big Five“ geht. Sofern sich in der vorliegenden Studie signifikante Zusammenhänge zur Erfahrung finden ließen, bewegen sie sich durchweg auf einem sehr niedrigen Niveau (1.7 – 2.9 % Varianzaufklärung).

Die hier vorgeschlagene, zurückhaltende Interpretation entsprechender Freizeitaktivitäten der Bewerber soll dazu beitragen, den Fehler zweiter Art bei der Sichtung der Bewerbungsunterlagen zu reduzieren. Da die fehlerhafte Ablehnung geeigneter Kandidaten in der Phase der Vorauswahl später nicht mehr korrigiert werden kann, empfiehlt sich grundsätzlich eine eher liberale Haltung bei der Sichtung von Bewerbungsunterlagen. Man sollte lieber „eine Person zu viel“ zu tiefergehenden Untersuchungen einladen, als frühzeitig durch einer allzu strenge Vorauswahl gute Kandidaten zurückzuweisen. Große Bewerberstichproben lassen sich sinnvoller mit validen Onlinetests auf ein praktisch zu bewältigendes Maß reduzieren als durch eine strenge Sichtung der Bewerbungsunterlagen, die leider viel zu oft auf Kriterien mit ungewisser Validität basiert (Kanning, in Druck a).

7 Literaturverzeichnis

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Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. phil. habil. Uwe P. Kanning
Hochschule Osnabrück
Caprivistraße 30a
49076, Osnabrück
DEUTSCHLAND
U.Kanning@hs-osnabrueck.de


Auswirkungen von Industrie 4.0 auf menschliche Arbeit und Arbeitsorganisation

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Dieser Artikel gibt einen Überblick zum aktuellen Forschungsstand über die Auswirkungen von Industrie 4.0 und Cyber-physikalischen Systemen auf die menschliche Arbeit und die Arbeitsorganisation. Er präsentiert im Rahmen eines Literatur-Reviews eine Zusammenfassung der Resultate verschiedener internationaler Forschungsstudien und –initiativen und ergänzt deren Forschungsergebnisse durch eine zusätzliche nicht-repräsentative Expertenbefragung. Die Ergebnisse zeigen übereinstimmend, dass Industrie 4.0 zu einem substanziellen Rückgang bei standardisierten niedrigqualifizierten und zu einem Anstieg bei höher qualifizierten Tätigkeiten wie Planung, Kontrolle oder IT-basierte Programmiertätigkeiten führen wird. Die Mehrheit der Forscher erwartet außerdem eine steigende Komplexität in vielen Arbeitsprofilen in Kombination mit einer wachsenden Notwendigkeit für bereichsübergreifende Tätigkeiten sowie unternehmensübergreifende Partner-Netzwerke. Sie projizieren darüber hinaus eine zunehmende Bedeutung des kontinuierlichen bzw. lebenslangen Lernens und der damit verbundenen Trainings- und Ausbildungsmaßnahmen, um die Mitarbeiter zukünftig in die Lage zu versetzen, sich an die durch industrie 4.0-basierte Technologien hervorgerufenen veränderten Qualifikationserfordernisse anzupassen. Als Konsequenz solcher Entwicklungen schlagen einige Forscher eine Transformation des Steuer-Systems weg von der zur Zeit noch fokussierten Besteuerung der Arbeit vor.

Schlüsselwörter: Industrie 4.0, cyber-physikalische Systeme, Internet der Dinge, Digitalisierung, Change Management, Unternehmenskooperation, Stellenprofile

Match me if you can: Eine explorative Studie zur Beschreibung der Nutzung von Tinder

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1 Partnersuche via Tinder?

Die Expansion des Internets hat einen Einfluss darauf, wie zwischenmenschliche Beziehungen aufgebaut und gepflegt werden. So hat sich auch die Partnersuche über das Internet seit einigen Jahren etabliert. Neben klassischen Online-Datingportalen und Partnervermittlungen im Internet stehen nun auch Mobile-Dating-Apps wie Tinder zur Verfügung, die hohe Verbreitungsraten verzeichnen. Schätzungen zufolge nutzen derzeit weltweit 30 Millionen Menschen Tinder; in Deutschland sind es rund zwei Millionen, und täglich kommen etwa 8000 neue Nutzer dazu (Bömelburg, 2015). Um diese Popularität erklären zu können, sind zunächst funktionale Aspekte von Tinder zu betrachten.

1.1 Funktionale Aspekte von Tinder

Zur Nutzung von Tinder bedarf es lediglich eines Smartphones mit Internetzugang sowie eines Facebookprofils (Plöger, 2014). Sodann kann die App innerhalb weniger Sekunden heruntergeladen werden. Das Tinder-Profil erstellt die App automatisch. Es werden Bilder, der Vorname, das Alter, die Freundesliste und „Gefällt-Mir“-Angaben aus dem Facebook-Profil des Nutzers in das digitale Tinder-Profil übertragen. Nachträglich können Bilder aus anderen Netzwerken wie zum Beispiel Instagram hinzugefügt und die eigene Person beschrieben werden (Plöger, 2014). Abschließend wählt der Nutzer aus, was er sucht: Männer, Frauen oder beides, das gewünschte Alter (zwischen 18 und 50 Jahren) sowie die maximale Entfernung (zwei bis 160 km), in der Tinder mit Hilfe von GPS nach potentiellen Partnern suchen soll (Bömelburg, 2015). Sodann werden zahlreiche Kandidaten entsprechend der Suchkriterien mit Foto, Vornamen und Alter präsentiert (Plöger, 2014); gegebenenfalls auch „Gefällt-Mir“-Angaben, gemeinsame Interessen und gemeinsame Freunde auf Facebook (Ayoub, 2015).

Gefällt dem Nutzer das angezeigte digitale Profil eines Kandidaten, wischt („swipe“) er das Bild nach rechts („hot“); anderenfalls wischt er das Bild nach links („not“) (Bömelburg, 2015). Sofern sich zwei Personen gegenseitig als anziehend bewerten, kommt es zum sogenannten „Match“ (Plöger, 2014). Die App zeigt dann an: „It’s a Match. You and … have liked each other.“ Erst dann wird eine Chatfunktion geöffnet, und es besteht die Möglichkeit des textbasierten Austauschs. Hat der Nutzer eine Person einmal nach links gewischt, wird diese nicht mehr angezeigt; gefällt dem Gegenüber das Bild des Nutzers nicht, ist eine Kontaktaufnahme ebenfalls nicht möglich (Bömelburg, 2015; Plöger, 2014). Die Nutzung von Tinder in der Standardversion ist kostenlos. Wird die kostenpflichtige Premium Version Tinder-Plus gekauft, erhält der User einige Zusatzfunktionen wie die Möglichkeit, nach Partnern auf der ganzen Welt zu suchen oder die Nutzung des „Undo- Buttons“, mit dem Entscheidungen rückgängig gemacht werden können (Ayoub, 2015).

Die Vorteile der Partnersuche via Tinder liegen vor allem in kontextuellen Besonderheiten sowie einer ökonomischen Nutzung mit geringem Aufwand. Diese werden deutlich, wenn man die Tindernutzung mit der Partnersuche im nichtmedialen Kontext sowie mit herkömmlichen Online-Dating-Angeboten vergleicht. Im Unterschied zur Partnersuche im nichtmedialen Kontext zeichnen sich Online-Dating-Plattformen und Mobile-Dating-Apps wie Tinder durch die folgenden Merkmale aus: (1) Unabhängig­keit von Raum und Zeit: Tinder und Onlinedating funktionieren prinzipiell rund um die Uhr und überall dort, wo ein Zugang zum Internet besteht; (2) Heterogenität der Nutzerpopulation: Personen mit unterschiedlichen soziodemographischen und soziokulturellen Hintergründen können leicht in Kontakt treten; (3) Grö­ßere Anzahl potenzieller Partner: Im Vergleich zu der zahlenmäßigen Be­schränkung von Kontaktmöglichkeiten im Alltag kann bei Tinder und bei Online-Datingplattformen auf eine überwältigende Nutzerzahl zugegriffen werden. (4) Anonymität der Situation und der Akteure: Tinder- und Da­tingnutzer können entscheiden, welche Details sie über sich in der internetba­sierten Interaktion preisgeben und wie sie sich darstellen möchten. Die wahre Identität bleibt zunächst geschützt. Ebenfalls fallen durch die computervermittelte Kommuni­kation paraverbale und nonverbale Signale weg, was die Anonymität der Situation und die psychologische Distanz zwischen den Akteuren er­höht. Das Internet, und so auch Tinder, bildet daher ein Umfeld, welches die Anbahnung interpersonaler Beziehungen erleichtert (vgl. Aretz, Demuth, Schmidt & Vierlein, 2012; McKenna & Bargh, 2000; Skopek, Schulz & Blossfeld, 2009). Im Vergleich zu Online-Dating-Plattformen zeichnet sich Tinder zudem durch weitere spezifische Merkmale aus: (5) Einfachheit und Schnelligkeit der Anmeldung: Tinder ist ein niederschwelliges Medium und funktioniert binnen Sekunden nach der Anmeldung. Eine Nutzung ist ohne längere Vorbereitung, ohne das aktive Anlegen eines Profils oder Steckbriefs, ohne das Laden von Fotos, ohne das Beantworten von Fragen zur eigenen Person oder das Ausfüllen eines psychologischen Tests möglich. (6) Minimalistische Benutzeroberfläche, die eine leichte Nutzung und eine schnelle Eindrucksbildung auf Basis weniger Hinweisreize möglich macht. Bei Online-Dating bestehen die Profile meist aus einer Vielzahl von Informationen, was einerseits eine differenzierte Eindrucksbildung erlaubt, anderseits aber mit einer Zeitinvestition verbunden ist und dies zudem die Spontanität der Kontaktanbahnung reduzieren kann. (7) Unverfänglichkeit des Settings: Das „Wischen“ von Fotos geht sehr schnell und hat zunächst einen spielerischen Charakter; der Nutzer weiß zu diesem Zeitpunkt noch nicht, ob die Attraktivitätsbekundung erwidert wird, es zum Match kommt und ein Austausch möglich wird. Zudem sind alle „Swipes“ anonym, so dass eine Person, deren Foto präsentiert wird, niemals erfahren wird, ob und ggf. wie viele Tindernutzer das eigene Bild als weniger attraktiv beurteilt haben. Bei Onlinedating hingegen ist der erste Schritt der Kontaktaufnahme aufwändiger und verbindlicher, er wird in der Regel durch eine Textnachricht initiiert (Proaktivität). Der Empfänger der Nachricht weiß dann, wer – und in welcher Form – Interesse an seiner Person bekundet. (8) Wechselseitige Attraktivitätsbekundung ist bei Tinder eine Voraussetzung für die weitere Kommunikation. Dies gibt den Akteuren zunächst eine gewisse Sicherheit in der Initiierung der Kommunikation und kann mit positiven Gefühlen einhergehen, denn bei Tinder erlangen sie zunächst nur positives Feedback zur eigenen Person und dadurch ein hohes Ausmaß an Bestätigung. Beim Online-Dating hingegen besteht während der Kontaktanbahnung gemeinhin Unsicherheit darüber, ob sich die Akteure beidseitig als attraktiv oder sympathisch beurteilen. (9) Infinite Scroll/Swipe: Während bei herkömmlichen Onlinedating-Plattformen potenzielle Kandidaten gesamthaft auf einer Website angezeigt werden und sich der Betrachter so einen Überblick über die Anzahl der vorgeschlagenen Kandidaten machen kann, werden die Fotos bei Tinder in einer scheinbaren Endlosschleife nacheinander angezeigt. Dies führt zunächst dazu, dass die Anzahl der dargebotenen Kandidaten schwieriger abzuschätzen ist und tendenziell überschätzt wird. Diese subjektiv empfundene größere Auswahl bei Tinder macht die App für Nutzer grundsätzlich attraktiver (vgl. Iyengar & Lepper, 2000). Zusätzlich erzeugt die Unvorhersagbarkeit der präsentierten Fotos Spannung und Neugierde, denn es besteht Unklarheit darüber, wer als nächstes und wie viele Kandidaten insgesamt angezeigt werden, was insgesamt mit einer intensiveren Nutzungsdauer (Häufigkeit und Dauer) einhergehen sollte.

1.2 Image von Tinder und Stand der Forschung

Die Popularität und Beliebtheit von Tinder führte gerade im letzten Jahr zu einem erhöhten journalistischen Interesse. Wie bei allen neuen Formen des Online-Datings wird das Phänomen Tinder in den Medien eher kritisch betrachtet. Einer der größten Kritikpunkte ist, dass Tinder ein oberflächliches und unverbindliches Medium sei und insgesamt zur Oberflächlichkeit ermutige. Die Grundlage für diese Annahme liegt in der Funktionsweise von Tinder. Die Kontaktanbahnung erfolgt zunächst fast ausschließlich über die Beurteilung von Fotos und die Bestätigung der virtuellen Anziehungskraft. Dies führe zur gezielten „Egoschmeichelei“ (Ott, 2015, o.S.) oder zum „(…) beauty contest plus massaging (huffington post, 2013, o.S.). Durch den spielerischen Aufbau der App und das schnelle Wischen werde Tinder von den Nutzern mehr als Spiel gesehen (huffington post, 2013) und weniger als Dating-App. Der unverfängliche und spielerische Charakter der App könne gar zu süchtigem Verhalten führen: „Swiping can be fun, even addictive“ (Ansari & Klinenberg, 2015, o.S.). Ebenfalls gelte Tinder als „geniale Sexsuchmaschine“ (Bömelburg, 2015, S. 63), da ein Großteil der Nutzer sexuelle Absichten hege und dies zur „Erwartungssicherheit“ der Akteure führe. Bereits im Vorfeld sei klar, dass der Andere ähnliche Absichten hege (Bömelburg, 2015).

Empirische Befunde zu Tinder sind bislang sehr spärlich und stammen allesamt aus dem angloamerikanischen Raum. Einige Befunde weisen darauf hin, dass Tinder hauptsächlich von jungen Probanden genutzt wird; je nach Studie im Alter von 18-24 (James, 2015) oder 16-34 (Mander, 2015). Ein Großteil der Tindernutzer befindet sich in einer Beziehung. In einer Studie von Mander (2015) sind über 45% der Probanden liiert; laut einer Studie von Globalwebindex (2015) sind 42% der Tindernutzer bereits in einer festen Partnerschaft. Tinder scheint hauptsächlich zum Spaß genutzt zu werden und um neue Menschen kennenzulernen (James, 2015). Männer geben zudem häufiger an, Tinder aus der Intention heraus zu nutzen, Sex mit Frauen zu haben (Braziel, 2015; James, 2015).

2 Fragestellungen der Untersuchung

Vor dem Hintergrund der oben skizzierten Popularität von Tinder in jüngster Zeit überrascht, dass im deutschsprachigen Raum derzeit noch keine empirischen Studien vorliegen. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung macht zunächst die Beschreibung sowie die Erklärung eines neuen Phänomens notwendig. Daher besteht ein Bedarf an empirischen Daten, die Aufschluss darüber geben, wozu und in welchem Ausmaß Tinder genutzt wird. In Anlehnung an Levy und Windahl (1984) sowie an empirische Befunde zum Onlinedating (Aretz et al., 2012; Blossfeld & Timm, 1997; Schulz, Skopek, Klein & Schmidt, 2008) wird die Nutzung von Tinder in drei Phasen unterteilt: In der präkommunikativen Phase wählt ein Rezipient ein bestimmtes Medium aus, hier Tinder, um spezifische Motive zu befriedigen (im Sinne des Uses-and-Gratifications-Ansatz nach Katz, Blumler und Gurevitch, 1974 und entsprechenden empirischen Befunden, u.a. Aretz et al., 2012; Aretz & Gansen, 2010). Diese Motive (z. B. Zeitvertreib, Unterhaltung, Einsamkeit, vgl. Aretz et al., 2012; Aretz & Gansen, 2010) determinieren möglicherweise die Intensität und Art und Weise der Nutzung (kommunikativen Phase). Da die Nutzung von Medien auch immer eine Wirkung erzielt (postkommunikative Phase), wird in der vorliegenden Untersuchung überprüft, ob die Nutzung von Tinder mit den seitens der Probanden verbundenen Erwartungen korrespondiert (z. B. Matches, Dates, Freundschaften erzielen). Diese Überlegungen führen zu den folgenden Forschungsfragen.

Forschungsfragen:

  • Wie intensiv und wie lange wird Tinder genutzt?
  • Aus welchen Motiven heraus wird Tinder genutzt? Gibt es hierbei Unterschiede zwischen Männern und Frauen und/oder Singles und Liierten?
  • Welche Erwartungen werden durch die Nutzung von Tinder realisiert? Unterscheiden sich diese zwischen den Geschlechtern und/oder zwischen Singles und Liierten?

In der Medienforschung konnte wiederholt gezeigt werden, dass Persönlichkeitsmerkmale einen Einfluss auf die Mediennutzung haben (z. B. Aretz et al., 2012; Aretz & Gansen, 2010, Schatz, 2005; Wolf, Spinath & Fuchs, 2005). In Anlehnung an das Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit kann beispielsweise argumentiert werden, dass extravertierte und offene Personen, die als gesellig, gesprächig und aktiv gelten, dem Medium Internet und der Kontaktanbahnung über Onlinedating-Portale, so auch Tinder, prinzipiell eher aufgeschlossen gegenüber stehen (vgl. Brym & Lenton, 2001). Unter Rückgriff auf Be­funde zum allgemeinen Internetgebrauch (Kim, 2009; Mander, 2015) kann ferner argumentiert werden, dass ein hohes Selbstwertgefühl und ein hohes physisches Attraktivitätsbewusstsein mit einer intensiveren oder auch spezifischeren Nutzung von Tinder einhergeht (z.B. stärkeres Flirtverhalten).

Hinsichtlich soziodemographischer Variablen weisen die Befunde von Mander (2015) darauf hin, dass der „durchschnittliche Nutzer“ von Tinder eher männlich, höher gebildet und hauptsächlich Single ist ( James, 2015). Ungeklärt ist bislang die interessante Frage, ob sich Tindernutzer von Personen, die Tinder nicht nutzen, in differenziellen Merkmalen unterscheiden (im Bereich des Online-Datings siehe Aretz et al., 2012).

    Forschungsfragen:
  • Unterscheiden sich Personen, die Tinder nutzen von Personen, die Tinder nicht nutzen, in differenziellen Merkmalen, also in ihrer Soziodemographie oder ihrer Persönlichkeit?
  • Anhand welcher differenziellen Merkmale (Soziodemographie, Persönlichkeit, Motive) lässt sich innerhalb der Tindernutzer vorhersagen, wie erfolgreich sie Tinder nutzen?

3 Methode

3.1 Fragebogen

Nutzung von Tinder: Die Tinder­nutzung, wurde über die prinzipielle Nutzung von Tinder (ja/nein), die Nutzungsintensität (in Minuten pro Woche) sowie die Dauer der Mitgliedschaft in Mo­naten gemessen.

Nutzungsmotive: Zur Erfassung von Motiven der Tinder-Nut­zung wurden – auf Basis zehn explorativer Interviews mit Studierenden der Wirtschaftspsychologie – 22 Items generiert (invers kodiert: 1 = trifft voll zu; 6 = trifft gar nicht zu). Eine Faktorenanalyse (Hauptkomponentenanalyse, Varimax-Methode, Eigenwerte > 1) klärte in der vorliegenden Stichprobe bei fünf Faktoren 54.5% der Vari­anz auf und ergab folgende Faktoren: Suche nach Geborgenheit und Nähe (fünf Items, Cronbachs α = .79, Beispielitems: „Ich nutze Tinder aus Angst vor Einsamkeit“, „…um das Gefühl zu haben, Jemand ist da“, „… um Geborgenheit zu erfahren“); Kommunikation und Austausch (vier Items, Cronbachs α = .77, Beispielitems: „Ich nutze Tinder, um auf schnellem und einfachen Wege kommunizieren zu können“, „…um mich auszutauschen“); Planbarkeit und Kontrolle der Kontaktanbahnung (vier Items, Cronbachs α = .70, Beispielitem: „Ich nutze Tinder, weil ich bei der schriftlichen Kommunikation die Möglichkeit habe, meine Worte genau zu wählen“,„…weil ich meine Gedanken und Gefühle lieber schriftlich niederliege, als sie verbal zu äußern“), Zeitvertreib und Amüsement (vier Items, Cronbachs α = .59, Beispielitem: „Ich nutze Tinder aus Zeit­vertreib“, „… um mich zu amüsieren“) sowie Sichtbarkeit (zwei Items, Cronbachs α = .56, Beispielitem: „Ich nutze Tinder um mich öffentlich zu präsentieren“, „… um Wissen über andere zu erwerben“). Darüber hinaus wurde noch erhoben, in welchem Ausmaß Tinder zur allgemeinen Bestätigungssuche genutzt wird (fünf Items, invers kodiert: 1 = trifft voll zu; 6 = trifft gar nicht zu); Cronbachs α = .77, Beispielitems: „Ich fühle mich durch Tinder in meiner Person bestätigt anhand von …“ „Matches“, „Chats“, „Dates“, „Sex“, „Entwicklung einer Partnerschaft“.

Erwartungen an die Tindernutzung und deren Realisierung: Ebenfalls wurde erhoben, wonach zum Zeitpunkt der Tinderanmeldung gesucht wurde (fester Partner, Flirt, Freundschaft, Affäre/sexueller Kontakt) und ob diese Erwartungen durch die Nutzung realisiert werden konnten (vier Items, Mehrfachauswahl, Beispielitems: „Durch die Nutzung von Tinder fand ich einen festen Partner“, „…einen Flirt“).

Differenzielle Merkmale: Zur Erfassung der Persönlichkeitsfacetten Extraversion, Neu­rotizismus und Offenheit (vgl. Digman, 1990) wurde die deutsche Version des NEO-Fünf-Faktoren-Inventars von Borkenau und Ostendorf (1993) eingesetzt. Hieraus wurden jeweils die sechs Items mit den höchsten Faktorladungen pro Skala verwendet. Die internen Konsistenzen lagen für Neurotizismus bei Cronbachs α = .81. für Extraversion bei Cronbachs α = .80 und für Offenheit bei Cronbachs α = .80. Zur Erfassung des allgemei­nen Selbstwertgefühls wurden sieben Items aus der Rosenberg Self Esteem Scale (1965) ins Deutsche übersetzt und vor der Verwendung durch einen Vortest auf Verständlichkeit überprüft. Die Kurz-Skala erreichte eine interne Konsistenz von α = .83. Zur Erfassung der subjektiven Einstellung einer Person zu ihrer physischen Attraktivität wurde die Subskala „Selbstwert­schätzung physische Attraktivität“ aus der Multidimensionalen Selbstwert­skala von Schütz und Sellin (2006) verwendet. Die fünf Items wurden in Aussagenform dargeboten (Beispielitem: „Ich fühle mich häufig attraktiv“) und konnten auf einer fünfstufigen Zustimmungs-Skala beantwortet werden. Die interne Konsistenz der Skala liegt bei Cronbachs α = .83. Soziodemographische Fragen: Am Ende des Fragebogens wurden die Pro­banden nach Alter, Geschlecht, höchstem Bildungsabschluss, Beziehungsstand, ggf. Dauer der Beziehung (in Monaten), ggf. Dauer des Singledaseins (in Monaten) gefragt.

3.2 Stichprobe

Um eine hinreichende Anzahl von Tindernutzern zu erreichen, wurde der Online-Fragebogen vom 01.06.2015 bis 09.06.2015 auf den folgenden Internetplattformen platziert: Facebook, Nettwerk Köln, Studenten Nettis Köln, Hochschule Fresenius Gruppe Köln und an Freunde und Bekannte der Autoren weiterge­leitet. Derart konnten insgesamt N = 817 vollständig ausgefüllte Datensätze erhoben werden (Beendigungsquote: 42%). Da ein Vergleich zwischen Tindernutzern und Nicht-Nutzern angestrebt wurde, wurden beide Gruppen durch eine Filter­frage getrennt. Die Stichprobe setzt sich aus n = 436 Tindernutzern und n = 381 Nicht-Nutzern zusammen, im Alter zwischen 15 und 56 Jahren (M = 24.72; SD = 5.68). Der Anteil der Frauen an der Gesamtstichprobe über­wiegt mit n = 573 (70%) im Vergleich zu den Männern n = 244 (30%). Innerhalb der Teilstichprobe der Nutzer überwiegt ebenfalls das weibliche Geschlecht (n = 285, 65%). Die Geschlechterverteilung innerhalb der Teilstichproben unterscheidet sich χ2(1, N = 817) = 10.44, p < .001 hinsichtlich des männlichen Geschlechts. Innerhalb der Tindernutzer befinden sich mehr Männer (n = 151) als innerhalb der Nichtnutzer (n = 93), was bei weiterführenden Interpretationen zu berücksichtigen ist.

4 Ergebnisse

Zunächst interessierte uns, ob sich Tindernutzer hinsichtlich differenzieller Merkmale und ihrer Soziodemographie von Nichtnutzern unterscheiden (vgl. Tabelle 1). Die Signifikanztests zeigen, dass sich Tindernutzer durch höhere Extraversionswerte und niedrigere Neurotizismuswerte auszeichnen, als diejenigen Probanden, die Tinder nicht nutzen. Dies bedeutet, dass sie sich selbst einerseits als eher gesellig, aktiv, gesprächig, personenorientiert, herzlich, optimistisch und heiter beschreiben und andererseits als zufrieden, stabil, entspannt (Borkenau & Ostendorf, 1993). Ebenfalls schreiben sie sich höhere Attraktivitätswerte zu und zeichnen sich durch ein höheres Selbstwertgefühl aus als Personen, die Tinder nicht nutzen.

Auf den ersten Blick ist einleuchtend, dass Personen, die Tinder nutzen, mit höherer Wahrscheinlichkeit Singles sind als Personen, die Tinder nicht nutzen. Bemerkenswert ist – und übereinstimmend mit Ergebnissen von Mander (2015) sowie GlobalWebIndex (2015) – dass mit 42% ein recht hoher Anteil der Tindernutzer angeben, bereits liiert zu sein, also bereits eine romantische und/oder sexuelle Beziehung zu haben.

Um als nächstes die Tindernutzung beschreiben zu können, wurden die Nutzungsintensität und -dauer analysiert. Die Probanden gaben an, Tinder durchschnittlich M = 45.54 Minuten (SD = 56.48) in der Woche zu nutzen, was einer täglichen Nutzungsdauer von ca. 7 Minuten entspricht. Durchschnittlich wird Tinder seit M = 3.40 Monaten (SD = 5.53) genutzt.

Zudem ließen sich faktorenanalytisch verschiedene Motivcluster identifizieren, die widerspiegeln, aus welchen Beweggründen heraus Tinder genutzt wird (s. Methodenteil). Im Sinne einer Priorisierung wurden diese Motive (invers kodiert) in eine Rangreihe gebracht. Tinder wird demnach vorrangig aus dem Motiv des Zeitvertreib und Amüsements genutzt (M = 2.23, SD = 0.81), aus dem Motiv der Kommunikation und des Austauschs (M = 2.93, SD = 0.87) und zur Erzielung von Bestätigung (M = 3.35, SD = 1.15). Im geringeren Maße wurde den Motiven Planbarkeit und Kontrolle der Kontaktanbahnung (M = 4.39, SD = 1.04), Suche nach Geborgenheit und Nähe (M = 4.41, SD = 1.09) und Sichtbarkeit und Selbstdarstellung (M = 4.46, SD = 1.13) zugestimmt.

Anschließend wurde der Forschungsfrage nachgegangen ob sich Männer und Frauen in ihrer Nutzungsintensität und ihren Motiven der Tindernutzung unterscheiden (Tabelle 2). Frauen geben im stärkeren Maße an, Tinder zum Zeitvertreib und Amüsement sowie zum Austausch mit anderen zu nutzen, während Männer angeben, Tinder im stärkeren Maße zu nutzen, um sichtbar für Andere zu sein und weil die Kontaktanbahnung planbarer und kontrollierter verläuft. Kein Unterschied zwischen den Geschlechtern zeigte sich hinsichtlich der Nutzungsintensität (t(434) = -0.75, ns) und –dauer (t(434) = -1.82, ns).

Da Männer und Frauen Tinder gleichermaßen zur Erzielung von Bestätigung nutzen, interessierte uns, inwieweit sie ihre Selbstbestätigung aus denselben Quellen ziehen. Interessanterweise geben Frauen in bedeutsam stärkerem Maße an, Bestätigung durch Matches sowie Chats zu beziehen, während Männer ihre Selbstbestätigung eher durch Sex erfahren (vgl. Tabelle 3). Ebenfalls gaben Männer an (M = 3.00, SD = 7.34), signifikant mehr sexuelle Kontakte über Tinder gefunden zu haben, als Frauen (M = 0.98, SD = 1.80, t(434) = -4.90, p < .001).

Differenzielle Merkmale der Tindernutzer und Tindernichtnutzer (invers kodiert: 1= trifft voll zu bis 6 = trifft überhaupt nicht zu)
Differenzielle Merkmale der Tindernutzer und Tindernichtnutzer (invers kodiert: 1= trifft voll zu bis 6 = trifft überhaupt nicht zu)

Geschlechtsunterschiede hinsichtlich der Motive der Tindernutzung (invers kodiert: 1 = trifft voll zu bis 6 = trifft überhaupt nicht zu)

Geschlechtsunterschiede hinsichtlich des Ausmaßes der Selbstbe-stätigung durch verschiedene Arten der Tindernutzung (invers kodiert: 1= trifft voll zu bis 6 = trifft überhaupt nicht zu)

Unterschiede zwischen Singles und Liierten hinsichtlich der Nutzungsmotive von Tinder (invers kodiert: 1= trifft voll zu bis 6 = trifft überhaupt nicht zu)

Da verschiedene Befunde zum Online-Dating darauf hinweisen, dass der Beziehungsstatus einen Einfluss auf die Nutzungsintensität und –art hat (z. B. Aretz, et al., 2012), war es schließlich von Interesse, ob sich Singles und Liierte1 in der Nutzungsintensität von Tinder und ihren Nutzungsmotiven unterscheiden. Während keine Unterschiede hinsichtlich der Nutzungsintensität (t(434) = 0.61, ns) und der Nutzungsdauer (t(434) = 0.60, ns) sichtbar wurden, gaben Singles im stärkeren Maße an, nach Geborgenheit und Nähe zu suchen, während Liierte Tinder stärker zur Erzielung von Selbstbestätigung (vgl. Tabelle 4) nutzen.

Im Sinne einer vollständigen Beschreibung der Tindernutzung wurde abschließend analysiert, welche Erwartungen mit der Nutzung verbunden sind und inwieweit diese Erwartungen auch erfüllt werden. Insgesamt gaben die Probanden an, im Durchschnitt M = 131 Matches (SD = 307.65, Md = 50) erzielt zu haben, sich mit M = 9.13 (SD = 112.56) Personen persönlich getroffen zu haben (Dates) und mit M = 1.75, SD = 4.66 Personen sexuelle Kontakte erzielt zu haben. Tabelle 5 weist zudem die Erfolgsquote der verschiedenen Nutzungserwartungen aus, ermittelt über den Quotienten aus realisierten/erwarteten Nutzungsaspekten.

Aus dieser Betrachtung wird deutlich, dass Tinder vorrangig mit der Erwartung genutzt wird, Flirts oder eine feste Partnerschaft zu finden. Dabei ist es bemerkenswert, dass die Erfolgsquote bei der Entwicklung einer festen Partnerschaft durch die Tindernutzung mit 33% relativ gering; die Erfolgsquote hinsichtlich der Erzielung sexueller Kontakte (102%) sowie der Generierung von Freundschaften (110%) sogar übererfüllt ist. Die Erfolgsquote der Freundschaften absolut gesehen ist prozentual am höchsten, was allerdings auch daraus resultiert, dass Freundschaften am wenigsten über Tinder gesucht werden.

Da in Medien immer wieder von Geschlechtseffekten berichtet wird (Mander, 2015; Globalwebindex, 2015), wurde ferner analysiert, ob sich Männer und Frauen in ihren Nutzungserwartungen unterscheiden. Geschlechtseffekte zeigten sich sowohl hinsichtlich der Erwartung, einen festen Partner χ2(1, N = 215) = 8.48, p < .001) sowie einen sexuellen Kontakt (χ2(1, N = 138) = 79.52, p < .001) durch Tinder zu finden. Während sich Frauen eher einen festen Partner durch Tinder erhoffen, erwarten Männer bedeutsam häufiger sexuelle Kontakte (vgl. Tabelle 6).

Interessanter Weise realisieren Frauen ihre Erwartungen im stärken Maße als Männer und scheinen daher von Tinder mehr zu profitieren. So geben sie an, ihre Erwartungen an einen Flirt mit einer Erfolgsquote von 96% signifikant (χ2(1, N = 188) = 6.06, p < .01) häufiger zu erfüllen, als Männer. Ebenso geben 39% der Frauen an, ihre Erwartung, einen festen Partner über Tinder zu finden, realisiert zu haben (χ2(1, N = 71) = 13.72, p < .001). Mit einer beachtlichen Erfolgsquote von 157% scheinen Frauen zudem ihre Erwartungen an sexuelle Kontakte übererfüllen zu können (χ2(1, N = 141) = 10.65, p < .001). Tinder scheint also gerade für Frauen vielfältige Möglichkeiten zu bieten, diese ihrerseits eher unterpriorisierte Zielsetzung zu verwirklichen.

Ebenfalls wurde analysiert, inwieweit sich Singles und Liierte in ihren Nutzungserwartungen und deren Realisierung unterscheiden. Tabelle 7 zeigt zunächst, dass Singles sich häufiger einen Flirt erwarten (χ2(1, N = 382) = 8.94, p < .003) und dieses Bedürfnis auch bedeutsam häufiger zu erfüllen (χ2(1, N = 382) = 10.36, p < .001) – mit einer Erfolgsquote von 89%. Ebenfalls interessant ist, dass die Erwartungen der Singles, durch die Tindernutzung sexuelle Kontakte zu genieren mit 117% übererfüllt ist. Innerhalb der Gruppe der Liierten gaben zudem 44% an, – und damit bedeutsam häufiger als die Gruppe der Singles (χ2(1, N = 382) = 98.67, p < .001) – dass durch die Tindernutzung eine feste Partnerschaft resultierte. Dies entspricht einer Erwartungskonformität von 98%. Dieses zunächst erstaunliche Ergebnis führte uns zu der Frage, inwieweit der Beziehungsstand und die realisierte Erwartung einer Partnerschaft, einen Einfluss auf die Nutzungsintensität von Tinder haben. Anders formuliert, wollten wir untersuchen, in welchem Ausmaß Liierte, die angeben, bereits einen Partner über Tinder gefunden zu haben, die Dating-App weiter nutzen.

Daher wurde varianzanalytisch der Einfluss des Beziehungsstands (Liiert vs. Single) sowie die realisierte Erwartung, einen Partner über Tinder gefunden zu haben (ja vs. nein) auf die Nutzungsintensität untersucht. Der erste Haupteffekt weist darauf hin, dass Singles (M = 153.44, SD = 23.40) im Vergleich zu Liierten (M = 84.72, SD = 12.22) Tinder intensiver nutzen (F(1, 382) = 6.77, p < 0.01, eta2 =.02). Der zweite Haupteffekt zeigt, dass Personen, die bereits einmal einen Partner über Tinder gefunden haben (M = 166.09, SD = 24.73), eine höhere Nutzungsintensität aufweisen (F(1, 382) = 12.67, p < 0.01, eta2 = .03) als Personen, die noch keinen Partner gefunden haben (M = 72.08, SD = 9.24). Ebenfalls erwies sich die Interaktion (vgl. Abb. 1) als signifikant (F(1, 382) = 5.01, p < 0.03, eta2 = .01). Die bedeutet, dass Singles, die angeben einen Partner über Tinder gefunden zu haben, die App insgesamt deutlich intensiver nutzen. Allerdings scheint sich dieser Erfolg ebenfalls in der Gruppe der Liierten positiv auf die Nutzungsintensität auszuwirken.

Abschließend interessierte uns, welche Merkmale dafür ausschlaggebend sind, ob eine Person, die einen Flirt, eine feste Partnerschaft oder eine Affäre erwartet, diese Erwartung auch durch Tinder realisieren kann. Als tendenzielles Erfolgsmaß (Kriterium) diente ein Index, berechnet über die subjektive Erwartung der Nutzung addiert mit der realisierten Erwartung der Nutzung. Als Prädiktoren wurden Motive der Tindernutzung, die Nutzungsintensität und –dauer sowie soziodemographische Variablen und Persönlichkeitsvariablen gewählt.

Gesucht und Gefunden? Erwartungen der Tindernutzung und deren Realisierung (Mehrfachauswahl)

	Geschlechtsunterschiede hinsichtlich erwarteter und realisierter Nutzungsaspekte von Tinder

Unterschiede zwischen Singles und Liierten hinsichtlich erwarteter und realisierter Nutzungsaspekte von Tinder

Einfluss des Beziehungsstands (Liiert vs. Singles) und geschlosse-ner Partnerschaft (ja vs. nein) auf die Nutzungsintensität von Tinder

Die realisierte Flirterwartung lässt sich durch Motive der Tindernutzung, das Geschlecht und den Beziehungsstand vorhersagen. Das weibliche Geschlecht sowie das Bedürfnis nach Bestätigung (β = -.19, p < .01) und das Motiv der Sichtbarkeit/Selbstdarstellung (β = -.14, p < .01) erweisen sich als signifikante Prädiktoren der realisierten Flirterwartungen. Dies bedeutet, dass Frauen ihre Flirterwartungen im stärkeren Maße realisieren können, ebenso Personen, die das Bedürfnis nach Bestätigung oder Sichtbarkeit/Selbstdarstellung aufweisen (Varianzaufklärung 15%).
Hinsichtlich der realisierten Erwartung, dass sich durch Tinder eine Partnerschaft entwickelt, erweisen sich zwei Motive sowie das Geschlecht als signifikante Prädiktoren. Frauen (β = -.20, p < .001) können hier erneut ihre Erwartungen im stärkeren Maße realisieren, ebenso Personen, die ein hohes Bedürfnis nach Geborgenheit (β = -.19, p < .01) oder ein geringes Bedürfnis nach Zeitvertreib/Amüsement (β = -.10, p < .01) hegen (Varianzaufklärung 27%).

Sex als erwartungskonformes Ergebnis der Tindernutzung kann vorhergesagt werden über die Variablen Geschlecht (β = .27, p < .01), das Motiv der Bestätigung (β = -.20, p < .01) sowie dem Persönlichkeitsmerkmal Offenheit (β = -.10, p < .01) und der selbst zugeschriebenen Attraktivität (β = -.15, p < .01). Männer können durch Tinder ihre amourösen Erwartungen eher verwirklichen, ebenso Personen, die das Bedürfnis nach Bestätigung aufweisen und sich selbst als attraktiv und offen beschreiben (Varianzaufklärung 19%).

5 Zusammenfassung und Diskussion

Ziel des vorliegenden Beitrages war es zunächst, empirische Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wer Tinder in Deutschland in welcher Art und Weise nutzt und inwieweit Tinder als neue Form des Mobile-Datings Einzug in den Medienalltag genommen hat. Die Ergebnisse zeigen, – übereinstimmend mit Ergebnissen aus dem angloamerikanischen Raum (James, 2015; Mander, 2015;) – dass Tinder zunächst eine Popularität bei der jüngeren Zielgruppe verzeichnet (M = 24.06, SD = 4.61). 69% der Nutzer sind zwischen 20 und 26 Jahre alt. Durchschnittlich nutzen sie Tinder ca. 7 Minuten täglich und seit durchschnittlich drei Monaten mit nicht unbeträchtlichem Erfolg. Innerhalb dieses Zeitraums konnten sie durchschnittlich 131 Matches (Md = 50), 9 Dates und 1.75 sexuelle Kontakte generieren.

Interessanter Weise bezeichnen sich nur 58% der Tindernutzer als Singles; 42% sind also bereits in einer romantischen und/oder sexuellen Beziehung (konsistent zu den Ergebnissen der Studie von GlobalwebIndex, 2015). Dies führt zur Frage, aus welchen Beweggründen heraus Tinder genutzt wird. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Tinder hauptsächlich zum Zeitvertreib/Amüsement, zur Kommunikation/zum Austausch mit anderen sowie zur Erzielung von Bestätigung genutzt wird. Ein Ergebnis, welches darauf hinweist, dass Tinder ein Medium ist, das vielfältige Möglichkeiten der sozialen Interaktion bietet und zusätzlich dazu geeignet ist, verschiedene intrapsychische Bedürfnisse (z. B. Zeitvertreib/Amüsement, Selbstbestätigung, Geborgenheit/Nähe) zu befriedigen. Die Bedeutung dieser Motive unterscheidet sich dabei sowohl in Abhängigkeit vom Geschlecht und vom Beziehungsstand. So geben beispielsweise liierte Personen an, Tinder vorrangig zur Erzielung von Bestätigung zu nutzen, während Singles häufiger angeben, Tinder aus dem Bedürfnis nach Geborgenheit und Nähe zu nutzen.

Ein weiteres Ziel dieser Studie bestand darin, herauszufinden, welche Erwartungen seitens der User durch die Nutzung von Tinder realisiert werden können. Die Befunde zeigen zunächst, dass sich der überwiegende Anteil der Tindernutzer einen Flirt oder sogar eine feste Partnerschaft erhofft. Dabei scheint Tinder vorrangig zur Erfüllung der Flirterwartungen und Generierung sexueller Kontakte geeignet zu sein; lediglich 16% der Befragten geben an, über Tinder eine feste Partnerschaft geschlossen zu haben. Die regressionsanalytischen Befunde zeigen aber, dass insbesondere Frauen oder Personen, die das Bedürfnis nach Geborgenheit und Nähe oder Bestätigung haben, ihre Erwartungen an eine feste Partnerschaft eher realisieren können. Interessanter Weise erweist sich die durchschnittliche Nutzungsdauer nicht als signifikanter Prädiktor. Es scheint also eine untergeordnete Rolle zu spielen, wie lange oder intensiv Tinder genutzt, sondern vielmehr wie attraktiv und sympathisch das Foto einer Person eingeschätzt wird und wie sich die nachfolgende Kommunikation gestaltet.

Gezeigt werden konnte in diesem Zusammenhang auch, dass Männer und Frauen unterschiedlich von Tinder zu profitieren scheinen bzw. sich ihre Nutzungserwartungen im unterschiedlichen Ausmaß realisieren lassen. So können Frauen insgesamt ihre Erwartungen an einen Flirt und ihre Erwartungen an eine sexuelle Affäre im stärken Maße erfüllen als Männer. Diese Geschlechtseffekte zeigten sich ebenfalls hinsichtlich verschiedener Quellen der Selbstbestätigung. Während Frauen sich selbst eher aus der Anzahl der Matches und Dates bestätigt fühlen und somit eher von emotionaler Bestätigung profitieren (vgl. im Kontext der Eifersucht Buss, Larsen, Westen &Semmelroth, 1992), scheinen Männer mehr durch die Anzahl der sexuellen Kontakte bestätigt zu werden. Ein Befund der evolutionspsychologisch gut zu erklären ist.

Denn während für Frauen die Fortpflanzung eine aufwändigere Angelegenheit ist (Schwangerschaft, Geburt, Sorge für Nachkommen), ist das Zeugen von Nachwuchs für Männer eher unkompliziert (Aronson, Wilson & Akert, 2008). Dies führt dazu, dass „Männer versuchen, sich möglichst zahlreich fortzupflanzen, während Frauen bemüht sind, sich klug fortzupflanzen“ (Hinde, 2014 zitiert nach Aronson et al., 2014, S. 332). Ebenfalls konnte gezeigt werden, dass der Beziehungsstand einen Einfluss auf die Art und Weise der Tindernutzung hat. Singles nutzen Tinder zunächst intensiver als Liierte. Interessant ist diesem Zusammenhang, dass die Nutzungsintensität davon beeinflusst wird, ob bereits einmal eine feste Partnerschaft über Tinder entstanden ist. So steigt die Nutzungsintensität sowohl innerhalb der Gruppe der Singles, als auch der Liierten, wenn zusätzlich die Variable Partnerschaft (ja/nein) Berücksichtigung findet. Anders ausgedrückt: Singles, die bereits eine Partnerschaft über Tinder geschlossen haben, nutzen Tinder im starken Maße. Dieses Ergebnis ist zunächst intuitiv einleuchtend, denn die erzielte Partnerschaft kann als positive Verstärkung interpretiert werden, was die eingeschätzte Auftretenswahrscheinlichkeit erhöht und mit einer höheren Nutzungsintensität einhergeht. Aber auch bei Liierten hat die Erfahrung, einen Partner über Tinder gefunden zu haben, einen positiven Einfluss auf die Nutzungsintensität.

Regressionsanalyse der realisierten Flirterwartungen, realisierten Partnerschaftserwartung und realisierten Erwartung sexueller Kontakte (n = 436) (invers kodiert: 1= trifft voll zu bis 6 = trifft überhaupt nicht zu)

Dieser Befund kann unter Rückgriff auf den Overchoice-Effekts (Iyengar & Lepper, 2000; Toffler, 1970) begründet werden. Möglicherweise nutzen Personen, die zwar aktuell in einer festen Beziehung sind, Tinder weiterhin, weil die große Auswahl an potenziellen Partnern eine verbindliche Entscheidung für einen Partner und die Zufriedenheit mit dieser Entscheidung einschränkt. Dies würde bedeuten, dass sie weitersuchen, obwohl sie sich zunächst, oder besser gesagt vorläufig, für einen Partner entschieden haben. Es scheint also, dass Dating-Apps wie Tinder gerade bei jüngeren Menschen und in Zeiten des Konzepts der „seriellen Monogamie“ (Welt, 2011) eine schnelle und bequeme Möglichkeit bieten, kontinuierlich zu prüfen, ob sich nicht noch ein Partner finden ließe, der den Ansprüchen noch eher genügt.

5.1 Einordnung der Befunde und Ausblick für künftige Forschung

Es konnte gezeigt werden, dass Tinder vielfältige Möglichkeiten der sozialen Interaktion bietet, die auf einem Kontinuum anzusiedeln sind von unverfänglicher Kommunikation bis hin zur ernsthaften Absicht, einen Partner zu finden. Die Popularität und Beliebtheit von Tinder ist technologisch im Wesentlichen sicherlich auf die Einfachheit der Benutzerführung sowie die Schnelligkeit und Unverbindlichkeit der Kontaktanbahnung zurückzuführen. Gleichzeitig ist der Verbreitungsgrad von Tinder vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Entwicklung zu reflektieren: Der Anteil der Singles hat in Deutschland in den letzten Jahren stetig zugenommen. Jeder Fünfte lebt heutzutage in Deutschland alleine; in Großstädten sogar jeder Dritte (Blömburg, 2015). Das Bedürfnis nach Nähe und Geborgenheit scheint daher so hoch wie nie zuvor (Blömburg, 2015). Tinder verzeichnet aber auch bei liierten Personen hohe Verbreitungsgrade. Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass Tinder in der Gruppe der Liierten vor allem verwendet wird, um Selbstbestätigung zu erzielen und um zu flirten. Tinder, so scheint es, ist ein willkommenes Medium zur emotionalen Zerstreuung (Ott, 2015).

Im Sinne einer kritischen Reflexion der hier berichteten Ergebnisse muss einschränkend auf die Stichprobe sowie deren Rekrutierungsart hingewiesen werden. So wurden die Daten über einen Onlinefragebogen erhoben, der auf Websites platziert wurde, die eher von jüngeren Personen präferiert werden. Die Stichprobe ist daher möglicherweise hinsichtlich des Alters verzerrt; zumal muss bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden, dass 65% der Probanden Frauen waren. Zukünftige Studien sollten daher versuchen, eine breitere Altersgruppe und mehr Männer anzusprechen. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei den erhobenen Daten um Selbstauskünfte der Probanden handelt und dadurch Effekte wie das sozial-erwünschte-Antworten oder Erinnerungsverzerrungen nicht ausgeschlossen werden können. Daher wäre es wünschenswert das methodische Design bei künftigen Studien zu erweitern und beispielsweise Verhaltensbeobachtung im Feld mit Selbstauskünften zu verknüpfen.

Ebenfalls wäre es – unter Rückgriff auf die postkommunikative Phase der Medienwirkung – interessant, künftig zu ermitteln, welche Folgen aus der Nutzung von Tinder resultieren. In einigen Medienberichten wird darauf hingewiesen, dass sich durch den spielerischen Charakter von Tinder ein gewisses Suchtpotenzial entfaltet (Ansari & Klineberg, 2015; Teusch, 2015). Hier wären Längsschnittstudien wünschenswert, um die längerfristigen Folgen der Tindernutzung beschreiben und erklären zu können.

Darüber hinaus kann auf Basis des Overchoice-Effekts (Iyengar & Lepper, 2000; Toffler, 1970) argumentiert werden, dass die große Auswahl an potenziellen Partner über Tinder prinzipiell eine Entscheidung für einen Partner und die Zufriedenheit mit dieser Entscheidung einschränkt. Dieser Effekt kann durch die Art der Präsentation der Fotos über Tinder – Infinite Swipes – gegenüber anderen Online-Partnerbörsen verstärkt werden. Denn je größer die wahrgenommene Auswahl an potenziellen Partner, desto größer ist die Überforderung und desto schwieriger fällt die Entscheidung für oder gegen einen Kandidaten. Durch die Betrachtung dieser Effekte wäre es möglich, dysfunktionale und pathologische Aspekte der Tindernutzung näher zu beleuchten. Die wissen­schaftliche Forschung steht also erst am Anfang, die vielfältigen und spezifischen Aspekte der Nutzung und der Wirkung von Tinder zu beschreiben, erklären und vorhersagen zu können.

6 Danksagung

Mein besonderer Dank gilt zunächst Lisa Berger, Gianna Di Palma, Chiara Kämpfe, Diana Kutsch und Giulia Wesseln für die tatkräftige Unterstützung bei der Datenerhebung. Ebenfalls danke ich herzlich meinen Kollegen Herrn Dr. Dominic Gansen-Ammann und Frau Annika Musiol für ihre hilfreichen Anregungen und ihre Unterstützung bei der Fertigstellung dieses Beitrags.


1Unter „liiert“ werden im Folgenden Personen gefasst, die angaben, verheiratet oder in fester Partnerschaft zu sein. Es wurde weiterhin untersucht, ob sich Personen, die in einer offenen Beziehung oder Freundschlaft plus sind, in der Art und Weise ihrer Tindernutzung unterscheiden. Die Ergebnisse sind dem Anhang zu entnehmen.

2Die Erfolgsquote weist aus, zu welchem Prozentsatz die Erwartungen der Tindernutzung auch realisiert wurden (Erwartungskonformität/Erfolg in Bezug auf Erwartungen), also was zum Zeitpunkt der Anmeldung gesucht wurde und inwieweit dies während der Nutzung gefunden wurde.

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Internet und Persönlichkeit
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Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. Wera Aretz
Hochschule Fresenius
Im MediaPark 4c
D-50670 Köln
Deutschland
info@journal-bmp.de

Anhang:

Explorativ wurde der Frage nachgegangen, inwieweit der Beziehungsstand, erweiterte um die Betrachtung Singles vs. Liierte vs. Offene Beziehung/Freundschaft plus, einen Einfluss auf die Motive der Tindernutzung, die Erwartungen und deren Realisierung nimmt (Tabelle 1, 2).

Unterschiede zwischen Liierten, Singles und Personen in einer offenen Partnerschaft/Freundschaft plus hinsichtlich Motive der Tindernutzung (invers kodiert: 1= trifft voll zu bis 6 = trifft überhaupt nicht zu)

Unterschiede zwischen Singles, Liierten und Personen in einer offenen Partnerschaft/Freundschaft plus hinsichtlich erwarteter und realisierter Nutzungsaspekte von Tinder

Korrelationsmatrix über relevante Variablen der Untersuchung

Frag‘ ein Chamäleon nicht nach seiner Farbe: Kontexteffekte auf selbstberichtete Karriereorientierung und Work-Life-Balance

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Es ist gut belegt, dass die vorübergehend erhöhte Zugänglichkeit bestimmter Aspekte der eigenen Identität (z. B. über Priming oder soziale Vergleiche) das “Arbeitsselbst” sowie nachfolgende Selbstbeschreibungen beeinflusst. Aufbauend auf Befunden zu zustandsabhängigem Abruf aus dem Gedächtnis und zu Embodiment soll in der vorliegenden Arbeit gezeigt werden, dass ähnliche Effekte durch unterschiedliche Orte als kontextuelle Hinweisreize entstehen. In Experiment 1 bearbeiteten N = 60 Studierende einen Fragebogen zu Karriere- vs. Freizeitorientierung entweder auf dem Campus ihrer Hochschule oder in einem Café, wobei die Bedingungen bei der Terminvereinbarung randomisiert zugewiesen wurden. Alle abhängigen Maße (Verhaltensabsichten, generelle Wertorientierung sowie selbstbeschreibende Eigenschaften) zeigen eine signifikant höhere Karriereorientierung in der Campusbedingung. Experiment 2 repliziert diese Befunde konzeptuell, indem Einstellungen zu Beruf und Familie an einer Stichprobe berufstätiger Eltern (N = 80) erhoben wurden, die den Fragebogen entweder zu Hause oder am Arbeitsplatz ausfüllten. Jeweils die Hälfte der Probanden tat dies in der Überzeugung, dass Falschantworten aufgedeckt würden (Bogus Pipeline-Paradigma), was den Effekt weitgehend eliminierte. Kontextbedingte Zugänglichkeitseffekte scheinen daher prinzipiell kontrollierbar zu sein. Implikationen für die Validität von Befragungen in der angewandten Wirtschaftspsychologie werden diskutiert.

Schlüsselwörter: Priming, flexibles Selbstkonzept, soziale Erwünschtheit, zustandsabhängiger Abruf

Validierung des adaptiven Persönlichkeitsfragebogens shapes für die Personalauswahl

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1 Einleitung

Die Messung persönlichkeitsrelevanter Konstrukte stellt seit langem einen wichtigen Faktor in der psychologischen Diagnostik und der beruflichen Personalauswahl dar (z. B. Barrick & Mount, 1991; Camera & Merenda, 2000; Tett, Jackson & Rothstein, 1991) und wird vermutlich noch weiter an Bedeutung gewinnen (Hough & Oswald, 2008; Rothstein & Goffin, 2006). Der Grund hierfür ist, dass sich Persönlichkeit in zahlreichen Studien als valider Prädiktor für Berufserfolg erwiesen hat (Hogan, 1998; Hurtz & Donovan, 2000) und zudem inkrementelle Validität zu kognitiven Fähigkeiten aufweist (Rothstein & Goffin, 2006).

Insgesamt wird der Einsatz von Persönlichkeitsfragebögen in der Personalauswahl häufig positiv diskutiert (z. B. Hell & Schuler, 2005; Hossiep & Mühlhaus, 2005; Jackson & Corr, 1998; Schuler, 2014), jedoch gibt es diesbezüglich auch Probleme. In dem vorliegenden Beitrag werden daher folgende Aspekte diskutiert: (1) wie valide eine Selbstbeschreibung zur Messung von Persönlichkeit ist, sowie, insbesondere im Kontext der Personalauswahl, wie verfälschbar Persönlichkeitsfragebögen sind und welche Auswirkung eine Verfälschung auf die Validität der Instrumente hat; (2) ob breite oder enge Eigenschaften eine bessere Vorhersage ermöglichen; (3) die soziale Akzeptanz, also wie derartige Instrumente von Bewerbern wahrgenommen werden; und (4) welche Besonderheiten sich durch die Nutzung moderner Technologien, insbesondere des Internets, ergeben.

Die beschriebenen Aspekte waren der Ausgangspunkt für die Entwicklung des adaptiven online-Fragebogens shapes, der speziell für den Einsatz im unüberwachten Online-Assessment konstruiert wurde. Dies geschah mit der Zielsetzung, die oben genannten Probleme beim Einsatz von Persönlichkeitsfragebögen in der Personalauswahl zu lösen. Im Folgenden werden daher die oben genannten Kontroversen umrissen und es wird dargestellt, wie mit shapes und der Messmethode adalloc versucht wird, Lösungen für die genannten Probleme anzubieten. Die anschließenden Studien zielen darauf ab, die Reliabilität (Studie 1) und Validität (Studie 2) des Instrumentes zu untersuchen und zu stützen.

Bevor die angesprochenen Probleme, die ein Einsatz von Persönlichkeitsfragebögen in der Personalauswahl mit sich bringt, thematisiert werden, soll zunächst geklärt werden, welches Konzept die Differenz zwischen Kandidaten (zeit-) stabil erklären kann. Denn der Kern einer erfolgreichen Personalauswahl besteht darin, die Varianz zwischen Bewerbern zu betrachten und darauf basierend zwischen ihnen zu differenzieren, sodass letztlich der passende Kandidat für die zu besetzende Stelle ausgewählt werden kann (z. B. Asendorpf, 2012). Nach dem Eigenschaftsparadigma sorgen überdauernde Dispositionen dafür, dass eine Person in ähnlichen Situationen wiederkehrende Reaktionen zeigt (Asendorpf, 2012). Dispositionen bzw. Eigenschaften sind in ihrer Ausprägung jedoch nicht direkt mess- oder erfassbar. Allerdings kann von gezeigtem Verhalten einer Person auf dahinterliegende Dispositionen geschlossen werden (Eysenck & Keane, 2015). Das Konstrukt der Eigenschaften besitzt vielfältige Definitionen. In diesem Artikel wird der folgenden Definition von Angleitner und Riemann gefolgt: „Eine Eigenschaft ist ein Integrationsmittel, sie ist meist relativ generalisiert und überdauernd und durch die Konsistenz im Verhalten in unterschiedlichen Situationen erkennbar“ (Angleitner & Riemann, 2005, S. 94).

Die Persönlichkeit ist dabei als Summe der Eigenschaften einer Person definiert, wobei die einzelnen Eigenschaften nicht dichotom, sondern kontinuierlich ausgeprägt sind. Bei der Persönlichkeitsdiagnostik gilt es folglich nicht zu ergründen, ob eine Eigenschaft vorhanden ist, sondern in welchem Maße sie bei der betreffenden Person ausgeprägt ist (Asendorpf, 2012; Eysenck & Keane, 2015).

Das Big Five Modell kann in diesem Zusammenhang als das etablierteste Persönlichkeitsmodell angesehen werden (Salgado, 2003; Warr, Bartram & Brown, 2005). Die Big Five Persönlichkeitsdimensionen werden häufig herangezogen, um berufliche Leistung oder Eignung vorherzusagen (Barrick & Mount, 1991). Eine genaue Beschreibung der Dimensionen (Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrung, Verträglichkeit sowie Gewissenhaftigkeit) kann Borkenau und Ostendorf (2008) entnommen werden.

2 Rahmenbedingungen

Wenn Persönlichkeitsfragebögen in der Personaldiagnostik zum Einsatz kommen, werden vor allem (1) die Verfälschbarkeit von Fragebögen, (2) die relative Breite der Eigenschaften, (3) die soziale Validität sowie (4) die Nutzung neuster Technologien thematisiert (z. B. Barak & English, 2002; Bartram 1999; Salgado, 1997; Schmidt & Hunter, 1998; Schuler, Hell, Trapmann, Schaar & Boramir, 2007; Vecchione, Alessandri & Barbaranelli, 2011).

Im Folgenden wird zunächst die Verfälschbarkeit diskutiert. Autoren berichten von mittelmäßigen bis hohen Übereinstimmungen zwischen Fremd- und Selbstbeurteilungen (Brandstätter, Filipp & Drescher, 1992; Moser et al., 1994; Moser, 1999; Zempel & Moser, 2005). Eine Abweichung zwischen Selbst- und Fremdbeurteilung kann unterschiedlich begründet sein. Hier ist vor allem zwischen Impression Management und Self-Deception zu unterscheiden (Paulhus, 1984). Impression Management ist die gewollte Verzerrung der Selbstbeurteilung, um erwünschter bzw. passender für eine Stelle wahrgenommen zu werden (McFarland, Ryan & Kriska, 2003). Self-Deception hingegen beschreibt die unbewusste Abweichung zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung, die auf einer unterschiedlichen Wahrnehmung der Realität basiert (Gur & Sackeim, 1979). Im Rahmen des Impression Management unterscheiden Mahar, Cologon und Duck (1995) zwischen faking-good, faking-bad und faking a specific job-role. Birkeland, Manson, Kisamore, Brannick und Smith (2006) gehen davon aus, dass Kandidaten Impression Management betreiben, wenn es zur Erreichung eines Zieles sinnvoll erscheint (ebenso Hogan, Barrett & Hogan, 2007). Dies konnte sowohl unter Laborbedingungen (Tett, Freund, Christiansen, Fox & Coaster, 2012) als auch in realen Settings (Griffith, Chemielowski & Yoshita, 2007; Griffith & Converse, 2012) nachgewiesen werden.

Für den Bereich der Personalauswahl liegen jedoch auch gegenteilige Befunde vor, wonach Bewerber kaum zu Verfälschung neigen (z. B. Hogan, Barret & Hogan, 2007). Allerdings ergaben die Metaanalysen von Birkeland et al. (2006) signifikante Unterschiede im Verhalten zwischen Bewerbern und Nicht-Bewerbern. Es zeigte sich, dass vor allem Dimensionen, die vermeintlich relevant für die zu besetzende Stelle waren, von den Bewerbern verzerrt wurden.

Die Verfälschbarkeit in der Personalauswahl ist darüber hinaus ein Thema, welches auch Beachtung von Seiten der Testkonstruktion erfordert (Jackson, Wroblewski & Ashton, 2000). Gerade bei Persönlichkeitsfragebögen mit einfachen Ratingskalen ist es möglich, das Ergebnis gezielt zu verfälschen (Griffith, Chemielowski & Yoshita, 2007). Ein in der Praxis häufig genutztes Vorgehen, um Verfälschungstendenzen zu begegnen, ist das Forced- Choice Format (Heggestad, Morrison, Reeve & McCloy, 2006). Bühner (2006) wie auch Bortz und Döring (2006) bezeichnen Forced-Choice-Formate als den effektivsten Weg Antworttendenzen und Verfälschungen entgegenzuwirken. Dabei muss der Teilnehmer den Grad seiner Zustimmung nicht zu jedem Item einzeln angeben, sondern sich entscheiden, welchem der zwei (oder mehr) präsentierten Items er eher zustimmt. Der Teilnehmer wird somit gezwungen, eine intra-individuelle Unterscheidung der Items vorzunehmen (Bartram, 2007; Hicks, 1970). Wichtig ist hierbei, dass die gleichzeitig präsentierten und abzuwägenden Items auf unterschiedliche Eigenschaften laden müssen (Baron, 1996). Die Ergebniswerte der einzelnen Eigenschaften sind daher in Bezug auf die anderen Werte der gleichen Person zu interpretieren (Hicks, 1970), es erfolgt also ein intra- und kein interindividueller Vergleich, d.h. ein Vergleich innerhalb einer Person und nicht zwischen verschiedenen Personen. Die so erzeugten Daten werden ipsative Daten genannt (Hicks, 1970).

Darüber hinaus stellt sich als zweiter Aspekt die Frage, was genau ein Persönlichkeitsfragebogen erfassen sollte. Eigenschaften können unterschiedlich breit definiert und erfasst werden (Amelang & Bartussek, 2001). Je mehr Persönlichkeitsmerkmale und Verhaltensweisen in einer Eigenschaft aggregiert werden, desto breiter wird diese (Visser & Du Toit, 2004). Das Big Five Modell bildet sehr breite Eigenschaften ab, die moderate bis gute Vorhersagen auf den Berufserfolg erlauben (Dudley, Orvis, Lebiecki & Cortina, 2006; Hurtz & Donovan, 2000). Dem stehen Befunde gegenüber die zeigen, dass enggefasste Eigenschaften Berufserfolg besser vorhersagen können bzw. inkrementelle Validität haben (z. B. Ashton, 1996; Paunonen & Ashton, 2001; de Vries, de Vries & Born, 2010).

Enggefasste Eigenschaften ermöglichen eine stärkere Differenzierung von Verhaltensweisen (Fehr, 2006). So konnten Sitser, van der Linden und Born (2013) zeigen, dass einzelne Facetten von Gewissenhaftigkeit bessere prädiktive Werte hinsichtlich konkreten Verhaltens erzielen als der Faktor selbst. Wenn ein Fragebogen lediglich engere, berufsbezogene Eigenschaften erfasst, ist darüber hinaus zu erwarten, dass sich auch die Augenscheinvalidität erhöht, da die entsprechenden Items ebenfalls einen stärkeren Bezug zu beruflichen Tätigkeiten aufweisen (Kersting, 2008; Lochner, Preuß & Lohff, 2015).

Der dritte Aspekt, der im Zusammenhang mit dem Einsatz von Persönlichkeitsfragebögen in der Personalauswahl diskutiert wird, ist die soziale Validität (Kersting, 2008). Wird ein Instrument von Bewerbern nicht positiv wahrgenommen, sinkt deren Motivation zur ernsthaften Bearbeitung und somit auch die prognostische Validität des Instruments. Zudem kann mangelnde Motivation zu einem Abbruch der Bearbeitung und folglich zu einem Ausscheiden aus dem Bewerbungsprozess führen. In diesem Zusammenhang konnte Preuß (2006) in einer Studie im Bereich der Traineeauswahlaufzeigen, dass (1) die Drop-out Quote bei der Bearbeitung eines Fragebogens am Computer nach 15 Minuten deutlich ansteigt und (2) vor allem qualifizierte Bewerber das Verfahren abbrechen. Dies ist gerade in Zeiten des „War for Talent“ kein wünschenswerter Effekt.

Schließlich stellt auch die zunehmende Globalisierung neue Anforderungen an die psychologische Diagnostik, denen mit technischen Innovationen begegnet werden kann (Wiechmann & Ryan, 2003). Auf der einen Seite werden Bewerbungsprozesse internationaler und müssen dennoch ökonomisch und schnell durchführbar sein. Dieser Trend ist bereits beobachtbar und wird sich in Zukunft noch verstärken (z. B. Barak & English, 2002; Hertel, Konradt & Orlikowski, 2003). Insbesondere wenn Bewerber aus unterschiedlichen Teilen der Welt kommen und eine Vorauswahl innerhalb kurzer Zeit getroffen werden muss, bieten sich unbeaufsichtigte Online- Verfahren an (Kühlmann & Stahl, 2001; Lochner, Preuß & Lohff, 2015). Auf der anderen Seite ermöglichen die neuen technischen Gegebenheiten die tatsächliche Umsetzung von adaptivem Testen. Dies wiederum hilft die Attraktivität von Diagnostikinstrumenten bei Kandidaten zu steigern, da die Bearbeitungszeit durch adaptives Testen reduziert werden kann (Preuß, 2006). Die Nutzung neuster Technologien kann demnach auch als eine Voraussetzung hoher sozialer Validität angesehen werden (Roth, Wegge & Schmidt, 2007).

3 Instrument

Der Persönlichkeitsfragebogen shapes wurde daraufhin optimiert, dass er den genannten vier Kriterien Rechnung trägt. So waren die grundlegenden Konzeptionsgedanken, dass (1) er ein Forced-Choice-Format verwendet, um Verfälschungstendenzen zu minimieren, (2) er enge, berufsbezogene Eigenschaften erfasst, (3) er kurze Bearbeitungszeiten aufweist, um zum einen die Akzeptanz zu erhöhen und zum anderen den Drop-out zu minimieren und zuletzt (4) eine unüberwachte, computergestützte Administration möglich ist.

Zum Zeitpunkt der Fragebogenkonstruktion (2000-2003) existierte kein Persönlichkeitsfragebogen, der die bis dahin aus der Forschung entwickelten Vorteile des computerbasierten, adaptiven Testens (CAT) nutzte (siehe hierzu beispielhaft Bartram, 1996; Baron, 1996; Fan, 1998; Hicks, 1970; Rost & Hoberg, 1997; Sands, Waters & McBride, 1997; Saville & Willson, 1991; Stocking & Lewis, 2000; Tonidandel & Quiñones, 2000; Wainer, 2000; Yan, Lewis & Stocking, 1998).

Adaptive Verfahren sind nicht zwingend an die Unterstützung von Computern gebunden (Frey, 2007; Sands, Waters & McBride, 1997). Jedoch sind sie ohne technische Hilfestellung schwierig durchzuführen und auszuwerten (Zhou, Gierl & Cui, 2007), da nach Beantwortung eines ersten Items die Auswahl der Folge- Items vom Antwortverhalten des Teilnehmers abhängt (Frey, 2007; Wainer, 2000). Während adaptive Algorithmen im Bereich der Leistungsdiagnostik recht verbreitet sind, kommen sie im Bereich der Persönlichkeitsdiagnostik kaum zum Einsatz (Lohff & Wehrmaker, 2008). Dies ist darauf zurückzuführen, dass bei Hinzunahme von adaptiven Regeln die klassische Testtheorie an ihre Grenzen stößt und folglich für viele etablierte Fragebögen nicht einsetzbar ist (Yan, Lewis & Stocking, 1998).

Dem zweiten Kriterium folgend ist der Fragebogen shapes so konstruiert, dass mit dem zugrundeliegenden Modell nur Eigenschaften abgebildet werden, die signifikanten Einfluss auf den beruflichen Erfolg haben. Es sollten ausschließlich Eigenschaftsdimensionen bzw. Facetten von Persönlichkeitsdimensionen berücksichtigt werden, die Varianz in Bezug auf beruflichen Erfolg aufklären (z. B. Leslie & Van Velsor, 1996; Lombardo & Eichinger, 2000; McCall & Lombardo, 1983), aber auch in der Praxis bereits etabliert und akzeptiert sind. Im Kontext des Fragebogens shapes werden diese Eigenschaftsdimensionen als Skalen bezeichnet.

Die Identifizierung der Skalen erfolgte mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2000) im Zeitraum von 2001-2003. Zunächst wurden verfügbare Kompetenzmodelle recherchiert. Auf diese Weise wurden 42 verschiedene, in der Praxis zu dieser Zeit genutzte Modelle zusammengetragen (z. B. Lominger CPM; PDI Profiler®; SHL Competency Framework). Zusätzlich führten fünf Interviewer mehr als 300 Interviews mit der Repetory Grid (Fay, Bell & Bannis, 2004) oder der Critical Incident Technik (Gatewood, Feild & Barrick, 2010) sowie über 50 Visionary Interviews (Smith, 2005) durch. Aus den gesammelten Daten, den Definitionen und Beschreibungen der Kompetenzmodelle, den erfolgsfördernden Verhaltensweisen sowie weiteren beruflichen Operationalisierungen wurde eine Liste erstellt, welche über 12.000 Einträge umfasste. Darüber hinaus wurde in den Interviews gezielt nach Eigenschaften gefragt, die für Berufserfolg relevant sind. Gemäß Mayrings (2000) zusammenfassender Inhaltsanalyse wurden die Antworten der Interviewpartner paraphrasiert, generalisiert, durch Selektion und Bündelung reduziert und schließlich in Kategorien zusammengefasst.

In einem nächsten Schritt wurden die im Interview erfassten Eigenschaften sowie Eigenschaftsdefinitionen aus der Literatur, vor allem aber aus etablierten Persönlichkeitsfragebögen zusammengetragen. Genutzt wurden unter anderem folgende Fragebögen: NEO-FFI, 16PF sowie der OPQ (u. a. Ostendorf & Angleitner, 2004; Saville & Holdsworth Ltd., 1993; Schuerger, 2001).

Anhand inhaltlicher und semantischer Übereinstimmung wurden die Eigenschaften der Fragebögen sowie die in den Interviews erwähnten Eigenschaften den Kategorien zugeordnet. Dabei wurden nur jene Eigenschaften, deren Definitionen und Beschreibungen inhaltliche Übereinstimmungen mit den Kategorien und damit mit den zuvor zusammengetragenen Verhaltensweisen aufwiesen, berücksichtigt.

Es konnten 18 Skalen identifiziert werden, welche inhaltlich die ermittelten Kategorien abbilden und deren bipolare Ausprägungen nicht durch die Definitionen der übrigen Eigenschaften erklärbar sind. Diese 18 Skalen, abgebildet in Tab. 1, sind in keinem der damals vorliegenden Persönlichkeitsmodelle vollständig enthalten. Sie sind jedoch erforderlich, um die ermittelten Kategorien und folglich die erfolgsfördernden Verhaltensweisen darzustellen.

Tabelle 1: Definitionen der shapes Primärskalen (cut-e GmbH, 2013)

Damit standen die vom Fragebogen zu erfassenden Konstrukte fest. Der Fragebogen sollte jedoch zusätzlich ein Itemformat verwenden, welches einerseits Verfälschungstendenzen entgegenwirken und andererseits sozial akzeptiert sein sollte. Wie bereits beschrieben, bieten sich Forced-Choice-Formate an, um Verfälschungstendenzen zu minimieren. Mit steigender Anzahl zu erfassender Dimensionen werden Forced- Choice-Fragebögen jedoch sehr lang, was sich wie beschrieben negativ auf die Motivation auswirkt. Daher sollte die neue Messmethode auch eine Verkürzung des Instruments bei gleichzeitig valider Erfassung der Persönlichkeitsmerkmale ermöglichen. Auf Basis dieser Überlegungen resultierte die Messmethode adalloc (adaptive allocation of consent, dt. adaptive Zuweisung der Zustimmung).

Die Messmethode adalloc sieht vor, dass jeweils drei zu verschiedenen Skalen gehörige Items gleichzeitig präsentiert werden (Triplette). Der Kandidat kann insgesamt sechs Punkte gemäß seine Zustimmung auf diese Items verteilen. Im Gegensatz zu klassisch ipsativen Verfahren ist es zusätzlich möglich, gleich viele Punkte auf mehrere Aussagen zu verteilen; außerdem müssen nicht alle Punkte verteilt warden. In Abb.1 ist beispielhaft eine Triplette dargestellt.

Abb. 1: Beispielhafte Darstellung einer Triplette des Fragebogens shapes

Um jede der 18 Skalen exakt einmal abzubilden sind sechs Tripletten notwendig. Diese sechs Tripletten bilden einen Sektor. Jede Skala wird durch acht Items erfragt, sodass der Fragebogen folglich aus acht Sektoren besteht. Abbildung 2 stellt die Zusammensetzung eines Sektors bildlich dar.

Abb. 2: Zusammensetzung des Fragebogens shapes nach der adalloc- Methode

Im ersten Sektor werden randomisiert Tripletten erstellt, sodass die Ausgangskonstellation bei jeder Durchführung des Fragebogens eine andere ist. Durch die Randomisierung wird es unmöglich, Musterlösungen zu verbreiten, da jeder Kandidat eine andere Ausgangskonstellation von Tripletten hat. Ab dem zweiten Sektor erfolgt die Zuordnung der Items zu den Tripletten adaptiv. Dazu werden die Skalen nach jedem Sektor gemäß ihrem Wert sortiert. Die Tripletten im jeweils folgenden Sektor werden daraufhin so geformt, dass Items von Skalen gemeinsam präsentiert warden, deren Wert ähnlich hoch ist. Nach dem ersten Sektor berechnet sich dieser Wert aus der Anzahl der Punkte, die der Kandidat auf das für die jeweilige Skala präsentierte Item verteilt hat.

Ab dem zweiten Sektor wird dieser Punktwert zusätzlich mit einem sogenannten Blockgewicht gewichtet: Eine Triplette mit Items, die zuvor hoch bewertet wurden, erhält ein höheres Blockgewicht als eine Triplette mit Items, die zuvor niedrig bewertet wurden. Das hat zur Folge, dass ein Item mit hohem Blockgewicht, welches mit sechs Punkten bewertet wird, einen größeren Einfluss auf den Skalenwert hat, als ein gleichbewertetes Item mit niedrigem Blockgewicht (Lohff & Wehrmaker, 2008). Dieses Blockgewicht erlaubt eine Verkürzung des Fragebogens, da nicht alle Skalen miteinander verglichen werden müssen, wie es bei einer ipsativen Darbietung ohne Blockgewichte der Fall wäre.

Die Messmethode ist demnach ein Hybrid-Format, welches sowohl normative als auch ipsative Elemente vereint und nach Bartram (1996) und Hicks (1970) dadurch nicht eindeutig einer der beiden Formate zugeordnet werden kann.

4 Studie 1

In dieser Studie wird die Reliabilität des Instrumentes untersucht. Bei den shapes Daten handelt es sich, wie bereits erläutert, um hybride Daten. Dies bedeutet, dass der Wert einer Person auf einer Skala abhängig von den Werten auf den anderen Skalen des Instruments ist (Bartram, 1996; Hicks, 1970). Die Skalen sind demnach korreliert und diese Korrelation ist umso höher, je weniger Skalen das Instrument enthält (Baron, 1996). Daher sind bei der Berechnung der Reliabilität einige methodische Besonderheiten zu beachten.

Als Reliabilitätsmaße werden üblicherweise die interne Konsistenz, die Split-half-Reliabilität, die Paralleltest- Reliabilität oder die Retest-Reliabilität verwendet (Bortz & Döring, 2006). In Bezug auf die interne Konsistenz zeigte Tenopyr (1988), dass diese bei ipsativen Daten unter gewissen Umständen überschätzt wird: Besteht ein Instrument aus mehreren Skalen und ist eine davon hochreliabel, so ergeben sich hohe interne Konsistenzen für die anderen Skalen, selbst wenn die zugehörigen Items völlig randomisiert bearbeitet wurden.

Bartram (1996) kommt bei seinem Vergleich von normativen und nachträglich ipsativierten Daten zu dem Schluss, dass die internen Konsistenzen letzterer geringer sind als jene der normativen Daten, aus denen nachträglich die ipsativen Daten erzeugt wurden. Zudem fallen die Split-half-Reliabilitäten ipsativer Daten geringer aus als jene normativer Daten (Baron, 1996). Die Verwendung der internen Konsistenz und der Split-half- Reliabilität sind daher problematisch für ipsative Daten. Dagegen führt die Retest-Reliabilität offenbar nicht zu einer Verzerrung der Reliabilitätsschätzung (Saville & Holdsworth Ltd., 1993; Baron, 1996). Da zudem Messmethodik und Aufbau von shapes zum Zeitpunkt der Studie einzigartig waren und es folglich kein paralleles Instrument gab, mit dem die Paralleltest-Reliabilität hätte bestimmt werden können, wurde die Retest-Reliabilität als Reliabilitätsmaß verwendet.

Die Retest-Reliabilität sollte darüber hinaus auch einen ersten Hinweis auf mögliche Verzerrungen durch die (randomisierte) Zusammenstellung der Ausgangs-Tripletten geben. Im Rahmen zweier ausführlicher Studien wurden diese Effekte geprüft (Justenhoven, 2014). In beiden Studien konnte gezeigt werden, dass die Zuweisung der anfänglichen Tripletten keinen signifikanten Einfluss auf das Ergebnis und somit auf die Reliabilität des Instrumentes hat.

Relevantes Kriterium bei der Berechnung der Retest- Reliabilität ist, dass nur Bearbeitungen berücksichtigt werden können, bei denen sich die gemessene Eigenschaft der Personen nicht geändert hat und bei denen die Bearbeitungsmotivation gleichbleibend ist. Ändert sich dies grundlegend, so muss davon ausgegangen werden, dass die Ergebnisse nicht mehr übereinstimmend sein können (Bühner, 2006). Folglich kann nicht auf doppelte Probebearbeitungen oder Doppelbearbeitungen innerhalb von (Personal-)Entwicklungsprogrammen zurückgegriffen werden. Aus diesem Grund wurden ausschließlich Bearbeitungen im Rahmen von Bewerbungsprozessen in die Analyse aufgenommen.

4.1 Methode

Zugrunde liegt ein Datensatz mit N = 517 Kandidaten, die im Rahmen von Bewerbungsverfahren in Norwegen den Fragebogen zweimal bearbeitet haben. Zwischen den Administrationen liegen mindestens sieben Tage. Das Alter der Teilnehmer liegt zwischen 23 und 66 Jahren (M = 40.91, SD = 9.25). 289 Personen, (56%) sind männlich und 228 Personen (44%) weiblich.

4.2 Ergebnis

Die Retest-Reliabilitäten der 18 Skalen sind in Tabelle 2 aufgeführt. Die Werte liegen zwischen .55 und .84, wobei 15 der 18 Skalen eine Reliabilität größer gleich .69 aufweisen. Letztere sind als gute bis sehr gute Werte zu interpretieren ist (Bühner, 2006). Lediglich die Skalen ergebnisorientiert, unabhängig und ausdauernd weisen geringere Reliabilitäten auf.

Tabelle 2: Reliabilitäten der shapes Primärskalen

4.3 Diskussion

Insgesamt sind die Retest-Reliabilitätswerte als sehr zufriedenstellend anzusehen. Somit kann festgehalten werden, dass das Instrument den Großteil der Merkmale zuverlässig misst. Allerdings unterscheiden sich die einzelnen Skalen im Hinblick auf ihre Retest-Reliabilitätswerte. So weist die Skala ergebnisorientiert eine Retest-Reliabilität von lediglich .55 auf. Lohff und Wehrmaker (2008) berichten jedoch von Restest-Werten dieser Skala von .82. Es gilt demnach zu evaluieren, worin die unterschiedlichen Werte begründet sind.

So könnten beispielsweise Retest Studien mit mehreren Messwiederholungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten hilfreiche Informationen beispielsweise für die Frage liefern, ob und welchen Einfluss unterschiedliche Retest- Intervalle auf die Reliabilität haben. Gleichwohl kann auf Basis dieser Ergebnisse gefolgert werden, dass die zu messenden Konstrukte bzw. Skalen zuverlässig gemessen werden.

5 Studie 2

In dieser Studie werden zum Zwecke der konvergenten Validierung die Skalen des shapes Fragebogens mit den Big Five Persönlichkeitsdimensionen korreliert. Die Hypothesen zu den Interkorrelationen zwischen den shapes Skalen und den NEO-FFI Faktoren wurden zum einen auf Grundlage der von Lohff und Wehrmaker (2008) berichteten Faktorladungen von shapes auf den acht Faktoren berufsbezogenen Verhaltens nach Kurz und Bartram (2002) abgeleitet. Zum anderen leiteten inhaltliche Überlegungen – Ähnlichkeit der Skalendefinitionen und Items – die Hypothesengenerierung. Tabelle 3 zeigt überblicksartig die angenommenen Zusammenhänge. In den Zeilen sind die shapes-Skalen abgetragen, in den Spalten die Big Five Faktoren. In den Fällen, in denen ein Zusammenhang vermutet wird, ist in den Zellen jeweils ein Plus für einen vermuteten positiven und ein Minus für einen vermuteten negativen Zusammenhang eingetragen. Zur Begründung sind jeweils stichwortartig die Aspekte der Big Five Faktoren aufgeführt, welche sich mit den jeweiligen shapes-Skalen überschneiden und somit den vermuteten Zusammenhang begründen.

Zusammenfassend werden die folgenden Zusammenhänge vermutet: Neurotische Personen sind unsicher. Daher meiden sie alle Situationen, in denen sie im Fokus sind (leitend, überzeugend, souverän) und versuchen sich Sicherheit durch Regelkonformität herzustellen (pflichtbewusst). Extravertierte Personen sind durchsetzungsfähig (leitend, überzeugend), kontaktfreudig und treffen Entscheidungen eher auf Basis von Gefühlen als auf Basis von Fakten (nicht analysierend). Offene Personen stellen bestehende Regeln und Pflichten in Frage (nicht pflichtbewusst), sind offen für Veränderungen und haben neue Ideen. Verträgliche Menschen haben ein Interesse an anderen (beobachtend) und sind eher ein Teil des Teams (verträglich) als dessen Leiter (nicht leitend). Gewissenhafte Menschen schließlich planen sorgfältig (planvoll) und bringen Arbeiten zu Ende (pflichtbewusst). Dabei gehen sie eher konventionell vor (nicht einfallsreich). Sie sind vorsichtig und verhandeln daher nicht gerne.

Tabelle 3: Erwartete Zusammenhänge zwischen den shapes- Skalen und den NEO-Faktoren

5.1 Methode

Die Stichprobe umfasst N = 68 Teilnehmer, 38 (56%) männliche und 30 (44%) weibliche, die im Jahr 2014 an einem Wettbewerb zur Ermittlung des „Best Student“ teilnahmen. Die Teilnehmer bearbeiteten zunächst online und unbeaufsichtigt den Fragebogen shapes und am Finaltag der Veranstaltung, einem Tag, der Elemente eines typischen Assessment Centers beinhaltete, den NEO-FFI (Borkenau & Ostendorf, 2008).

Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine konvergente und diskriminante Validierung des Instruments shapes. Hierfür wird üblicherweise auf eine Multi-Trait-Mulit-Method (MTMM) Analyse nach Campbell und Fiske (1959) zurückgegriffen. Sie stellt einen systematischen Vergleich der Eigenschaften dar, die mit verschiedenen Methoden erhoben wurden. In diesem Fall also einen Vergleich der mit shapes und der mit NEO-FFI erhobenen Eigenschaften. Konvergente Validität wird angenommen, wenn gleiche Eigenschaften, die mit verschiedenen Instrumenten erhoben wurden, hoch korrelieren. Diskriminante Validität liegt vor, wenn verschiedene Konstrukte, die mit dem gleichen sowie mit unterschiedlichen Instrumenten erhoben wurden, niedrig korrelieren (Campbell & Fiske, 1959). Konkret werden bedeutsame und signifikante Korrelationen zwischen den oben aufgeführten shapes-Skalen und Big Five Faktoren erwartet, sowie niedrige bis keine Korrelationen zwischen den nicht aufgeführten shapes-Skalen und Big Five Faktoren.

5.2 Ergebnis

Die Korrelationsmatrix ist in Tabelle 4 dargestellt. Für die Skala Neurotizismus zeigt sich erwartungskonform ein signifikanter positiver Zusammenhang mit pflichtbewusst (r = .30). Signifikant negative Korrelationen der Skala Neurotizismus finden sich nur mit souverän (r = -.38) und überzeugend (r = -.24), jedoch nicht mit leitend.

Zwischen dem Faktor Extraversion und den Skalen überzeugend (r = .26), souverän (r = .36) und kontaktfreudig (r = .51) sind die Korrelationen erwartungsgemäß signifikant positiv. Ebenfalls den Hypothesen entsprechend zeigt sich ein signifikant negativer Zusammenhang zwischen Extraversion und analysierend (r = -.43). Darüber hinaus zeigt sich für diesen Faktor ein signifikant negativer Zusammenhang mit offen für Veränderungen (r = -.30) und planvoll (r = -.29), was nicht angenommen worden war.

Zwischen dem Faktor Offenheit für Neues und den Skalen einfallsreich (r = .54) und offen für Veränderungen (r = .24) zeigen sich erwartungsgemäß signifikant positive Korrelationen, negative dagegen erwartungsgemäß mit planvoll (r = -.29) und pflichtbewusst (r = -.33).

Verträglichkeit korreliert signifikant positiv mit verträglich (r = .36), nicht jedoch mit beobachtend. Zwar gibt es wie erwartet einen signifikanten negativen Zusammenhang zwischen Verträglichkeit und wettbewerbend (r = -.42), jedoch nicht mit der Skala leitend.

Schließlich korreliert Gewissenhaftigkeit erwartungsgemäß signifikant positiv mit pflichtbewusst (r = .39) und planvoll (r = .26). Allerdings sind die angenommenen negativen Korrelationen von Gewissenhaftigkeit mit überzeugend oder einfallsreich nicht signifikant.

Tabelle 4: Korrelationsmatrix von shapes und NEO-FFI

6 Diskussion

In der vorliegenden Studie wurden die Zusammenhänge der shapes Skalen mit den Faktoren des NEO-FFI korreliert. Größtenteils zeigten sich in den Daten die erwarteten Zusammenhänge, jedoch nicht in allen Fällen. Im Einzelnen lassen sich die Ergebnisse wie folgt beschreiben: Neurotische Personen fühlen sich in Situationen unwohl, in denen sie im Fokus stehen und beschreiben sich entsprechend nicht als überzeugend und souverän im Fragebogen shapes. Tendenziell übernehmen sie auch nicht gerne die Leitung von Gruppen, wobei der Zusammenhang zwischen neurotisch und der shapes Skala leitend nicht signifikant ist. Neurotische Personen beschreiben sich darüber hinaus als pflichtbewusst, was sich dahingehend interpretieren lässt, dass sie sich Sicherheit zu verschaffen versuchen, indem sie sich an Regeln halten. Ein solches Vorgehen mag vermeintlich auch ein Scheitern unwahrscheinlicher machen, da man sich an Bewährtes halten kann.

Extravertierte Personen fühlen sich in Gruppen wohl und sind durchsetzungsfähig. Entsprechend beschreiben sie sich im shapes Fragebogen als kontaktfreudig, souverän und überzeugend. Dies bedeutet jedoch nicht notwendigerweise, dass sie auch die Leitung in einer Gruppe übernehmen wollen. Sie treffen Entscheidungen eher auf der Basis von Gefühlen als auf der von Fakten, beschreiben sich also nicht als analysierend.

Menschen, die offen für Erfahrungen sind, beschreiben sich in shapes erwartungsgemäß als offen für Veränderungen und einfallsreich. Dagegen beschreiben sie sich nicht als planvoll und auch nicht als pflichtbewusst. Dies könnte man so interpretieren, dass sie Veränderungen zwar durch ihre Offenheit und ihre Ideen anstoßen, dass aber jemand anderes die Veränderungen auch tatsächlich umsetzen und die Dinge zu Ende bringen muss.

Verträgliche Menschen müssen nicht notwendigerweise ein Interesse am Verhalten und an den Motiven anderer haben, sie könnten auch aus anderen Gründen verträglich sein. Sie gehen zwar ungerne den Wettbewerb mit anderen ein. Tendenziell möchten sie auch nicht die Leitung einer Gruppe übernehmen, aber ähnlich wie bei neurotischen Personen scheint auch dies nicht immer der Fall zu sein – es gibt einen negativen, aber nicht signifikanten Zusammenhang zwischen NEO-FFI verträglich und shapes leitend.

Gewissenhafte Menschen gehen erwartungsgemäß planvoll und pflichtbewusst an Aufgaben heran. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie keine neuen Ideen hervorbringen oder niemand anderen von ihren Ideen überzeugen können.

Insgesamt lässt sich sagen, dass shapes ein etwas differenzierteres Bild der Persönlichkeit liefert als der NEO-FFI, dabei aber nicht so umfassend ist wie letzterer. Während der NEO-FFI sehr breite Eigenschaften erfasst, sind diese im shapes Modell deutlich schmaler. Dies ist auch ein möglicher Erklärungsansatz für die erwarteten, jedoch eher geringen Korrelationen, wie z.B. zwischen Offenheit für Neues und offen für Veränderungen. Während die Items des Big Five Modells sehr allgemein gehalten sind und eine breite Spanne an Verhaltensmustern abdecken, spiegeln die Items des shapes Modells konkret das Verhalten im beruflichen Kontext wieder. So werden, anders als im NEO-FFI, im shapes Aspekte wie Kunst oder Essensgewohnheiten nicht abgebildet. Für die Diagnostik bedeutet dies, dass mit Hilfe von shapes die Passung von Kandidaten zu recht differenzierten Anforderungsprofilen geprüft werden kann. So lässt sich beispielsweise unterscheiden, ob sich jemand „nur“ gut durchsetzen kann oder ob er tatsächlich die Leitung einer Gruppe übernehmen möchte. Es lässt sich ableiten, ob jemand möglicherweise einen Wandel im Unternehmen anstoßen wird (offen für Veränderungen, einfallsreich) und ob er auch in der Lage sein wird, die Veränderungen umzusetzen und zu Ende zu bringen (planvoll und pflichtbewusst).

Dennoch sind einige Aspekte der Studie kritisch zu hinterfragen. So ist die zugrundeliegende Stichprobengröße von N = 68 ist zwar ausreichend, dennoch relativ niedrig. Vor allem gilt zu bedenken, dass die gewählte Stichprobe in Bezug auf Bildungsgrad und Motivation hochgradig vorselektiert ist. Beworben haben sich N = 696 Studenten um an dem Finaltag teilnehmen zu können. Die NEO-FFI Ergebnisse liegen allerdings nur für die 10% Finalisten vor, die an dem Finaltag tatsächlich teilnehmen durften. In Bezug auf wissenschaftliche Güte wäre zu wünschen gewesen, wenn die Studie nicht nur die 68 Finalisten, sondern die Gesamtheit der Bewerber (N = 696) umfasst hätte.

7 Fazit

In diesem Artikel wurde der Persönlichkeitsfragebogen shapes sowie die dazugehörige Messmethode adalloc detailliert betrachtet. Anhand zweier Studien wurde gezeigt, dass der Persönlichkeitsfragebogen shapes reliabel ist und damit eine wesentliche Voraussetzung für den Einsatz in der Personalauswahl erfüllt. Zudem zeigte eine Validierung mit dem BigFive-Instrument NEO-FFI, dass shapes leicht andere im Sinne von engeren Traits erfasst als der NEO-FFI.

Einleitend wurde dargelegt, wie die erfassten Skalen mittels inhaltsanalytischer Reduktion identifiziert wurden. Es kann diskutiert werden, inwieweit das Modell alle Eigenschaften umfasst, die in der beruflichen Praxis relevant sind. Darüber hinaus konnte mit diesem Verfahren weder sichergestellt werden, dass die Skalen gleiche Breite aufweisen noch, dass sie ausreichende Trennschärfen besitzen. Andererseits wurde durch diese Methode der Anwendbarkeit und Ökonomie für die berufliche Praxis Rechnung getragen. So wird beispielsweise im NEO-PI-R Ästhetik als Facette von Offenheit für Erfahrung erfasst (Sarges & Wottawa, 2001). Es ist jedoch anzunehmen, dass diese Eigenschaftsdimension nur wenig Varianzaufklärung bei der Vorhersage von Berufserfolg erzeugt. Da verschiedene berufsnahe Quellen die Basis für die Eigenschaften von shapes bilden, ist anzunehmen, dass die Skalen und folglich auch der Fragebogen in Summe eine höhere Varianzaufklärung als der NEO-PI-R bei der Vorhersage beruflich erfolgreichem Verhaltens erzeugt. Hierzu ist jedoch weitere Forschung mit empirischen Belegen gefordert.

Zu Beginn des Artikels wurden verschiedene Probleme aufgezeigt, denen aktuell eingesetzte Verfahren begegnen müssen. Eines der aufgezeigten Merkmale ist die Absicherung gegen Verfälschungstendenzen. Durch die Darbietung und Messmethode des Fragebogens shapes können die Vorteile ipsativer Datenformate übernommen werden. Weiterhin kann die Bearbeitungsdauer gegenüber Fragebögen mit rein ipsativen Formaten deutlich gesenkt werden, was von den Teilnehmern höchstwahrscheinlich positiv wahrgenommen wird und die soziale Akzeptanz erhöht.

In Studie 1 wurde die Retest-Reliabilität des Instruments geprüft. Aus den Ergebnissen kann gefolgert werden, dass das Instrument eine zuverlässige Messung ermöglicht. Das ist nach Asendorpf (2007) besonders für Persönlichkeitseigenschaften relevant, da oftmals – so auch im Kontext eines Bewerbungsverfahrens – nur auf die Selbstbeschreibung zurückgegriffen werden kann. Hierbei spielen Verfälschungstendenzen sowie Diskrepanzen zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung eine überaus große Rolle, weswegen die teils sehr guten Reliabilitätswerte umso aussagekräftiger für das Verfahren sprechen. Jedoch wurden in Studie 1 lediglich Retest- Reliabilitäten als Maß für die Zuverlässigkeit herangezogen. Denn, wie Lohff und Wehrmaker (2008) darlegen, ist für das Instrument eine normale Cronbachs- Alpha Berechnung problematisch. Die interne Konsistenz wird in Ermangelung anderer Methoden daher mit Hilfe eines modifizierten Alpha ermittelt. Diese Modifikation müsste zunächst in einer Studie im Hinblick auf ihre Genauigkeit und Robustheit geprüft werden.

In Studie 2 wurde eine konvergente Validierung im Sinne einer MTMM anhand des Fünf-Faktoren-Modells durchgeführt. Es wurde untersucht, ob die Skalen des shapes und des NEO-FFI erwartungskonform korrelieren. Diese Frage kann überwiegend mit ja beantwortet werden. Zumeist konnten die Hypothesen angenommen werden, jedoch wurden auch klare Unterschiede aufgezeigt. Ein Erklärungsansatz hierfür liefert die relative Breite der Eigenschaften, die bei den beiden Instrumenten stark variiert. Dennoch ist besonders in diesem Bereich weitere Forschung wünschenswert, sei es, um die hier gefundenen Ergebnisse zu replizieren. So zeigt sich beispielsweise bei der Eigenschaft Extraversion eine Vielzahl signifikanter Zusammenhänge. Mehrere Autoren gehen davon aus, dass das Ausmaß dieser Eigenschaft zum einen die Job Performance moderiert, vor allem aber die Entscheidung, ob ein Arbeitsvertrag angeboten wird (Bartram, 2005; Hossiep, Paschen & Mühlhaus, 2005; Hülsheger & Maier, 2008; Kurz, Bartram & Baron, 2004). Insofern ist es nicht verwunderlich, dass eine Anzahl von Skalen mit dieser Dimension korreliert, jedoch sollte diesbezüglich untersucht werden, ob die betreffenden Skalen des Fragebogens shapes ausreichende Trennschärfen aufweisen.

Nach Doppler und Lauterburg (2002) wird computergestützte (Personal)Diagnostik zunehmend notwendig. Shapes trägt dieser Notwendigkeit Rechnung und bietet Kandidaten wie auch Unternehmen durch Einhaltung der einleitend genannten Kriterien somit konkreten Mehrwert. Darüber hinaus hat sich shapes in den Studien als reliables und valides Instrument erwiesen.

Durch die neu entwickelte Messmethode ist adaptives Testen erstmals auch für eine Selbstbeurteilung im Rahmen der Persönlichkeitsdiagnostik möglich. Durch den Einsatz des Fragebogens in der Personalauswahl werden z. B. international agierende Unternehmen unterstützt, unternehmensweit einheitliche Standards zu definieren indem überall das gleiche Instrument eingesetzt wird. Die Kandidaten müssen für die Testung keine Anreise in Kauf nehmen, was zuvor ein Selektionskriterium gewesen sein kann. Die Selbstbeurteilung kann in einem sehr frühen Stadium des Bewerbungsprozesses berücksichtigt werden, was ein umfassenderes Bild des Kandidaten und dadurch einen qualitativ hochwertigeren Prozess ermöglicht.

Allerdings besteht weiterhin noch viel Forschungsbedarf. So sollten weitere Überprüfungen hinsichtlich des Messmodells stattfinden. In diesem Zuge kann auch die Forschung zur Überprüfung der Gütekriterien bei ipsativen und hybriden Daten, wie bei Brown und Maydeu-Olivares (2012) oder Meade (2004) angesprochen, weiter vorangetrieben werden. Da der Fragebogen shapes zumeist in der beruflichen Eignungsdiagnostik Anwendung findet, ist in diesem Bereich eine Kriteriumsvalidierung von besonderem Interesse. Darüber hinaus wäre eine Konstruktvalidierung mit einem einschlägig validierten berufsbezogenen Persönlichkeitsinventar wünschenswert. Besonders die Ergebnisse der Studie 2 bedürfen weiterer Belege, da trotz der weiterführenden Ergebnisse keine Konstruktvalidität aufgezeigt werden konnte. Zu diesem Zweck könnte auch eine konfirmatorische Faktorenanalyse durchgeführt werden.

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Korrespondenzadresse:

Richard Justenhoven
Großer Burstah 18-32
20457 Hamburg
DEUTSCHLAND

Seniorität und Geschlecht im Einstellungsinterview – Wie wirken Interviewer/innen auf ihre Bewerber/innen?

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1 Einführung

Einstellungsinterviews gehören zu den am häufigsten eingesetzten Personalauswahlverfahren in Deutschland (Schuler, Hell, Trapmann, Schaar & Boramir, 2007). Bei nahezu jeder Stellenbesetzung kommen sie zum Einsatz, sofern es sich um externe Bewerber handelt, also um Menschen, die zuvor noch nicht im Unternehmen auf einer anderen Stelle beschäftigt waren. Die sehr umfangreiche Forschung zum Einstellungsinterview beschäftigt sich primär mit der Frage, wie derartige Verfahren gestaltet werden müssen, damit sie eine möglichst hohe prognostische Validität besitzen (Schuler, 2002; 2014a). Dabei zeigt sich eine deutliche Überlegenheit einer sehr strukturierten Vorgehensweise gegenüber einem wenig oder gar nicht strukturierten Vorgehen (Huffcutt & Arthur, 1994; Schmidt & Hunter, 1998). Strukturierte Einstellungsinterviews zeichnen sich vor allem durch einen klaren Bezug zu den Anforderungen der Stelle aus, arbeiten mit Interviewleitfäden, in denen die Mehrzahl der Fragen verbindlich für alle Bewerber festgeschrieben sind, und geben darüber hinaus ein System zur Bewertung der Antworten vor (Kanning, 2004, 2015; Schuler, 2014b).

Jenseits der Frage, wie sich eine gute prognostische Validität erzielen lässt, beschäftigt sich die personaldiagnostische Forschung mit der Wahrnehmung von Personalauswahlverfahren aus der Sicht von Bewerbern. In diesem Zusammenhang spielt die wahrgenommene Fairness (Gilliland, 1993, 1995) bzw. die Akzeptanz eines Auswahlverfahrens („Soziale Validität“, Schuler & Stehle, 1983; Schuler, 2014) eine wichtige Rolle (Überblick: Kanning, in Druck a). In der Metaanalyse von Hausknecht, Day und Thomas (2004) zeigt sich, dass insbesondere ein offenkundiger Bezug des Verfahrens zu den Anforderungen des Arbeitsplatzes sowie die wahrgenommene prognostische Validität Einfluss auf die Akzeptanz nehmen. Dies wiederum hat eine weitreichende Bedeutung für Bewerber und Arbeitgeber. Hausknecht et al. (2004) fanden in ihrer Metaanalyse signifikante Zusammenhänge zwischen verschiedenen Maßen der Akzeptanz und der Leistung der Bewerber im Auswahlverfahren (p = .09 bis .31), der wahrgenommene Attraktivität des Arbeitgebers (p = .37 bis .51), der Bereitschaft, den Arbeitgeber anderen zu empfehlen (p = .40 bis .52), sowie der Bereitschaft, ein Stellenangebot anzunehmen (p = .30 bis .34). Sowohl die Bewerber als auch die Arbeitgeber sollten mithin daran interessiert sein, Auswahlverfahren so zu gestalten, dass sie eine hohe Akzeptanz finden.

Einstellungsinterviews gehören zu den Instrumenten der Personalauswahl, die eine besonders hohe Akzeptanz finden (Anderson, Salgado & Hülsheger, 2010; Hausknecht et al., 2004). Dies hat nicht zuletzt damit zu tun, dass es sich um eine sehr weit verbreitete Methode handelt. Kanning (in Druck b) konnte zeigen, dass Einstellungsinterviews umso mehr akzeptiert werden, je mehr Erfahrung die Bewerber mit diesem Instrument gesammelt haben. Hier wirkt u. a. der Mere-Exposure Effekt (Bornstein, 1989; Zajonc; 1968), der besagt, dass mit zunehmender Vertrautheit eines Stimulus dessen Bewertung positiver ausfällt.

2 Effekte der Interviewer auf das Erleben der Bewerber

Jenseits des Anforderungsbezugs, der Strukturierung eines Interviewleitfadens oder der Festlegung von Kategorien zur Bewertung der Antworten ist ein Einstellungsinterview immer auch eine soziale Situation, in der beide – Interviewer und Bewerber – wechselseitig aufeinander Einfluss nehmen können (Schuler, 2002). Im Gegensatz zu anderen Methoden der Personalauswahl – wie etwa die Sichtung von Bewerbungsunterlagen, Leistungstests oder Fragebögen zur Selbsteinschätzung – tritt der Bewerber im Einstellungsinterview in eine direkte Face-to-face-Interaktion mit dem Vertreter des Unternehmens. Insofern ist zu erwarten, dass der Person des Interviewers auch eine gewisse Bedeutung für den Bewerber zukommt. Die Metanalyse von Chapman, Uggerslev, Carroll, Piasentin und Jones (2005) zeigt, dass die Wahrnehmung des Auswahlpersonals durch die Bewerber einen signifikanten Einfluss auf die Bereitschaft hat, ein Stellenangebot anzunehmen. Immerhin 10 % der Varianz des Entscheidungsverhaltens der Bewerber wird allein über ihre Bewertung des Auswahlpersonals erklärt. Die Merkmale des Arbeitsplatzes liegen bei gerade einmal 20 % Varianzaufklärung.

Welche Variablen auf Seiten des Interviewers das Erleben der Bewerber positiv beeinflussen, ist weitgehend unbekannt. Es erscheint mehr als plausibel, dass beispielsweise ein freundliches Auftreten, die Einhaltung von Zusagen oder eine zweiseitige Kommunikation im Interview, bei der ein Bewerber auch Fragen an den Interviewer stellen darf, zu einem positiven Erleben der Bewerber beiträgt (Schuler, 2002). Schmitt und Coyle (1976) fanden heraus, dass Interviewer, die sich warmherzig und kooperativ gegenüber den Bewerbern verhielten, von diesen auch als sympathischer wahrgenommen wurden. Die Ausdrucksweise der Interviewer nahm zudem Einfluss auf deren zugeschriebene Kompetenz. Letzteres konnten auch Rynes, Heneman und Schwab (1980) zeigen. Thornton (1993) belegte, dass freundliche und warmherzige Interviewer bei den Bewerbern die Erwartung erzeugen, dass auch die potentiellen Kollegen und Vorgesetzen angenehme Menschen seien.

Neben dem Verhalten der Interviewer können aber auch Merkmale ihrer Person Einfluss nehmen. Hierzu zählen etwa das Aussehen eines Interviewers, sein Alter oder der Status im Unternehmen. Roger und Sincoff (1978) fanden einen positiven Zusammenhang zwischen dem Status der Interviewer und ihrer wahrgenommenen Glaubwürdigkeit. Vieten und Kanning (2012) untersuchten den Attraktivitätseffekt auf Seiten der Bewerber. Seit langem ist bekannt, dass attraktive Bewerber positiver bewertet werden als weniger attraktive Personen (Schuler & Berger, 1979; Watkins & Johnston, 2000). Vieten und Kanning (2012) zeigten, dass dies auch in entgegengesetzter Richtung funktioniert: Attraktivere Interviewer werden von den Bewerbern sowohl im Hinblick auf ihre Fachlichkeit als auch in Bezug auf ihre sozialen Kompetenzen positiver bewertet. Mehr noch, auch das Unternehmen wurde als ein besserer Arbeitgeber wahrgenommen, sofern im Einstellungsgespräch attraktivere Interviewer zum Einsatz kamen. Teufer (1999) fand darüber hinaus Effekte der wahrgenommenen Ähnlichkeit. Erlebten die Bewerber den Interviewer als ähnlich zu ihrer eigenen Person, so bewerteten sie ihn als sympathischer.

Die vorliegende Studie steht in der Tradition der wenigen Untersuchungen, die sich mit der Frage beschäftigten, wie die Merkmale von Interviewern auf die Bewerber wirken. Dabei interessieren wir uns für die Wirkung von Seniorität und Geschlecht der Interviewer im Hinblick auf deren Bewertung sowie die Bewertung des Arbeitgebers durch potentielle Bewerber.

3 Hypothesen

Die Studie von Roger und Sincoff (1978) zeigt, dass ältere Interviewer mit höherem Status von Bewerbern positiver bewertet werden als jüngere Interviewer mit geringerem Status. Diese Merkmale der Interviewer fassen wir unter dem Begriff der Seniorität zusammen und nehmen mit Roger und Sincoff (1978) an, dass sich die Seniorität positiv auf die Bewertung der Interviewer auswirkt. Vor dem Hintergrund des Überstrahlungseffektes, den Vieten und Kanning (2012) für die Attraktivität belegen konnten, wird ferner angenommen, dass Seniorität sich auch positiv auf die Bewertung des Unternehmens auswirkt.

Hypothese 1: Interviewer, die eine hohe Seniorität aufweisen, werden von Bewerbern positiver bewertet als Interviewer, die eine geringe Seniorität aufweisen.

Hypothese 2: Bei Interviewern, die eine hohe Seniorität aufweisen, wird der Arbeitgeber von Bewerbern positiver bewertet als bei Interviewern, die eine geringe Seniorität aufweisen.

Es ist denkbar, dass diese Effekte durch das Geschlecht des Interviewers moderiert werden. Dies könnte insbesondere für Interviewer mit hoher Seniorität bzw. hohem Status gelten. Menschen mit hohem Status sind heute mit größerer Wahrscheinlichkeit Männer, da Männer in Führungspositionen häufiger anzutreffen sind (Bundesamt für Statistik, 2015). Eagly und Karau (2002) konnten zeigen, dass Frauen in Führungspositionen kritischer bewertet werden, da das Stereotyp einer Führungskraft vermeintlich männliche Eigenschaften wie Ehrgeiz, Durchsetzungsstärke und Aktivität aufweist (Eckes, 2010). Dies mag auch für weibliche Interviewer mit hohem Status gelten. Andererseits wandelt sich das Führungsstereotyp über die Zeit hinweg (Hartl, Kirchler & Muehlbacher, 2013). Unternehmen mit vielen weiblichen Führungskräften können sich heute als innovativ im Hinblick auf ihre Personalpolitik darstellen (Avery & McKay, 2006). Arbeitgeber, die Förderung von Chancengleichheit betreiben, werden zumindest von Vertretern quantitativ unterrepräsentierter Gruppen positiver bewertet (Avery et al., 2004; Perkins, Thomas & Taylor, 2000). Brown, Cober, Keeping und Levy (2006) zeigten zudem, dass explizite Hinweise auf Chancengleichheit die Bewerbungsbereitschaft unter Angehörigen der betroffenen Gruppen ansteigen lässt. Konkrete Studien zum Geschlecht des Interviewers und seiner Rolle im Unternehmen liegen jedoch bislang nicht vor. Angesichts der widersprüchlichen Erkenntnisse erscheint es nicht möglich, an dieser Stelle eine Hypothese zu formulieren. Die Rolle des Interviewergeschlechts wird daher explorativ untersucht.

4 Methode

Material: Die Studie basierte auf einem Online-Experiment mit einem 2×2-Design. Die Probanden sahen zunächst am Rechner einen Videofilm, in dem sie aus der Perspektive eines Bewerbers ein Einstellungsinterview verfolgten. Die Kamera stand hinter dem Bewerber und zeigte den Interviewer. Bei dem Interviewer handelte es sich entweder um eine unerfahrene oder um eine erfahrene Person (UV 1) weiblichen oder männlichen Geschlechts (UV 2). Das Interview lief nach einem strukturierten Leitfaden ab, wobei auch die Person, die den Bewerber spielte, nach einem Leitfaden immer die gleichen Antworten gab. Die Seniorität des Interviewers wurde über drei Aspekte manipuliert: Das Lebensalter der Interviewer (Mitte 20 vs. Ende 30), ihre Berufserfahrung (2 vs. 16 Jahre) sowie die hierarchische Position im Unternehmen (Personaler vs. Geschäftsführungsmitglied). Vermittelt wurde die Seniorität zum einen über das tatsächliche Alter des Interviewers, zum anderen über entsprechenden Angaben in seiner Selbstvorstellung zu Beginn des Interviews. Die Probanden hatten die Aufgabe, sich in die Person des Bewerbers hineinzuversetzen und aus dieser Perspektive heraus nach dem Interview Bewertungen vorzunehmen. Der Fragebogen zur Bewertung, der nach der Präsentation des Films ausgefüllt werden musste, umfasste fünf Abschnitte. Der erste Abschnitt diente dem Manipulationscheck. Die Probanden wurde dabei gebeten, das Alter des Interviewers in Jahren sowie die vorliegende Berufserfahrung (fünfstufige Skala von 1 = „sehr wenig“ bis 5 = „sehr viele“) einzuschätzen. Im zweiten Abschnitt ging es darum, die Person des Interviewers im Hinblick auf 19 Eigenschaftsbegriffe (vgl. Tab. 1) einzuschätzen (fünfstufige Skala von 1 = „stimme nicht zu“ bis 5 = „stimme zu“). Abschnitt drei diente der Bewertung des Unternehmens. Hierzu wurden neun Aussagen präsentiert (vgl. Tab. 1), die auf derselben fünfstufigen Skala bearbeitet werden mussten. Im vierten Abschnitt ging es darum, das äußere Erscheinungsbild des Interviewers zu bewerten (3 Items, vgl. Tab. 1; fünfstufige Skala). Das äußere Erscheinungsbild diente später als Kovariate, um etwaige Attraktivitätseffekte kontrollieren zu können (vgl. Vieten & Kanning, 2012). Abschnitt fünf bezog sich auf demographische Merkmale der Probanden: Alter in Jahren, Geschlecht, Bildungsabschluss (Hauptschule, Realschule, Fach-/Abitur, Hochschule) und derzeitige Tätigkeit (Schüler, Auszubildender, Student, Berufstätiger, Elternzeit, Arbeitsloser, Sonstiges). Den Abschluss bildet das Item „Ich habe alle Fragen gewissenhaft bearbeitet und bin damit einverstanden, dass meine Angaben in die Auswertung der Studie einfließen.“ Nur die Personen, die hier mit „ja“ geantwortet haben, wurden in der Datenanalyse berücksichtigt.

Datenerhebung: Die Datenerhebung erfolgte in Form eines Onlineexperiments. Die Probanden bekamen hierzu per Mail eine Einladung zur Teilnahme an der Studie. Die Mail enthielt einen Link, über den man direkt zum Onlineexperiment gelangen konnte. Durch Anklicken des Links wurden die Probanden per Zufall einer der vier Experimentalbedingungen (weiblicher/männlicher Interviewer, geringe/hohe Seniorität) zugeordnet. Zunächst sahen die Probanden den Film des Einstellungsinterviews und bearbeiteten anschließend den Fragebogen. Der Link konnte nur einmal aktiviert werden, so dass jeder Proband auch nur einmal die Möglichkeit hatte, an der Studie teilzunehmen. Die Teilnahme war freiwillig und unentgeltlich. Geworben wurden die Probanden über das soziale Netzwerk Facebook sowie über die Forschungsplattform PsyWeb (https://psyweb.uni-muenster.de). Letzteres ist ein nichtkommerzielles Forschungspanel, bei dem sich mehr als 12 000 Menschen registriert haben, die an psychologischen Onlinestudien teilnehmen möchten. Etwa viermal pro Jahr werden die registrierten Personen eingeladen, an einer Untersuchung teilzunehmen.

Stichprobe: Die Stichprobe umfasst 118 Personen im Alter zwischen 19 und 60 Jahren (M = 32.0, SD = 10.9). 70% der Untersuchungsteilnehmer waren Frauen, 31% Männer. In der Stichprobe befanden sich überwiegend Menschen mit höherem Bildungsabschluss (3% Hauptschulabschluss, 11% Realschulabschluss, 44% Fach-/Abitur, 40% Hochschulabschluss, 3% ohne Angaben). Bei 31% handelte es sich um Studierende (inklusive einem Schüler), bei 58% um Berufstätige (10% sonstige, z. B. Arbeitslose).

5 Ergebnisse

In einem ersten Schritt wurden aus den einzelnen Items zur Einschätzung der Interviewer sowie des Unternehmens mit Hilfe einer explorativen Faktorenanalyse (Hauptkomponentenanalyse, Varimaxrotation) Skalen gebildet. Tabelle 1 gibt jeweils das Item mit der höchsten Ladung pro Faktor sowie die innere Konsistenz wieder. Im Falle der Einschätzung der Person des Interviewers ergaben sich drei Faktoren mit einer gemeinsamen Varianzaufklärung von 63%. Der erste Faktor bezog sich auf die wahrgenommene Professionalität des Interviewers. Ein hoher Wert auf dieser Skala bedeutete, dass der Interviewer u. a. als selbstbewusst, souverän und kompetent erlebt wurde. Der zweite Faktor fasste verschiedene Aspekte der wahrgenommenen Sozialkompetenz (Höflichkeit, Offenheit, Aufmerksamkeit etc.) zusammen. Faktor 3 bezog sich auf die wahrgenommene Strenge des Interviewers. Ein hoher Wert auf dieser Skala stand für einen Menschen, der streng, konservativ und unpersönlich wirkte. Das äußere Erscheinungsbild der Interviewer wurde über drei Items erfasst, die einen gemeinsamen Faktor bilden (69% Varianzaufklärung). Alle Skalen wiesen hinreichende bis gute Reliabilitätswerte auf (Lienert & Raatz, 1998; vgl. Tab. 1). Zu guter Letzt bezog sich die Bewertung des Unternehmens auf 9 Items (Varianzaufklärung = 60%, Cronbachs Alpha = .92). Ein hoher Skalenwert stand im Wesentlichen dafür, dass Probanden sich gut vorstellen konnten, in diesem Unternehmen beschäftigt zu sein.

Tabelle 1: Skalen und Reliabilitäten

Nach der Bildung der entsprechenden Skalen erfolgte ein Manipulationscheck. Zu diesem Zweck wurde eine multifaktorielle, multivariate Varianzanalyse durchgeführt. Als unabhängige Variablen dienten das Geschlecht der Interviewer (weiblich vs. männlich) sowie ihre manipulierte Seniorität (gering vs. hoch). Als abhängige Variablen wurden das eingeschätzte Alter der Interviewer in Jahren sowie die wahrgenommene Erfahrung herangezogen. Im Ergebnis zeigte sich, dass die beabsichtigte Manipulation erfolgreich war. Den Interviewern mit geringer Seniorität wurde im Vergleich zu denen mit hoher Seniorität ein signifikant geringeres Lebensalter sowie eine signifikant geringere Berufserfahrung zugeschrieben (F(2, 113) = 57.41, p < .001). Dies galt gleichermaßen für weibliche wie für männliche Interviewer (vgl. Tab. 2).

Zur Untersuchung der Effekte der Seniorität wurde eine weitere multifaktorielle, multivariate Kovarianzanalyse berechnet. Dabei kamen zwei unabhängige Variablen zum Einsatz: Seniorität (gering vs. hoch) und Geschlecht des Interviewers (weiblich vs. männlich). Als abhängige Variablen dienten die Bewertung des Interviewers durch die Bewerber im Hinblick auf deren Professionalität, Sozialkompetenz und Strenge sowie die Bewertung des Unternehmens. Um mögliche Einflüsse, die von der Demographie der Untersuchungsteilnehmer sowie dem äußeren Erscheinungsbild des Interviewers ausgehen, kontrollieren zu können, flossen drei Kovariate in die Analyse ein: Geschlecht und Alter der Probanden sowie das durch sie wahrgenommene Erscheinungsbild des Interviewers.

Auf multivariater Ebene ergab sich für beide unabhängige Variablen ein signifikanter Haupteffekt (Seniorität: F4/108 = 17.45 p < .001; Interviewergeschlecht: F(4, 108) = 3.95, p < .01) sowie ein signifikanter Interaktionseffekt (F(4, 108) = 2.71 p < .05).

Auf univariater Ebene ergaben sich zwei signifikante Haupteffekte der Seniorität (Tab. 3): Interviewer mit hoher Seniorität wirken demzufolge professioneller und sozial kompetenter auf die Bewerber. Dies bestätigt Hypothese 1 bezogen auf zwei von drei Variablen. Hypothese 2 fand keine Bestätigung. Für die zweite unabhängige Variable – das Interviewergeschlecht – ergab sich ein signifikanter Haupteffekt (Tab. 3): Männliche Interviewer erschienen den potentiellen Bewerbern professioneller als weibliche. Beide unabhängigen Variablen erzeugten zudem zwei Interaktionseffekte, und zwar bezogen auf die wahrgenommene Professionalität und Sozialkompetenz der Interviewer (Abb. 1 und Abb. 2). Während sich bei Interviewern mit geringer Seniorität keine Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Interviewern feststellen ließen, wurden erfahrene Männer positiver hinsichtlich Professionalität und Sozialkompetenz bewertet als erfahrene Frauen. Männer mit hoher Seniorität konnten von ihrer Erfahrung mehr profitieren als Frauen. Männliche Interviewer wurden immer signifikant positiver eingeschätzt, wenn sie Seniorität ausstrahlten im Vergleich zu Männern mit geringer Seniorität. Bei Interviewerinnen ließ sich ein solcher Senioritätseffekt nur bei der wahrgenommenen Professionalität belegen (Abb. 1).

Tabelle 2: Manipulationscheck

Tabelle 3: Effekt von Alter und Geschlecht auf die Wahrnehmung ihrer Person, des Interviews sowie des Arbeitgebers

Abb. 1: Interaktionseffekt bezogen auf die wahrgenommene Professionalität der Interviewer

Bei den Kovariaten ergab sich ein signifikanter Effekt für das Alter der Probanden, und zwar bezogen auf die wahrgenommene Sozialkompetenz der Interviewer. Je älter die Untersuchungsteilnehmer waren, desto kritischer schätzten sie die Sozialkompetenz (r = -.32) ein. Das Geschlecht der Probanden nahm keinen Einfluss auf deren Beurteilungen. Allerdings erwies sich das wahrgenommene Erscheinungsbild der Interviewer als eine signifikante Kovariate. Je positiver das Erscheinungsbild der Interviewer bewertet wurde, desto professioneller (r = .45) und sozial kompetenter (r = .46) erschienen die Interviewer. Zudem wurde das Unternehmen umso positiver eingeschätzt (r = .44). Betrachten wir die einzelnen Aspekte des Erscheinungsbildes jeweils für sich allein, so ergaben sich sowohl für das gepflegte Auftreten als auch für die angemessene Kleidung und das attraktive Äußere signifikante Zusammenhänge zur Einschätzung der Professionalität, der Sozialkompetenz und des Unternehmens als Arbeitgeber (vgl. Tab. 4).

Abb. 2: Interaktionseffekt bezogen auf die wahrgenommene Sozialkompetenz der Interviewer

Tabelle 4: Zusammenhang zwischen verschiedenen Aspekten des Erscheinungsbildes der Interviewer und ihrer Bewertung sowie der Bewertung des Unternehmens durch die Bewerber

6 Diskussion

Die vorliegende Studie geht der Frage nach, inwieweit die Seniorität der Interviewer einen Einfluss auf die Wahrnehmung der Bewerber hat. Die Hypothese 1 kann mit Einschränkung bestätigt werden. Es zeigt sich, dass Interviewern, die ein hohes Maß an Seniorität ausstrahlen, von potentiellen Bewerbern eine höhere Professionalität sowie eine größere Sozialkompetenz bescheinigt wird. Keinerlei Effekte lassen sich im Hinblick auf die wahrgenommene Strenge der Interviewer sowie die Bewertung des Unternehmens als Arbeitgeber finden. Allerdings werden die gefundenen Effekte zum Teil durch das Geschlecht des Interviewers moderiert. Im Falle der Professionalität gilt sowohl für weibliche als auch für männliche Interviewer ein entsprechender Senioritätseffekt. Im Falle der Sozialkompetenz gilt dies nur für männliche Interviewer. Männliche Interviewer werden zudem als professioneller und auch als sozial kompetenter erlebt als weibliche, sofern es sich um Personen handelt, bei denen Seniorität vorliegt. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtergruppen verschwinden, sofern es sich um Interviewer handelt, die eine geringe Seniorität aufweisen. Ein direkter Effekt der Seniorität auf die Unternehmensbewertung konnten nicht nachgewiesen werden. Hypothese 2 muss daher verworfen werden.

Von den Kovariaten erweist sich insbesondere das Erscheinungsbild der Interviewer als relevant. Je positiver ihr Erscheinungsbild – im Sinne von passender Kleidung, gepflegt sein und Attraktivität –, desto positiver wird die Professionalität und Sozialkompetenz des Interviewers, aber auch das Unternehmen insgesamt bewertet. Während sich die Seniorität lediglich auf die Bewertung des Interviewers auswirkt, überstrahlt das Erscheinungsbild des Interviewers überdies auch den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber wirkt umso attraktiver, je positiver das Erscheinungsbild des repräsentierenden Interviewers ist. Betrachten wir die Effektstärken der beiden unabhängigen Variablen Seniorität und Interviewergeschlecht sowie die der Kovariate Erscheinungsbild, so wird deutlich, dass die Seniorität den größten Einfluss auf die Wahrnehmung der potentiellen Bewerber hat (partielles Eta-Quadrat = .39), gefolgt von dem Erscheinungsbild (.27) auf Platz zwei und dem Geschlecht der Interviewer (.13) auf Platz drei.

Das Geschlecht des Bewerbers und damit auch die Passung des eigenen Geschlechts zum Geschlecht des Interviewers hat sich in keinem Punkt als bedeutsam erwiesen. Offenkundig spielt die Passung des Geschlechts keine Rolle, wohl aber das Geschlecht des Interviewers an sich (s. o.).

Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus diesen Befunden für die Praxis ziehen? Die Metanalyse von Chapman et al. (2005) zeigt, dass es durchaus sinnvoll ist, sich mit der Bewertung der Interviewer durch die Bewerber zu beschäftigen. Die Wahrnehmung des Auswahlpersonals nimmt letztlich auch Einfluss darauf, ob ein Stellenangebot angenommen wird.

Wer einen positiven Eindruck der Interviewer fördern möchte, der sollte vor allem Interviewer zum Einsatz bringen, die Seniorität ausstrahlen. Dies könnten zum einen Menschen sein, die ein zumindest mittleres Lebensalter aufweisen, zum anderen können die Interviewer in der Vorstellungsrunde Informationen über die eigene Seniorität einfließen lassen. Hierzu zählt neben der Dauer der Berufserfahrung die Position im Unternehmen. Insbesondere bei männlichen Interviewern verspricht ein solches Vorgehen Erfolg. Sofern sehr junge Mitarbeiter die Einstellungsinterviews führen, empfiehlt es sich, ihnen einen älteren Kollegen an die Seite zu setzen. Da schon aus Gründen der Reliabilität die Einschätzung der Bewerber im Einstellungsinterview durch mehr als nur eine Person erfolgen sollte (Kanning, 2004, 2015), würde man hier sprichwörtlich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Zum einen bewerten die Bewerber das Interview wahrscheinlich positiver, zum anderen sollten die Befunde auch eine bessere Einschätzung der Bewerber ermöglichen.

Geht es jedoch nicht nur um die Frage, wie die Bewerber die Interviewer erleben, sondern möchte man auch im Sinne eines erfolgreichen Personalmarketings eine positive Bewertung des Unternehmens erzielen, so spielt nach den Ergebnissen unserer Studie die Seniorität der Interviewer keine bedeutsame Rolle. Stattdessen wäre es lohnenswert, auf ein positives Erscheinungsbild der Interviewer zu achten. Im Einzelnen bedeutet dies eine angemessene Kleidung, ein gepflegtes Äußeres sowie ein gewisses Maß an Attraktivität zu gewährleisten. Offensichtlich bewerten Bewerber ähnliche Attribute der Interviewer positiv wie Personaler bei den Bewerbern (Kanning, in Druck c).

Unsere Studie besitzt in mehreren Punkten eine eingeschränkte Aussagekraft, aus der sich Aufgaben für die zukünftige Forschung ergeben. Wie in den meisten Studien dieser Art haben wir es nicht mit einer realen Bewerbungssituation, sondern nur mit einer simulierten Situation zu tun. Es ist nicht sicher, ob sich entsprechende Effekte auch dann finden lassen, wenn die Probanden tatsächlich auf der Suche nach einer Stelle sind und gern in dem fraglichen Unternehmen arbeiten wollen. Zukünftige Studien sollten mit realen Bewerbern arbeiten, was sich allerdings nur sehr schwer realisieren lässt, da ja immer auch eine hinreichende Varianz an Seniorität der Interviewer vorhanden sein muss und möglicherweise die Branche oder die Fachlichkeit/Studienrichtung der Bewerber eine Rolle spielt. Man müsste also mit sehr großen Stichproben arbeiten, um die Effekte im Feld exakt untersuchen zu können.

Es ist unklar, inwieweit der Senioritätseffekt auch für Interviewer in einem sehr fortgeschrittenen Lebensalter gilt. Möglicherweise wirken Interviewer jenseits des 60. Lebensjahres weniger positiv, weil sie sich bereits negativen Altersstereotypen ausgesetzt sehen (Wegge, 2014). In unserer Studie waren die älteren Interviewer Ende 30. Zukünftige Studien sollten auch deutlich ältere Personen mit einbeziehen.

Die Seniorität wurde in unserer Studie über drei Variablen operationalisiert: Das Lebensalter der Interviewer, die Dauer der Berufserfahrung sowie die hierarchische Position im Unternehmen. Es ist unklar, wie bedeutsam die einzelnen Aspekte der Seniorität sind. Nachfolgende Studien könnten diese und weitere Aspekte der Seniorität systematisch variieren, um deren Bedeutung besser einschätzen zu können. Allerdings sind diese drei Variablen auch in der Realität stark interkorreliert, da höhere hierarchische Positionen meist an Menschen mit mehr Berufserfahrung vergeben werden, die daher dann auch meist ein eher mittleres bis höheres Lebensalter aufweisen.

Zum Einsatz kommen lediglich vier Interviewer, die für die vier unterschiedlichen Bedingungen stehen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Individuum in der Rolle des Interviewers einen Einfluss auf die Ergebnisse nimmt. Es ist daher zu empfehlen, in zukünftigen Studien jede der vier Rollen mit mehreren Schauspielern zu besetzen, so dass sich etwaige Effekte herausmitteln können. Ein solches Vorgehen setzt erneut eine deutliche Ausweitung der Stichprobengröße voraus.

Die Ergebnisse zeigen, dass sich ein positives Erscheinungsbild der Interviewer vorteilhaft auf die Bewertung ihrer Person sowie die Bewertung des Unternehmens auswirkt. Wir wissen, dass dies für gepflegtes Aussehen, passende Kleidung und Attraktivität gilt. Aus der umfangreichen Attraktivitätsforschung lässt sich ableiten, was physische Attraktivität bei einem Menschen ausmacht (vgl. Vieten & Kanning, 2012; Renz, 2006). Worin die Determinanten eines gepflegten Äußeren oder einer passenden Kleidung im Einstellungsinterview bestehen, ist bislang noch nicht erforscht worden. Auch hier ergeben sich Perspektiven für die zukünftige Forschung.

7 Literaturverzeichnis

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Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. phil. habil. Uwe P. Kanning
Hochschule Osnabrück
Caprivistraße 30a
49076 Osnabrück
DEUTSCHLAND
U.Kanning@hs-osnabrueck.de

Gesamtausgabe 1 – 2016

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